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»Nein«, antwortete Del. »Der Posten behauptet es jedenfalls, und ich glaube nicht, daß er lügt. Der Hund wurde sofort hierhergebracht und angekettet.«

»Warum?«

»Es ist so üblich, Herr«, antwortete einer der beiden Satai an Dels Stelle. »Die Hunde werden getötet, wenn sie einmal Menschenblut gekostet haben. Sie sind für den Kampf dann nicht mehr zu gebrauchen.«

»Aber als er hierherkam, fand er ihn so«, fügte Del hinzu. »Er behauptet, die Tür wäre die ganze Zeit über verschlossen gewesen. Und es gibt keinen zweiten Eingang. Nicht einmal ein Fenster.«

»Aber wie ist das möglich?« verwunderte Skar sich. »Wie ist es hier hereingekommen?«

Niemand antwortete. Skar bewegte sich vorsichtig ein Stück näher an den Hund heran und versuchte, mehr zu erkennen. Es war das Netz, das Ding, das Kiina den Wächter genannt hatte, und wie bei Bradburn war es hier und da in den Körper des Tieres eingedrungen. Eine dunkle Lache hatte sich unter dem After des Tieres gebildet, und hier und da glitzerte ein einzelner Blutstropfen in seinem Fell. Als Skar die Hand hob und vorsichtig nach dem Hund ausstreckte, begann er leise zu winseln. Der Ausdruck von Schmerz in seinen Augen vertiefte sich.

»Sei vorsichtig!« warnte Del erschrocken. »Rühr ihn nicht an.«

»Natürlich nicht«, gab Skar ungehalten zurück. Er führte die Hand über den Augen des Hundes hin und her. Der Blick der dunklen Tieraugen folgte seiner Bewegung, aber der Hund rührte sich nicht. Skar war fast sicher, daß er es nicht konnte.

»Wie lange seid ihr schon hier?« fragte er.

»Vielleicht eine Stunde.«

»Und es hat sich nicht verändert, seither?«

»Nein«, antwortete Del. »Worauf wartest du - daß es wächst?« Skar zuckte mit den Schultern, stand auf und löste eine der Fackeln aus ihrer Halterung. Sorgsam untersuchte er in ihrem flackernden Licht den steinernen Boden rings um den Hund. »Das haben wir auch schon getan«, erklärte Del. »Es ist nicht aus dem Boden gekrochen.«

Was ist das, in seiner Stimme? dachte Skar. Spott - oder Angst? »Aber irgendwoher muß es gekommen sein«, warf Kiina ein. Ja, dachte Skar. Und ich weiß sogar, woher. Aber er sagte es nicht laut. Die Vorstellung war so absurd, so bizarr und undenkbar, daß er sich den Atem sparte, sie auch nur auszusprechen. Er legte die Fackel aus der Hand und bückte sich wieder zu dem Hund hinab. Einen Moment lang schloß er die Augen und lauschte in sich hinein, hob dann den Kopf und sah sich um. Es war da. Die schwarzen Wände aus gebrochenem Fels atmeten es aus, es kroch aus dem Boden und der Decke, war schon in ihnen - dasselbe, finsterdräuende Gefühl, das er am Morgen in der ausgebrannten Kammer des Predigers gespürt hatte, den Pesthauch dieser Festung.

Er stand auf. »Tötet den Hund«, befahl er den Wächtern. »Nicht so schnell!« widersprach Del. »Wir -«

Skar ignorierte ihn. Unbeirrt fuhr er fort: »Sofort. Und dann verbrennt ihn!« Er sparte sich die Warnung, das Tier nicht anzufassen. Ein einziger Blick in die von Furcht verdunkelten Augen der beiden Satai überzeugte ihn davon, daß sie sich eher die Hände würden abhacken lassen, als dieses Tier zu berühren. »Und kein Wort von dem, was ihr hier gesehen habt - zu niemandem! Ist das klar? Ihr kommt zu mir, sobald ihr hier alles verbrannt habt!«

»Wie Ihr befehlt, Herr.«

Del wollte abermals protestieren, aber Skar ergriff ihn einfach beim Arm und zog ihn mit sich aus dem Raum. Erst als sie das Gebäude verlassen hatten und rasch nebeneinander über den Hof gingen, ließ er Del wieder los.

»Sind die Männer vertrauenswürdig?« fragte er.

»Wie alle hier - ja«, antwortete Del irritiert. »Warum?«

»Weil ich keine Panik will, im letzten Moment«, antwortete Skar. »Wir müssen hier raus, Del. Wir alle. Sofort!«

Del blieb stehen. Sie hatten den Hof halb überquert, befanden sich aber noch in Hörweite einiger Quorrl, und Del wußte so gut wie er, daß die meisten der Schuppenkrieger zumindest genug von ihrer Sprache verstanden, um den Sinn seiner Worte zu begreifen. Trotzdem schrie er fast: »Bist du verrückt geworden? Was soll das, Skar? Willst du -«

»Willst du«, unterbrach ihn Skar betont, »warten, bis du deinen eigenen Männern gegenüberstehst - SO?!« Er deutete wütend auf das Gebäude zurück, aus dem sie gekommen waren, und für einen Moment war Del wirklich erschüttert. Aber nicht lange.

»Unsinn«, wiegelte er ab. »Der Hund hat sich irgendwie ...« - er suchte nach Worten - »infiziert.«

»Wie Bradburn?«

»Bradburn hat sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben«, hielt Del ärgerlich dagegen. »Skar, ich bitte dich! Du erwartest von mir, daß ich die Burg evakuiere, nur wegen dieses Hundes?« Er schüttelte den Kopf, sah Skar plötzlich fast mißtrauisch an und wechselte die Tonlage. »Ihr wart unten bei den Felsen«, fuhr er fort. »Ihr habt etwas gefunden.«

Für einen ganz kurzen Moment war Skar fast versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber das hätte alles nur schlimmer gemacht. Er begriff sogar, daß Del nicht für sein Tun verantwortlich war. Es war diese Festung, die sein Denken vergiftete.

»Nein«, berichtete er. »Nur eine tote Frau. Sie hatte nichts bei sich, was von Wert gewesen wäre. Es war Zeitverschwendung. So wie dieses Gespräch«, fügte er hinzu. Dann drehte er sich abrupt um und ließ Del und Kiina einfach stehen.

18.

Kiina war ihm gefolgt, obwohl er so schnell gelaufen war, daß sie Mühe hatte, überhaupt mit ihm mitzuhalten. Er hatte Titch gesucht, ihn aber inmitten all der Quorrl auf dem Hof nicht gefunden, und war schließlich noch einmal in seine Kammer hoch unter der Spitze des Turmes hinaufgeeilt - diesmal aber wirklich nur, um seine persönlichen Dinge zu holen und - es war nicht viel - in einen kleinen Beutel zu verstauen. Er brauchte kaum zwei Minuten dazu, denn er hatte sich am Morgen nicht die Mühe gemacht, das wiederbeschaffte Diebesgut irgendwie zu sortieren, sondern alles nur aufs Bett geworfen. Als Kiina durch die offengebliebene Tür hereingestürmt kam, war er bereits fertig und auf dem Weg nach draußen, so daß er sie um ein Haar über den Haufen gerannt hätte. Sie benutzte die Gelegenheit, ihn am Arm festzuhalten.

»Du gehst?«

»Ich wollte schon gestern abend gehen«, antwortete Skar. »Daran hat sich nichts geändert.« Er wollte sich losreißen, aber das Mädchen hielt ihn mit einer Kraft fest, die ihn erstaunte. »Alles hat sich geändert, Skar!« stieß sie heftig hervor. »Du mußt Del zur Vernunft bringen, ich flehe dich an!«

»Zur Vernunft?« Skar lachte bitter und machte seinen Arm los, wenn auch sehr viel sanfter, als er es beim ersten Mal versucht hatte. »Das kann ich nicht, Kindchen«, mußte er zugeben. »Du warst doch dabei. Du hast den Hund gesehen.«

»Eben!« fuhr Kiina aufgebracht fort. »Ich begreife deinen Freund nicht! Ich habe ihm alles erzählt. Er hat die Skrot gesehen, und die Errish, die aus Elay kamen. Ich habe ihm erklärt, daß es dort genauso begonnen hat, aber er hört nicht auf mich.«

»So wenig wie auf mich«, sagte Skar. »Aber ich werde nachher noch einmal mit ihm reden, in aller Ruhe. Ich gehe erst morgen, bei Sonnenaufgang. Vielleicht braucht er einfach ein wenig Zeit, um alles zu verarbeiten.«

»Ich fürchte, die hat er nicht«, widersprach Kiina ernst. »Skar, der Wächter ist hier, ich spüre es. Er wird euch alle überwältigen, so, wie er die Errish und ganz Elay überwältigt hat! Du mußt Del zwingen, diese Burg zu verlasen, wenn es sein muß.«