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»Wo finde ich diesen Torian?« drängte Del, ohne die Antwort des Mannes auf Skars Frage abzuwarten.

Der Vede machte eine hilflose Handbewegung. »Er war unter den ersten, die den Durchbruch erzwangen, Herr«, meldete er. »Ich bin sicher, er sucht euch ebenfalls.«

Del ließ ihn los, sah sich wild um und stürmte mit weit ausgreifenden Schritten davon, wobei er unentwegt Torians Namen schrie. Kiina wollte ihm folgen, aber Skar hielt sie mit einer Handbewegung zurück und half dem Veden auf die Beine. »Es tut mir leid«, sagte er automatisch. »Del hat es nicht so gemeint. Er war erregt. Wir verstehen nicht, was passiert ist.« Der Vede atmete ein paarmal tief durch, ehe er antwortete. Skar sah erst jetzt, daß er verletzt war, und so in Schweiß gebadet, daß sein Mantel an seinem Rücken klebte. Sein Atem ging schnell und unregelmäßig.

»Niemand versteht es, Herr«, antwortete er. »Sie haben uns angegriffen, in der Dämmerung.«

»Die Quorrl?« wollte sich Kiina zweifelnd vergewissern. Der Vede nickte und rang abermals nach Atem. »Völlig ohne Warnung. Wir hatten begonnen, das Lager aufzuschlagen, um in der Morgendämmerung weiterzureiten. Sie ... tauchten wie aus dem Nichts auf.«

»Wie viele waren es?« fragte Skar.

»Vier-, vielleicht fünfhundert«, schätzte der Vede nach kurzem Überlegen. »Aber sie hatten Drachen bei sich, und... und sie kämpften wie die Berserker. Mehr als tausend von uns sind gefallen, ehe es uns überhaupt gelang, einen Widerstand zu organisieren.«

»Drachen?« Skar schrie fast.

»Ich habe niemals einen Drachen gesehen, Herr«, fuhr der Vede fort. »Aber es müssen welche gewesen sein. Sie waren gigantisch, zehnmal so groß wie ein Pferd und fast unverwundbar. Sie haben unsere Leute einfach niedergetrampelt, wie Korn. Es waren riesige Bestien -«

»- mit Stacheln und winzigen Augen?« fiel ihm Kiina ins Wort. »Und langen Schwänzen, die sie wie Peitschen führten?« Der Vede starrte sie an. Angst flammte in seinen Augen auf. »Ja. Du kennst diese Ungeheuer?«

»Skrot«, bemerkte Kiina leise und zu Skar gewandt. Ihr Gesicht verlor alle Farbe. »Großer Gott, Skar, weißt du, was das bedeutet?«

Eine einzelne, endlose Sekunde lang starrte Skar Kiina wortlos an, und er spürte selbst, wie auch aus seinem Gesicht alles Blut wich und er erbleichte.

Dann fuhr er auf der Stelle herum und rannte los. »Ich muß Del finden!« schrie er.

20.

Torian war ein schlanker, hochgewachsener Mann von erstaunlich jugendlichem Aussehen, der aber trotz allem schon den smaragd-roten Mantel eines Hethmanns der Veden trug. Skar fand ihn zusammen mit Del im Treppenvorraum des Turms, und obwohl es in ihm brodelte, sagte er erst einmal gar nichts, sondern erwiderte Dels Blick nur mit einem Nicken und hörte zu, was der Vede berichtete. Seine Geschichte deckte sich mit der des Reiters draußen auf dem Hof, aber er hatte sich ein wenig besser in der Gewalt und wählte seine Worte ruhiger und mit mehr Bedacht.

»Es war die einzige Chance, die wir hatten«, begründete er seine Entscheidung. Er sprach nicht im Ton einer Verteidigung, sondern brachte nur Fakten vor. »Draußen auf der Ebene hätten sie uns einfach niedergerannt.«

»Wer?« fragte Skar.

Torian blickte auf, runzelte die Stirn und sah Del fragend an. »Erzähl es noch einmal«, bat Del. »Das ist Skar. Er ist mein Freund. Und ein Hoher Satai wie ich.«

»Die Drachen«, antwortete Torian. »Es waren riesige Tiere, Skar. Groß wie ein Wal, aber zehnmal so wild. Wir haben mehr als tausend Mann verloren, ehe wir sie überwältigen konnten. Und es war nur ein Dutzend dieser Ungeheuer.«

»Und deshalb hast du befohlen, die Quorrl anzugreifen?« fragte Skar scharf.

Erstaunen glomm in Torians Augen auf, dann, nach weniger als einer Sekunde, fast so etwas wie Mitleid. »Nein«, stellte er richtig. »Nicht deshalb. Auch um euch zu retten. Und uns, natürlich.«

Skar wollte auffahren, aber Del machte eine rasche, beruhigende Geste, und er schwieg. Del hatte ausnahmsweise einmal recht - sie hatten nichts so wenig wie Zeit, aber im Moment bestand kein Grund, den Veden nicht wenigstens in Ruhe ausreden zu lassen. Durch die Tür drang noch immer das Lärmen der hereindrängenden Reiter, aber es würde noch Stunden dauern, bis der letzte Mann die Burg erreicht hatte und sie anfangen mußten, sich Sorgen über die Quorrl zu machen. Das Heer war zu groß, als daß Titchs Krieger es einfach niederrennen konnten. »Berichte«, bat Del. »Von Anfang an.«

Torian nickte, warf Del aber einen raschen, feindseligen Blick zu, ehe er begann: »Wir schlugen das Lager auf, unten in der Ebene, jenseits des Flusses. Die Männer waren müde - wir waren zwei Wochen unterwegs, und die letzten Tage waren hart. Das Tauwetter hat den Boden aufgeweicht, und wir haben viele Tiere und einen Teil unserer Ausrüstung verloren. Auch ein paar Männer, aber nicht sehr viele«, fügte er hinzu.

»Und?« fragte Skar, als er nicht sofort weitersprach.

»Sie kamen mit Einbruch der Dämmerung«, fuhr Torian fort. »Wir hatten Wachen aufgestellt, und die Ebene war weithin gut einzusehen, aber irgendwie haben sie es geschafft, uns zu überraschen. Ich weiß nicht, wie. Ich war in Garth' Zelt, als ich die ersten Schreie hörte. Und dann erblickte ich sie.«

»Die Quorrl?«

»Zuerst die Drachen«, antwortete Torian. Seine Augen wurden dunkel vor Furcht, als er sich an die schrecklichen Szenen erinnerte, die er gesehen haben mußte. In seinem Gesicht arbeitete es. »Sie sind einfach ins Lager gestürmt, wie... wie lebende Kampfmaschinen. Es war ungefähr ein Dutzend. Ich habe Tiere wie sie nie zuvor zu Gesicht bekommen, aber ich habe Drachen erlebt, und nicht einmal sie haben so wild gekämpft wie diese Bestien.«

»Aber ihr habt sie besiegt«, sagte Skar.

Torian nickte. »Ja. Aber frage mich jetzt nicht, wie. Ich weiß es nicht. Ich habe selbst gesehen, wie sich zwanzig meiner besten Männer gleichzeitig auf eines dieser Ungeheuer warfen. Keiner von ihnen hat überlebt. Aber irgendwie haben wir es geschafft, ja. Aber das war erst der Anfang.«

»Die Quorrl?« vermutete Del.

Torian schüttelte abgehackt den Kopf. »Sie kamen zusammen mit den Drachen«, antwortete er. »Und wir haben sie zusammen mit ihnen besiegt. Aber wir machten Gefangene. Nicht viele, aber zwei oder drei Fischgesichter fielen uns lebend in die Hände. Garth war tot, so daß ich das Kommando übernehmen mußte. Ich ließ die Quorrl verhören.«

»Verhören?« Skar gab sich keine Mühe, den Unglauben zu unterdrücken, mit dem ihn diese Behauptung erfüllte. »Einen Quorrl?«

»Ja, einen Quorrl!« antwortete Torian feindselig. »Ich habe von dir gehört, Skar. Du bist der beste Satai, aber du denkst wie alle anderen. Ihr habt die Allwissenheit nicht gepachtet, Satai.« Del hob rasch die Hand, als Skar auffahren wollte. »Bitte«, mahnte er beschwörend. »Wir haben wirklich andere Sorgen, als uns zu streiten. Du hast die Quorrl also verhört.«

Die Frage galt Torian, der sie mit einem Nicken beantwortete. »Nicht ich«, verbesserte er. »Jamaß, unser Ältester. Er ist ein großer Zauberer, Del. Es war schwer, aber schließlich gelang es ihm, die Zunge eines dieser Fischgesichter zu lockern.« Er machte eine Handbewegung, welche die gesamte Festung einschloß und zugleich müde wie auch zornig wirkte. »Diese ganze Burg hier ist eine Falle«, behauptete er. »Eine Falle für euch und uns. Und wir sind blind in sie hineingetappt.« Plötzlich wurde er zornig. »Verdammt, ich war von Anfang an dagegen, diesen Echsenköpfen zu trauen! Sie hassen uns mit jeder Faser ihrer Seele! Sie haben die ganze Zeit über nur darauf gewartet, uns endlich alle zusammen zu erwischen!«

Del tauschte einen bezeichnenden Blick mit Skar, sagte aber nichts, sondern bedeutete Torian mit einem Nicken weiterzureden.