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Diesmal war Skar mehr als nur ein wenig überrascht. »Kiina? Du bist -«

»Gowennas Tochter, ja.«

»Die Tochter der Margoi?« fragte Del ungläubig. »Aber das kann nicht sein. Errish bekommen keine Kinder.«

»Manche schon«, berichtigte Kiina ruhig. »Sonst wäre ich nicht hier, oder?« Sie lachte ganz leise, versuchte sich aufzurichten und schüttelte heftig den Kopf, als Skar ihr helfen wollte. Skar unterdrückte ein Lächeln. Zumindest die Sturheit schien sie von ihrer Mutter geerbt zu haben - wenn sie diejenige war, die zu sein sie vorgab. Aber irgendwie glaubte er ihr. Er sah Del an, ehe er weitersprach, aber er las auch in den Augen des anderen nur Verwirrung.

»Deine Mutter hat dich also geschickt«, fuhr er fort. »Zu mir?« Kiina nickte und schüttelte fast in der gleichen Bewegung den Kopf. »Ja«, sagte sie, »und nein. Meine Mutter ist tot, schon seit drei Jahren. Aber sie hat oft von dir gesprochen. Du mußt sie ziemlich beeindruckt haben, Satai.« Sie maß Skar mit einem sehr langen, abschätzenden Blick; einem Blick von so unverschämt taxierender Art, wie ihn nur Kinder zustande bringen. Skar korrigierte seine Schätzung um ein paar Jahre nach unten, was ihr Alter betraf. »Ich verstehe zwar nicht ganz, wieso, aber...«

»Sie ist tot?« Skar erschrak erst mit einiger Verspätung; vielleicht, weil er in letzter Zeit vom Tode so vieler gehört hatte, daß er es schon fast erwartete. »Gowenna ist tot, behauptest du?«

»Sie starb am Fieber«, antwortete Kiina. In ihrer Stimme war nicht die mindeste Spur von Trauer oder Mitgefühl. »Errish werden nicht sehr alt, wußtest du das nicht? Das Leben mit den Drachen läßt sie ausbrennen.« Sie sah ihn aus sehr großen, dunklen Augen an. »Es ist also wahr.«

Skar vermochte dem plötzlichen Gedankensprung nicht zu folgen; und er versuchte es auch gar nicht. Die Nachricht von Gowennas Tod erschütterte ihn, jetzt, nachdem er sie wirklich wahrgenommen hatte. Er hatte bisher nicht einmal an die Ehrwürdige Mutter der Errish gedacht, aber irgendwie hatte er ganz automatisch unterstellt, daß sie noch lebte; so, wie er nach seinem Erwachen im Tempel der Gesichtslosen Priester ohnehin geglaubt hatte, daß alles unverändert sei. Aber das stimmte nicht. Alles war anders geworden, nicht nur er. Zwanzig Jahre gingen nicht so einfach an einer Welt vorüber, ohne daß die Dinge sich änderten.

»Du kommst aus Elay?« erkundigte sich Del, als Skar keinerlei Anstalten machte, dem Mädchen irgendeine Frage zu stellen, sondern sie nur weiter anstarrte.

»Aus dem Drachenland«, wich Kiina aus, womit sie seine Frage nicht direkt beantwortete. »Ich wollte eher zu euch stoßen, aber sie haben mich verfolgt, und ich mußte mich verstecken. Ich -« Sie brach ab, und auf ihrem Gesicht machte sich ein Ausdruck breit, als wäre ihr mit jähem Schrecken etwas sehr Wichtiges wieder eingefallen, das sie vergessen gehabt hatte. »Was ist mit Kaleigh?« fragte sie.

»Dein Drache?« Skar schüttelte bedauernd den Kopf. »Er ist tot.« Er wollte hinzufügen: Es tut mir leid, aber er verbiß sich die Worte im letzten Moment. Niemand, der nicht als Errish geboren und aufgewachsen war, konnte wirklich nachempfinden, wie eng sich die Ehrwürdigen Frauen mit ihren titanischen Reittieren verbunden fühlten. Sie waren viel mehr als Reittier und Herrin, viel mehr als Freunde - sie waren Teile eines Ganzen, das nicht auseinandergerissen werden konnte, ohne daß beide zu Schaden kamen. Er hatte Errish erlebt, die aus Kummer über den Verlust ihrer Drachen gestorben waren. Und umgekehrt.

Ein heftiges Mitgefühl ergriff ihn. Er streckte die Hand aus und faßte nach Kiinas Schulter, aber wieder entzog sie sich seiner Berührung. In ihren Augen glitzerten Tränen. Trotzdem war ihre Stimme fest, als sie weitersprach. »Sie werden dafür bezahlen, Skar. Ich werde zurückgehen und jeden einzelnen von diesen Ungeheuern umbringen, das schwöre ich.«

Del seufzte. »Wie wäre es, wenn du uns statt dessen lieber erzählen würdest, warum du überhaupt gekommen bist«, forderte er sie ungeduldig auf. Skar warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, aber Del ignorierte ihn, obwohl er ihn sehr wohl bemerkte, »Die Daktylen und die drei Panzerechsen, die dich verfolgten - wer waren sie, und warum wollten sie dich töten?«

»Errish«, antwortete Kiina. »Das, was die Sternengeborenen aus ihnen gemacht haben.«

»Sie sind alle so ... verändert?« fragte Skar zögernd.

Kiina antwortete wieder mit dieser Mischung aus gleichzeitigem Nicken und Kopfschütteln. »Die meisten«, sagte sie. »Ein paar konnten entkommen, aber sie haben uns die Drachen genommen. Elay ist fest in ihrer Hand, und niemand kann das Tal der Drachen betreten, ohne getötet zu werden.« Sie wich Skars Blick jetzt aus, aber irgend etwas war plötzlich in ihrer Stimme, das Skar warnte. Ihre Selbstbeherrschung begann zu zerbröckeln. Er begriff plötzlich, daß die Ruhe, die sie bisher an den Tag gelegt hatte, nicht echt war, sondern nur der Schock, den das Erlebte - und nicht zuletzt der Tod ihrer Reitechse - ihr bereitet hatte. Und der alarmierte Blick, den Del ihm insgeheim zuwarf, bewies, daß auch er es spürte: Das Mädchen würde zusammenbrechen, wenn sie nicht sehr behutsam vorgingen.

Ohne darauf zu achten, daß Kiina abermals ein Stück von ihm fortrückte, setzte er sich neben sie auf die Bettkante und legte den Arm um ihre Schultern. Im allerersten Moment versteifte sie sich, und er rechnete fest damit, daß sie seinen Arm abstreifen würde, aber dann entspannte sie sich, und er konnte direkt fühlen, wie ihr Widerstand zerbrach. Letztendlich war sie nur ein Kind, das zu viel durchgemacht hatte und den Schutz und die Nähe eines Erwachsenen suchte.

»Erzähle«, bat er leise. »Ruhig und von Anfang an. Wir haben viel Zeit.«

»Das habt ihr nicht«, antwortete Kiina.

»Was soll das heißen?« Dels Stimme war sehr scharf.

Statt einer direkten Antwort streifte Kiina Skars Arm jetzt doch ab, schleuderte die Decke beiseite und stand mit einem Ruck auf. Ohne auf Dels ärgerlichen Blick zu achten, bückte sie sich nach ihrem Kleid und streifte es über. Daß es an einer Seite verkohlt war und eine schmierige schwarze Spur auf ihrer Haut hinterließ, schien sie nicht besonders zu stören. Skar sah, daß ihre Bewegungen unsicher waren und ihre Hände ganz leicht zitterten. Aber sie war noch jung genug, um wirklich zu glauben, daß es ein Zeichen von Tapferkeit war, sich Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Er lächelte verzeihend, als sie sich wieder zu Del und ihm herumdrehte; ein Lächeln, das neuen Zorn in Kiinas Augen auflodern ließ.

»Welcher Tag ist heute?« fragte sie.

Del sagte es ihr, und Kiina überlegte einen Moment angestrengt. »Dann sind es noch zwei Tage, bis das Heer aus Denwar hier ist«, erklärte sie. »Falls ihr euren Zeitplan einhaltet, heißt das.«

»Welches... Heer?« fragte Del verblüfft; aber auch hörbar mißtrauisch.

Kiina verzog abfällig die Lippen. »Die zehntausend Satai und Veden, die ihr erwartet, um mit der Invasion Besh-Iknes zu beginnen«, erwiderte sie.

»Du weißt davon?« Del klang eher erschüttert als erschrocken. »Die anderen wissen davon« antwortete Kiina triumphierend. Sie war noch jung genug, um den Moment in all seiner Dramatik auszukosten, und Skar sah, wie sich Dels Stirn abermals umwölkte. Geduld hatte noch nie zu seinen Stärken gehört.

»Was soll das heißen?« fragte er scharf. »Von wem sprichst du?«

»Du hast sie doch gesehen, Satai«, gab Kiina zur Antwort. »Die, welche mich verfolgt haben. Diese Burg hier -« Sie machte eine weit ausholende Geste und schloß in der gleichen Bewegung die silberne Spange, die ihr Kleid über der Schulter hielt. »- ist eine einzige Falle. Sie wurde nur zu dem Zweck erbaut, euch hierherzulocken. Und ihr seid ja auch gekommen, oder?«