»Was?« unterbrach ihn Titch. »Was wußtest du nicht, Satai? Befremdet es dich etwa, daß der Sohn einer Quorrl mit ihr ein Kind zeugt? Das verstehe ich nicht. Ihr haltet uns doch für Tiere. Ihr laßt doch keine Gelegenheit aus, uns zu demonstrieren, wie barbarisch wir sind und wie zivilisiert und edel ihr.«
»Du bist verbittert«, warf Skar ein.
Titch leerte mit einer wütenden Bewegung seinen Becher und füllte ihn wieder auf. »Nein«, widersprach er heftig. »Du verstehst nichts, Satai, gar nichts. Für euch sind wir doch nur Barbaren, primitive Wilde, die ihr verachtet. Hätten wir weiches Fell statt Schuppen, würdet ihr uns streicheln und uns Ketten um die Hälse binden, damit eure Kinder auf uns reiten können.« Er leerte auch seinen zweiten Becher, streckte die Hand aus, um ihn wieder aufzufüllen, und zog sie dann wieder zurück. Ganz plötzlich wirkte er betroffen über seine eigene Entgleisung. »Es ist spät«, sagte er plötzlich. »Du solltest gehen. Wir müssen morgen früh auf, und ich bin sicher, dein Freund Del hat noch mit dir zu reden.«
Das war nicht der wahre Grund. Titch bedauerte seine Worte, und er wollte, daß Skar ging, ehe er noch mehr sagen konnte, was ihm hinterher vielleicht leid täte. Trotzdem zögerte Skar nicht, seinen Mantel überzustreifen und sich zur Tür zu wenden. Aber er blieb noch einmal stehen, ehe er den Raum verließ. »Da ist noch etwas, was mir nicht aus dem Kopf geht, Titch«, sprach er ihn nochmals an.
Der Quorrl wandte sich widerwillig zu ihm um. »Ja?«
»Etwas, das du heute morgen gesagt hast«, fuhr Skar fort. »Du hast geäußert, alle diese Krieger wären bereits tot. Was hast du damit gemeint?«
Titch zögerte, und Skar begriff, daß er abermals ein Thema angesprochen hatte, über das der Quorrl nicht gerne sprach. Aber dann antwortete er doch. »Nur ein Gefühl, Satai. Es war nur ein Gefühl. Keiner von uns wird zurückkehren.«
»Das glaubst du wirklich?« fragte Skar. »Keine besonders gute Voraussetzung, um einen Krieg zu gewinnen, oder?«
»Wir werden ihn gewinnen«, versicherte Titch. »Ich weiß es. Trotzdem wird keiner von uns seine Heimat wiedersehen. Sie -« Er stockte, starrte einen Moment an Skar vorbei ins Leere und machte dann eine vage Bewegung mit beiden Händen, deren Bedeutung Skar nicht verstand. »Du weißt nichts über unser Volk.«
»Nicht viel -«
»Nichts«, unterbrach ihn Titch heftig. »Du bist wie alle anderen, Skar. Du bist vielleicht ein wenig intelligenter, ein wenig älter, vielleicht sogar ein wenig weiser - was immer ihr Menschen darunter verstehen mögt. Aber du weißt so wenig über unser Volk wie diese Narren dort draußen, die du fast so sehr verachtest wie uns.« Er füllte nun doch seinen Weinbecher und trank einen weiteren gewaltigen Schluck. Er war nervös. Seine Hände zitterten, aber Skar hatte das sichere Gefühl, daß es nicht nur am Wein lag.
»All diese Männer dort draußen«, fuhr Titch mit einer Handbewegung zum Fenster hin fort, »haben Abschied von ihren Familien genommen. Sie haben die Todesweihen bereits empfangen, Satai. Sie sind tot. Sie werden nicht zurückkehren, auch wenn sie den Krieg überleben sollten.«
»Gilt das... auch für dich?« fragte Skar leise.
Titch lachte bitter. »O ja. Du stehst einem Toten gegenüber, Satai. Einem Toten, der eine Armee von Toten befehligt. Und du mußt keine Angst vor mir haben. Ich hasse dich nicht, weil du Trash erschlagen hast. Du hast einen Toten getötet! Sollte ich dir das übel nehmen?«
Skar schwieg. Betroffen blickte er Titch an. In den Augen des Quorrl war ein Schmerz, den er nicht einmal in Ansätzen nachzuempfinden vermochte. Und auch Zorn. Aber keines von beiden galt ihm, oder den Satai dort draußen. Etwas ging in dem Quorrl vor, das ihn erschreckte.
»Das wußte ich nicht«, sagte er mitfühlend. »Ich -«
»Jetzt weißt du es«, unterbrach ihn Titch zornig. »Und nun kannst du dir einbilden, alles über uns zu wissen. Du kannst zu deinen Freunden gehen und damit prahlen.«
»Ich werde es für mich behalten, Titch«, versprach Skar, »wenn es ein Geheimnis deines Volkes ist.«
»Ein Geheimnis?« Titch lachte böse. »Wir haben keine Geheimnisse, Skar. Nicht vor euch. Es ist uns gleich, was ihr über uns wißt und was nicht. Es spielt keine Rolle. Und nun geh.« Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Du kannst in Ruhe schlafen, ohne Angst vor mir oder meinen Männern haben zu müssen.«
Skar rührte sich nicht von der Stelle. »Warum bist du so bitter?« fragte er.
»Bitter?« Titch legte in einer bedrückend menschlichen Bewegung den Kopf auf die Seite und sah ihn an. »Ich bin nicht bitter, Skar«, versicherte er. »Ich bin -« Er brach ab, trank wieder aus seinem Becher und schüttelte bestimmt den Kopf. »Du würdest es nie verstehen.«
»Es gibt doch ein Geheimnis«, vermutete Skar ins Blaue hinein. »Oder zumindest etwas, was ich nicht weiß.«
»Ja«, antwortete Titch. »Und du wirst es nie erfahren. Es ist etwas, das dich nichts angeht, Mensch. Wüßtest du es, müßte ich dich töten. Deshalb ist es besser, du hörst auf, Fragen zu stellen.« Skar sah ihn noch einen Moment lang sehr nachdenklich an. Aber dann wandte er sich endgültig um und ging.
12.
Del hörte schweigend zu, während Skar und der verwundete Wächter berichteten, und auch hinterher verging lange Zeit, bis er endlich auf Skars herausfordernden Blick reagierte. Aber er tat es auf andere Art, als Skar erwartet hatte.
»Das ist... eine schlimme Geschichte«, sagte er langsam. Er richtete sich ein wenig in dem klobigen Thronsessel auf, in dem er Platz genommen hatte, und sah den verletzten Satai an. »Konntest du die Männer erkennen, die dich und deine Kameraden niedergeschlagen haben?« fragte er.
Der Mann schüttelte so schnell den Kopf, daß auch dem Dümmsten klar werden mußte, daß er log. »Es ging alles viel zu schnell, Herr«, antwortete er mit einem raschen, fast ängstlichen Blick auf Skar. »Wir... versuchten sie auseinanderzutreiben, aber sie fielen fast sofort über uns her.«
»Aber du konntest wenigstens erkennen, ob es Satai oder Quorrl waren?« fragte Skar scharf.
Der Mann blickte unsicher zu Boden. »Nein«, erwiderte er. »Nicht... richtig.«
Skar streckte wütend den Arm aus, um ihn an der Schulter herumzureißen, aber dann erinnerte er sich im letzten Augenblick daran, daß der Mann verwundet war und Mühe hatte, auf dem durchbohrten Bein zu stehen. »Was soll das heißen, nicht richtig?« fauchte er. »Du willst mir erzählen, jemand hat deine drei Kameraden erschlagen und dich niedergestochen, und du weißt nicht einmal, ob es Quorrl oder Satai waren?«
»Laß ihn, Skar«, bat Del. Skar sah überrascht und verärgert zugleich auf und wollte auch ihn anfahren, aber Del hob noch einmal die Hand und winkte beruhigend ab. Laß uns nicht vor einem der Männer miteinander streiten, signalisierte sein Blick. Laut entschied er. »Wir werden ihn morgen befragen, wenn er zur Ruhe gekommen ist. Du siehst doch, daß der arme Kerl kaum mehr auf den Beinen stehen kann.«
Skar schluckte die scharfe Entgegnung hinunter, die ihm auf der Zunge lag, und nickte nur. Wortlos wartete er, bis Del den Wächter entlassen hatte und sie allein waren.
»Was soll das bedeuten, Del?« fragte er dann. »Wieso fällst du mir in den Rücken? Du weißt so gut wie ich, daß es Satai waren, die ihn und seine Kameraden niedergeschlagen haben. Unsere eigenen Leute!«
»Ich weiß gar nichts«, antwortete Del ruhig. »Der Mann ist verletzt und hat Fieber, das ist es, was ich weiß. Wir reden morgen mit ihm.« Der Ton, in dem er diese Worte aussprach, machte klar, daß er das Thema damit für erledigt erklärte. Skar nicht. »Dann nehme ich an, daß es dich auch nicht interessiert, was dort unten auf dem Hof passiert ist?« fragte er böse.
»Du täuschst dich, Skar«, antwortete Del, noch immer aufreizend ruhig. »Jemand hat versucht, dich umzubringen, und das interessiert mich sehr wohl. Konntest du erkennen, wer den Hund auf dich gehetzt hat?«