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Aber er schlug nicht zu.

Er wollte es. Alles in ihm schrie danach, den Satai zu töten, den Trotz und Zorn in dessen Blick mit einem einzigen Hieb zum Erlöschen zu bringen. Aber er tat es nicht. Skar erstarrte wie eine Puppe mitten in der Bewegung. Aus der Wut in den Augen des Satai wurde pure Angst, dann Entsetzen, aber der Anblick steigerte die schreckliche Mordlust in Skar nur noch. Töte ihn! schrie eine unhörbare Stimme in ihm. Töte ihn! Er hat dich angegriffen! Er hat den Hohen Satai angegriffen! D mußt U ihn töten! TU ES!

Skar stöhnte. Die Wut in seinem Inneren verrauchte, ganz ganz allmählich nur, aber er spürte, wie das böse verlockende Flüstern leiser wurde, und ganz langsam senkte er die Hand wieder. Was war das? dachte er entsetzt. Wirklich nur der Zorn über diesen unerhörten Angriff? Oder sein Dunkler Bruder, die Bestie in seinem Inneren, die nach zwei Jahrzehnten wieder Blut geschmeckt und zu neuer schrecklicher Präsenz erwacht war? Er gewahrte, wie der Kampf rings um ihn herum endgültig aufhörte und alles ihn anstarrte, ließ auch das Haar des Satai los, murmelte ein Wort der Entschuldigung, das viel mehr ihm selbst als dem Krieger galt, und wollte aufstehen. Aber er kam nicht dazu.

Plötzlich erscholl hinter ihm ein tiefes, wütendes Knurren. Skar sah eine Bewegung aus den Augenwinkeln, hob instinktiv die Arme, um sein Gesicht und die Kehle zu schützen - und fiel rücklings über den Satai, als der Hund ihn wie eine lebendes Geschoß aus hundert Pfund Muskeln und Knochen ansprang. Fingerlange Zähne schnappten nach seiner Kehle und fetzten Blut und Haut aus seinen Händen, dann bohrte sich ein entsetzlicher Schmerz in seinen rechten Unterarm. Skar schrie auf und versuchte, die Beine an den Körper zu ziehen, um den Hund von sich wegzuschleudern, aber das Tier wich seiner Bewegung fast spielerisch aus. Es war diese Art des Kämpfens gewohnt; schließlich hatte man es sein Leben lang darauf trainiert, mit Gegnern wie ihm fertig zu werden.

Skar bog verzweifelt den Kopf zur Seite, als sich die Zähne des Kampfhundes aus seinem Arm lösten und nach seinem Gesicht schnappten. Blindlings schlug er zu, traf aber nur den harten Stirnknochen des Hundes; ein Hieb, der weh tat, die Wut des Tieres aber nur noch steigerte. Diesmal gruben sich die Zähne des Ungeheuers tief in seine rechte Schulter. Skar stürzte zum zweiten Mal nach hinten, und dieses Mal hatte er nicht mehr die Kraft, sich in die Höhe zu stemmen. Dutzende von Gestalten umgaben ihn, Menschen wie Quorrl, aber niemand machte auch nur den Versuch, ihm zu Hilfe zu kommen.

Der Hund fiel mit einem schrillen Heulen über ihn her, schnappte nach seiner Kehle und versuchte, ihn mit den Pfoten in die Augen zu treffen. Skar schlug ihm gegen die Schnauze, spürte, wie einer der langen, spitzgefeilten Reißzähne abbrach und bekam das Fell unter seinem Hals zu fassen. Mit aller Kraft zerrte er daran, brachte den Hund mit einem verzweifelten Ruck aus dem Gleichgewicht und tastete mit der freien Hand nach seinem Schwert.

Ein schwarzer Stiefel trat nach dem Griff des Tschekal. Die Waffe verschwand klappernd zwischen den Beinen der Zuschauer. Skar schrie vor Wut und Enttäuschung auf, war aber geistesgegenwärtig genug, auch mit der zweiten Hand zuzupacken, als der Hund seinen Griff zu sprengen drohte. Seine Finger gruben sich so tief in den Hals des mächtigen Tieres, daß Blut aus seinem Fell sickerte.

Trotzdem fühlte er, daß er den Kampf verlieren würde. Der Hund raste vor Mordlust, und seine Kraft war einfach größer als seine eigene. Skar trat zwei-, dreimal hintereinander mit dem Knie zu und spürte, wie eine Rippe des Hundes brach. Das Tier heulte schrill - und seine Fänge näherten sich weiter Skars Gesicht. Sein Atem war heiß und roch nach Blut und Verwesung. Und plötzlich war ein zweiter, noch größerer Schatten über ihm. Eine schuppige Hand packte den Hund, riß ihn scheinbar mühelos von Skar herunter und brach ihm noch in der gleichen Bewegung das Genick.

Skar schloß aufatmend die Augen, blieb eine Sekunde reglos mit zitternden Gliedern liegen und begann sich dann sehr vorsichtig zu erheben. Eine riesige Krallenhand streckte sich ihm entgegen. Er ergriff sie, ließ sich von dem Quorrl in die Höhe ziehen und erkannte erst dann das flache, grüngeschuppte Gesicht des Barbarenkriegers, der ihn gerettet hatte.

»Titch!« rief er überrascht aus. »Du?«

»Jemand mußte dir ja helfen, nicht wahr?« spöttelte Titch. »Deine eigenen Leute wollten es ja offensichtlich nicht.« Er wurde übergangslos ernst, drehte sich herum und fuhr den erstbesten Quorrl an, den er sah: »Was ist hier geschehen?«

»K'scherian«, begann der Quorrl, »essha -«

»Sprich so, daß man dich versteht, Kerl!« unterbrach ihn Titch wutentbrannt, und noch immer in der Hochsprache Enwors. Skar begriff, daß Titch wollte, daß er jedes Wort verstand. Der Krieger schrumpfte unter Titchs Blick sichtlich in sich zusammen. »Die Satai haben uns angegriffen, Herr, und -« Titchs Schlag kam so schnell, daß nicht einmal Skar ihn sah. Der Quorrl keuchte, taumelte einen Schritt zurück und griff sich mit beiden Händen an den Hals. Dunkles Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Er war tot, noch bevor er zur Seite fiel und auf dem Boden aufschlug.

»Nicht!« rief Skar erschrocken. Titch fuhr herum und funkelte ihn zornig an, und Skar fügte mit einem raschen Verziehen der Lippen hinzu: »Es geht mich nichts an, ich weiß - aber wir erfahren nicht, was passiert ist, wenn du deine Leute umbringst, ehe sie es uns sagen können.«

Titch antwortete nicht darauf, sondern blickte ihn nur weiter aufgebracht an, und Skar gewann ein paar Sekunden, indem er sich nach seinem Schwert bückte und es wieder in den Gürtel schob. Die Männer, denen er dabei nahe kam, wichen fast angstvoll vor ihm zurück. Er fragte sich, ob der dabei war, dem ein gewisser Stiefel gehörte.

Als er sich wieder aufrichtete und zu Titch umdrehte, bemerkte er, daß der Quorrl nicht allein gekommen war, sondern in Begleitung seiner Leibgarde, eines guten halben Hunderts Quorrl, die jetzt allerdings nicht mehr die prachtvollen Metallrüstungen vom Nachmittag trugen, sondern in schwarze Harnische aus Leder und eisenhartem Holz gehüllt waren. Dazu trugen sie dunkelrote Mäntel, die bei der schlechten Beleuchtung aber ebenfalls schwarz aussahen, und flache, sehr wuchtige Helme, die ihre Gesichter fast vollständig verdeckten. Die Krieger hatten einen zweiten, undurchdringlichen Ring hinter dem Kreis aus Fackeln gebildet, und einige von ihnen begannen auf einen wortlosen Wink Titchs hin, jene Quorrl zusammenzutreiben, die an dem Kampf gegen die Satai beteiligt gewesen waren. Skar sah ihnen einen Moment dabei zu, ehe er sich an seine Leute wandte. »Also«, fragte er laut. »Wer war dabei?« Als niemand antwortete, wandte er sich an einen Mann, der mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden hockte und seinen blutenden Arm umklammerte. »Du da! Soll ich dich gleich hier auf der Stelle erschlagen, oder nennst du mir die Namen der anderen?«

Der Mann starrte ihn an, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht war eher Trotz als Respekt, so daß Skar sich daran machte, die Männer selbst zu identifizieren. Es war keine sehr schwere Aufgabe - kaum einer der Satai, die am Kampf gegen die Quorrl teilgenommen hatten, war gänzlich ohne Verletzungen davongekommen, und schon nach wenigen Augenblicken stand Skar eine Reihe von fast zwanzig Männern gegenüber. Er suchte vergeblich nach irgendeinem Zeichen von Einsicht oder Reue in den harten, schweißglänzenden Gesichtern.

»Ihr wißt, daß ich euch dafür töten lassen könnte«, eröffnete er ihnen. »Hier auf der Stelle, ohne ein weiteres Wort.«