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»Dann solltest du es tun«, schlug Bradburn vor, »und nachsehen, ob sich in der Nähe eine Quelle befindet. Ein Bach, der im Boden verschwindet, ein kleiner See...« Er breitete die Hände aus, um anzudeuten, daß es noch zahllose andere Möglichkeiten gab.

»Du glaubst, die Errish wollte unser Trinkwasser vergiften?« fragte Del zweifelnd.

Bradburn wiederholte die Handbewegung und zuckte dazu mit den Achseln. »Vielleicht hatte sie auch vor, es einfach über unseren Köpfen auszugießen oder in den Fluß zu schütten.« Er seufzte, bedachte das so harmlos aussehende Fläschchen mit einem fast ängstlichen Blick und fuhr sich müde mit den Händen durch das Gesicht. »Das eine ergibt so wenig Sinn wie das andere.«

»Wieso?« Del trat einen Schritt näher. »Gerade hast du gesagt, es wäre die tödlichste Mixtur, die du je gesehen hättest.« Bradburn seufzte erneut, wandte sich zur Seite und angelte einen halbgefüllten Becher von einem Regal, aus dem er einen gewaltigen Schluck nahm, ehe er antwortete. »Ja, das stimmt«, bestätigte er. »Ich bin kein Giftmischer, und auch kein Alchimist. Aber die Errish verstehen viel von den alten Künsten. Mehr als irgendeiner von uns.«

»Hast du deshalb mit Kiina gesprochen?« wollte Skar wissen. Bradburn lächelte und brachte das Kunststück fertig, gleichzeitig mit dem Kopf zu schütteln und zu nicken. »Sie weiß viel über ihr Volk«, antwortete er. »Nicht so viel wie eine wirkliche Errish, natürlich, denn sie wurde niemals geweiht, aber sie war die Tochter der Margoi.«

Seine Worte versetzten Skar einen dünnen, aber spürbaren Stich ins Herz. Er dachte an Gowenna - Kiina, wie ihr wirklicher Name gewesen war, den sie an ihre Tochter weitergegeben hatte -, und ein sonderbares Gefühl von Sehnsucht machte sich in ihm breit. War das die Ursache für seine grundlose Aggressivität diesem Mädchen gegenüber? dachte er verstört. Feindete er es nur so an, weil er seine Mutter vielleicht doch geliebt hatte, ohne es bisher zu wissen?

Er schüttelte den Gedanken mühsam ab und deutete auf die Phiole. »Hast du es ausprobiert?«

Bradburn nickte und trank einen weiteren Schluck Wein. Das Zittern seiner Hände hörte allmählich auf. Er sah müde aus, fand Skar. Nicht körperlich, sondern auf schwer in Worte zu fassende Weise im ganzen. Wie ein Mann, der einfach zu lange gelebt hatte. »So gut ich konnte«, erklärte er mit einem neuerlichen Achselzucken. »Ich gab einen Tropfen davon in ein Gefäß mit Wasser. Anschließend habe ich einen der Hunde davon trinken lassen. Er fiel um wie vom Blitz getroffen, kaum daß er das Wasser berührt hatte. Und die beiden Männer, die mir geholfen haben, wurden krank.« Er machte eine beruhigende Handbewegung, als Del etwas sagen wollte. »Nicht schlimm«, fügte er hinzu. »Sie werden es überleben, aber die Symptome sind eindeutig - sie klagen über Kopfschmerz und Übelkeit, und sie haben Fieber bekommen. Es reicht offensichtlich schon, nur die Dämpfe einzuatmen.«

»Und das soll keinen Sinn ergeben?« fragte Del zweifelnd. »Nein«, antwortete Skar an Bradburns Stelle. Er deutete auf das Giftfläschchen. »Das Zeug da im Brunnen hätte ein paar Dutzend von uns umgebracht. Schlimmstenfalls ein paar Hundert. Aber wir sind über vierzigtausend. Und wir werden sechzigtausend sein, wenn die Männer aus Denwar erst einmal eingetroffen sind.« Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht hatte sie wirklich vor, es vom Rücken ihrer Daktyle aus auf unsere Köpfe herabzuschütten.« Er glaubte selbst nicht an diese Möglichkeit, und Del und Bradburn machten sich nicht einmal die Mühe zu antworten.

»Wir müssen noch einmal dorthin«, entschied Bradburn nach einer Weile. »Zu den Felsen, zwischen denen du die Errish gefunden hast.«

»Wozu?« fragte Skar, ein kleines bißchen zu heftig, als daß Bradburn oder Del sein Erschrecken noch entgehen konnte. Er machte eine verlegene Handbewegung. »Ich meine - was versprichst du dir davon? Die Errish wird dir kaum noch irgendwelche Fragen beantworten können, weißt du?«

Bradburn starrte ihn an, und auch zwischen Dels Brauen entstand eine steile Falte, die mehr über seine Gedanken aussagte als das spöttische Lächeln, das auf seinen Lippen lag.

»Manchmal reden Tote noch«, erwiderte Bradburn schließlich. »Es wäre nützlich, zum Beispiel zu wissen, wie sie gestorben ist. Oder ihr Gepäck zu untersuchen.« Er machte eine flatternde Handbewegung zur Decke hinauf. »Wieso reiten wir nicht gleich jetzt?«

Diesmal schüttelte Skar zu Recht den Kopf. »Es ist zu spät«, stellte er fest. »Es wird dunkel, bis wir unten am Fluß sind. Und ich bin nicht sicher, ob ich die Stelle in der Nacht wiederfinde.«

»Außerdem ist das Gelände dort unten schwierig«, pflichtete ihm Del bei. »Wir haben nicht viel davon, wenn du mit einem gebrochenen Bein zurückkommst. Ich -«

Er sprach nicht weiter, denn in diesem Moment drangen vom Korridor schwere, stampfende Schritte herein, und der Schein einer Fackel huschte über die matt beleuchteten Wände, gefolgt von einem riesigen, verzerrten Schatten. Ein Quorrl? dachte Skar verblüfft. Hier unten? Das war sonderbar - er hatte selten Quorrl in den unterirdischen Teilen der Festung gesehen; sie mieden Bradburns Nähe, und dazu kam, daß sie geschlossene Räume und erst recht Höhlen so sehr verabscheuten, wie Bradburn sie zu lieben schien. Er tauschte einen raschen Blick mit dem Prediger und erkannte, daß auch Bradburn überrascht aussah; ja, beinahe ein bißchen erschrocken.

Seine Verwirrung wurde zu leiser Sorge, als er erkannte, wer der Quorrl war, der die Kammer betrat - niemand anderes als Titch nämlich, der jetzt zwar nicht mehr seine goldfarbene Prachtrüstung trug, aber kaum weniger barbarisch aussah als vorhin oben auf dem Hof. An seinem Gürtel hing noch immer das gewaltige Zweihand-Schwert, das so lang war, daß seine Spitze bei jedem Schritt des Quorrl den Boden berührte und regelmäßig hell klingende Laute von sich gab. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Klinge zu säubern. Und auch an seinen Händen klebte noch Blut.

Del atmete scharf ein, als sich Skars und Titchs Blicke begegneten, und sie verstanden beide. Für einen Moment war es, als spränge ein Funke zwischen ihnen über, aber die Explosion kam nicht. Statt dessen sah Skar bloß zur Seite, und Titch verzog seinen fast lippenlosen Mund zur Karikatur eines menschlichen Lächelns.

Skar fing Dels beschwörenden Blick auf und wandte sich widerwillig an den Quorrl. »Titch?«

»Ihr verlangtet mich zu sehen, Hoher Satai«, antwortete Quorrl. »Ihr wart nicht in Eurem Quartier, aber es schien mir, als ob Euer Anliegen ... dringend sei. So habe ich Euch gesucht.« Skar war nicht sicher, ob der verletzende Spott, den er in Titchs Stimme zu hören glaubte, wirklich da war. Er beschloß, wenigstens für den Moment anzunehmen, daß er ihn sich nur einbildete. »Es war ... nichts«, antwortete er unsicher. »Ein Mißverständnis. Ich wußte gewisse Dinge nicht. Meine Schuld, daß ich mich nicht informiert habe. Es tut mir leid.«

Titch schien verwirrt. Skar war plötzlich sehr sicher, daß der Quorrl mit dem festen Vorsatz hierhergekommen war, ihn zur Rede zu stellen; allermindestens. Sein unerwartetes Nachgeben paßte nicht in Titchs Konzept. Der Gedanke erfüllte Skar mit einer gewissen Schadenfreude, mahnte ihn aber gleichzeitig auch zur Vorsicht. Titch war kein Gegner, den er unterschätzen sollte. Das war ein Quorrl nie, und dieser Quorrl schon gar nicht. »Aber wir sollten über gewisse Dinge reden«, fügte er deshalb hinzu. »Bevor es wieder zu einem Mißverständnis kommt.« Titchs Blick wurde lauernd. »Ihr meint den Tod der acht Feiglinge?« fragte er.