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Im ersten Moment glitt sein Blick einfach darüber hinweg, ohne irgendein Interesse, denn obwohl er hier herausgekommen war, um allein zu sein, war eine Fußspur im Morast nun wirklich nichts Besonderes, in der Nähe eines Heeres, das mehr als vierzigtausend Köpfe zählte.

Aber irgend etwas an dieser Spur irritierte ihn, und etwas in ihm schrie alarmiert auf, ohne daß er das, was ihn so mißtrauisch machte, im ersten Moment bewußt wahrgenommen hätte. Er zügelte sein Pferd, ritt ein kurzes Stück zurück und ließ sich mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel gleiten. Es war eine ganz normale Fußspur, nicht älter als zwei Stunden, die Spur eines nicht allzu großen, nicht allzu schweren Menschen, der vom Flußufer gekommen war und - ja, und was?

Skar starrte verdutzt auf die beiden parallelen Reihen fingertiefer Abdrücke im Boden, die am Fluß begannen und nach zwei, drei Dutzend Metern im Nichts endeten.

Aber das war doch unmöglich! dachte er. Im Laufe einer einzigen Sekunde erwog er ein halbes Dutzend denkbarer und ebensovieler undenkbarer Erklärungen für das, was er da sah, und verwarf jede einzelne davon sofort wieder - angefangen von der, daß der Mann auf seiner eigenen Spur zurückgegangen war bis hin zu der Vorstellung, daß eine Daktyle gekommen und ihn davongetragen hatte. Das eine war so lächerlich wie das andere. Es war einfach nicht möglich, daß eine Spur so abrupt aufhörte! Aber der schwarze Morast, in dem er niedergekniet war, bewies das Gegenteil. Die Spuren waren da, so deutlich, als hätte sie jemand eigens zu dem Zweck hinterlassen, daß er sie fand. Für einen Moment erwog er auch diese Möglichkeit - es mochte eine Falle sein, die für ihn oder irgendeinen anderen Dummkopf aufgestellt worden war, der hierher kam. Aber er verwarf auch diesen Gedanken wieder; niemand - nicht einmal er selbst - hatte vor zwei Stunden gewußt, daß er sich gerade hierher begeben würde, und selbst wenn, dann war es sicherlich einfacher, ihm auf andere Weise eine Falle zu stellen ...

Er richtete sich auf, legte ganz unbewußt die Hand auf das Schwert an seiner Seite und sah sich aufmerksam um. Die Spur führte auf die Felsen zu, durch die er selbst gerade geritten war: ein Labyrinth aus kleinen Schluchten und Abgründen, in dem sich ein ganzes Heer verbergen konnte, aber sie erreichte sie nie, sondern hörte gut zehn Schritte vor dem ersten Fels einfach auf, so abrupt, als hätte sich der, welcher sie verursacht hatte, einfach in Luft aufgelöst. Oder wäre im Boden versunken.

Dann sah er die Bewegung.

Es war nur ein Huschen, das er aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm; nicht mehr als das Flackern eines Schattens, von dem er nicht einmal ganz sicher war, ob er es wirklich gesehen hatte oder ob ihm seine überreizten Nerven einfach einen Streich spielten, aber er spürte einfach, daß es keine Täuschung war. Er war nicht allein. Irgend jemand - etwas - war da, ganz in seiner Nähe, und irgend jemand - etwas - belauerte ihn, sehr aufmerksam und voller böser Gedanken. Es war absurd, aber genau das war es, was er empfand.

Sekundenlang war Skar unschlüssig, was er tun sollte. Das Klügste wäre sicherlich gewesen, wieder auf das Pferd zu steigen und zur Festung zurückzureiten, um Del und vor allem Bradburn von seiner Entdeckung zu berichten. Bradburn war ein Magier, und das hier war etwas, was zumindest mit Skars Logik nicht mehr zu erklären war. Andererseits...

Er wandte sich um, band die Vorderläufe des Pferdes mit einem der dünnen Lederriemen zusammen, die für diesen Zweck am Sattelgurt hingen, richtete sich wieder auf und ging auf die Felsen zu, aufrecht und ohne irgendwelche Hast. Wer immer dort war, hatte ihn längst gesehen. Wenn er versuchte, sich anzuschleichen, würde er sich nur lächerlich machen. Und wer weiß, versuchte er sich selbst zu beruhigen, vielleicht war es ja nur ein Irgendwer, einer der zahllosen Vertriebenen, die der Krieg wie lebendes Strandgut vor sich hertrieb und der ihn gesehen hatte und jetzt vor Angst beinahe starb.

Aber es war kein Flüchtling.

Es war überhaupt niemand.

Er erreichte die Felsen und blieb stehen, und das Gefühl, beobachtet, von Tausenden unsichtbarer Augen belauert zu werden, wurde übermächtig. Aber da war niemand.

Plötzlich hatte er Angst, eine Angst sehr sonderbarer, düsterer Art, die nichts mit irgendeiner körperlichen Bedrohung gemein hatte, sondern allein durch das Dasein dieses... ihm fehlten selbst in Gedanken die Worte, das Gefühl wirklich zu beschreiben ... Etwas verursacht wurde.

Gebannt sah er sich um.

Er stand zwischen zwei gewaltigen Felsblöcken, ungleichen Teilen eines granitenen Riesenwürfels, der säuberlich wie von einem Axthieb gespalten war, und der Boden war so sauber und glatt, als hätte ihn jemand gefegt. Der Schnee war niemals hierhergekommen. Hier und da waren ein paar Schatten, aber sie waren nicht tief genug, um irgend etwas von nennenswerter Größe verbergen zu können. Trotzdem.

Seine Hand glitt zum Schwert, aber er führte die Bewegung nicht einmal halb zu Ende - wenn es wirklich jemand war, der sich nur vor ihm verbarg, weil er schlichtweg Angst hatte, würde er ihn mit dieser Waffe nur noch mehr einschüchtern; und war es etwas anderes... nun, dann würde sie ihm wahrscheinlich nicht viel nutzen. Rasch, aber ohne Hast, ging er weiter.

Die Schatten des steinernen Labyrinths hüllten ihn ein, je tiefer er in das Gewirr von Felsen und bizarren steinernen Formen eindrang, und das Gefühl, beobachtet zu werden, nahm fast körperliche Intensität an.

Ein Schatten strich über ihn hinweg; ganz kurz nur, aber doch lange genug, ihn erkennen zu lassen, was es war - der Schatten einer niedrig fliegenden, sehr großen Daktyle!

Skar huschte blitzschnell zur Seite, preßte sich in den Schlagschatten der Felswand und blickte mit angehaltenem Atem nach oben. Aber da war nichts. Der Himmel war leer, nur bedeckt mit schweren, niedrig dahintreibenden Wolken, die mit fast unnatürlicher Schnelligkeit aufzogen, und er hörte auch nichts außer dem Rasen seines eigenen Herzens und den heulenden Geräuschen, mit denen sich der Wind an den Graten und Kanten des felsigen Labyrinths brach.

Aber er war sicher, sich nicht getäuscht zu haben. Gebannt blickte er in die Richtung, in die der jagende Schatten verschwunden war. Nicht weit vor ihm erhob sich ein kleines Felsplateau aus dem Gewirr steinerner Nadeln und Buckel, nicht sehr mächtig und nicht sehr steil, aber trotzdem groß und auch hoch genug, einer halbwegs geschickten Daktyle Platz zum Landen und - was wichtiger war - ausreichend Anlauf zum Start zu geben. Skar warf noch einen sichernden Blick nach rechts und links, dann huschte er los. Der Weg war nicht sehr weit, aber schwierig, und zudem mußte er jeden Moment auf einen Angriff gefaßt sein. Daktylen sahen plump aus, aber sie hatten scharfe Sinne, und wenn sie nicht allein gekommen war, würde ihr Reiter auf der Hut sein, so nahe an der Festung.

Aber er hatte Glück. Unbehelligt erreichte er den Fuß des kleinen Felsbuckels, verhielt einen Moment, um Atem zu schöpfen, und machte sich dann an den Aufstieg.

Er war nicht sehr lang und auch nicht sehr anstrengend, aber Skar brauchte fast fünf Minuten, das knappe Dutzend Manneslängen zu überwinden, denn er bemühte sich, nicht das geringste Geräusch zu verursachen.

Die Daktyle hockte kaum eine Armeslänge vor ihm, als er die Felskante erreichte, ein großes, sehr altes Tier, dessen ledrige Schwingen von Grind und Narben zerfressen waren, aber sie blickte nicht in seine Richtung, und ihre kleinen trüben Augen waren halb geschlossen, als döse sie vor sich hin. Nicht weit von ihr entfernt stand eine hoch aufgerichtete, sehr schlanke Gestalt in einer schimmernden schwarzen Rüstung.