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Stanach sah seinem Meister zu, als hätte er ihn noch nie dabei beobachtet. Daran werde ich mich immer erinnern, dachte er. Das Feuer der Esse ließ ihn in Schweiß ausbrechen. Mit dem Handrücken wischte er sich über das Gesicht, wobei sein Blick nicht von Isarn wich. Immer werde ich mich daran erinnern.

Und immer würde er sich an den Ausdruck in Isarns Augen erinnern, dachte er, als das Eisen aus der Esse kam. Es war der Ausdruck eines Liebenden, der nur noch das Objekt seiner Liebe wahrnimmt.

Während das Eisen abkühlte, schwiegen sie. Es gab nichts zu sagen. Stanach hatte keine Fragen. Isarn fühlte nichts als das Band zwischen seiner Seele und den Elementen. Als das Eisen schließlich hart und kalt war, ein rauher, schwarzer Klumpen, legte Isarn es in einen Tonbehälter, der selbst der Erde entstammte und sich noch an den Kuß der Flammen erinnerte.

Stanach hob das schwere Gefäß hoch, in dem Eisen und Holzkohlenstaub ruhten, und stellte es genau an den Platz im Schmelzofen, den sein Meister ihm zeigte. Jetzt lief ihm der Schweiß übers Gesicht und durchnäßte seinen dichten, schwarzen Bart. Das Haar klebte ihm am Hals. Längst hatte er sein lockeres Schmiedehemd gegen eine Lederschürze eingetauscht. Die muskelbepackten Arme glänzten im goldenen Widerschein der Flammen.

Die Hitze des Schmelzofens glich der Hitze jener Feuer, die angeblich unablässig im Herzen von Krynn loderten. In dieser furchtbaren Hitze verband sich der Holzkohlenstaub mit der Oberfläche des Eisens zu einem harten, glänzenden Manteclass="underline" Stahl.

Stanach schleppte aus der hintersten Ecke der Schmiede einen Wassereimer heran. Vor Stunden war das Wasser kühl gewesen, doch jetzt war es so warm, als hätte es in der Sonne gestanden. Er schöpfte eine Kelle für Isarn und dann eine für sich. Durch ihre ausgedörrten Kehlen lief es wie Wein.

Stanach schöpfte eine weitere Kelle aus dem Eimer und goß sie sich über den Kopf. Es lief ihm heiß über Hals und Rücken, und plötzlich wurde er traurig. Zum ersten Mal, seit sie in die Schmiede gekommen waren, wurde sich Stanach dessen bewußt, daß die Erschaffung von Sturmklinge zugleich bedeutete, daß er und Isarn nicht länger Seite an Seite arbeiten würden.

Isarn, sein Meister und Verwandter, war auch sein Freund. Ein Gefühl von Einsamkeit berührte Stanachs Herz wie eine Wolke, die vor die Monde treibt. Er stellte den leeren Eimer vor die Schmiede, damit der Schmiedejunge ihn wieder füllen konnte, und kehrte dann zum Feuer und zu den tanzenden Schatten zurück. Dort sah er zu, wie der alte Zwerg geduldig darauf wartete, daß das Eisen zu Stahl wurde, wie er vertrauensvoll auf das Wunder wartete, das Reorx für seine Kinder vollbrachte, seit der erste Zwergenschmied eine Schmiede gebaut hatte.

Es ist ein Wunder, dachte Stanach. Ein Bund und ein Binden. Ein Bund mit den Göttern und ein Binden der Elemente. Das war das erste, was Isarn ihn gelehrt hatte. Vertrau den Göttern; versteh die Elemente; vertrau deiner Kunst. Auch das Schmieden der einfachsten Klinge ist eine Andacht. Diese Andacht hatte Isarn sein Leben lang gehalten.

Zähflüssig kam der Stahl aus dem Feuer, karmesinrot wie der rote Mond, blendend hell wie die Sonne. Stanach kniff gegen die unbändige Hitze die Augen zusammen und brachte den Klumpen zum Amboß. Mit sanften Händen hob Isarn dort den Hammer. Er war bereit, Sturmklinge Form zu verleihen.

Stahl wird nicht wie Holz gesägt, sondern auseinandergetrieben, indem man ihn auf dem Amboß so lange mit dem Hammer bearbeitet, bis er die richtige Länge und Gestalt erreicht hat. Obwohl er schon zahllose Schwerter geschmiedet hatte, obwohl Hammer und Hand eins waren, kam jeder Schlag von Isarn mit Bedacht. Jedes Heben und Senken des Hammers war überlegt. Doch die Entscheidungen fielen rasch, denn sie beruhten auf Erfahrung und Instinkt. Der Stahl durfte nicht erst bis zu dem Punkt abkühlen, wo er nicht mehr formbar war.

Der Gesang des Hammers schallte durch Isarns Schmiede, ein fröhlicher Lärm, der Stanachs Herz bluten ließ. Es war das Lied des Meisterstücks, das er hörte, und er wußte, daß Isarns Hammer und Amboß noch nie so gesungen hatten. Nie wieder würden sie so erklingen, bis Stanach sein eigenes Meisterschwert schmieden würde.

Das Lied hatte keine Worte außer denen, die Meister und Lehrling in ihrem Inneren hörten. Es pries ein langes, schlankes Schwert, und Stanach wußte schon vom Anblick der Waffe, daß sie perfekt in Isarns Hand liegen würde. Der Meister bearbeitete sie mit Raspel und Feile, und die Späne rieselten wie Silberstaub auf den Boden seiner Schmiede.

Stanach erschien die Klinge inzwischen wie ein Strahl aus silbernem Sternenlicht.

Nachdem die Klinge geformt war, mußte sie jetzt zum Schärfen ins Feuer zurück. »Das«, sagte Isarn Hammerfels zu seinem Lehrling, »ist die letzte Feuertaufe der Klinge, ihr letzter Tanz in den Flammen.«

Stanach hatte diese Worte früher schon gehört – so viele Male! Jetzt, wo er sah, wie Isarn die Klinge in das schärfende Feuer schob, kam es ihm wie das erste Mal vor.

Isarn vollzog die Schritte dieses letzten Erhitzens und letzten Löschens so behutsam wie alle vorherigen Arbeitsgänge. Stanach hatte das Feuer genau auf die richtige Temperatur angefacht und prüfte jetzt, ob das Öl kalt genug war. Zufrieden sah er zu seinem Meister und zu dem Schwert hinüber.

Bei diesem letzten Erhitzen war die Klinge kein Strahl aus Sternenlicht, sondern ein rotglühender Sonnenstrahl, ein blutroter Arm aus Feuer.

Als Isarn die Klinge schließlich in das Öl tauchte, sah Stanach zu, wie der Sonnenglanz abkühlte und verschwand. Rotes Eisen wurde zu silbernem Stahl, rein wie Schnee, stark wie der Berg selbst. Isarns Lungen waren mit bitterem Dampf gefüllt. Schweiß glitzerte auf seinem Gesicht, und kräftige Schmiedearme zogen Sturmklinge behutsam aus dem Trog.

Mit einem weichen Tuch wischte er das schimmernde Öl von der Klinge. Seine Bewegungen waren eine einzige Liebkosung. Dann legte er das Schwert auf seinen Amboß, wie man ein neugeborenes Kind an die Brust der Mutter legt.

Stanach sah, wie sich der Tanz des Feuers in dem reinen Stahl widerspiegelte. Er betrachtete das orangefarbene Licht, das sich in der scharfen Schneide der Klinge spiegelte. Sein Herz pochte wild, als er fasziniert zwischen Feuer und Amboß trat.

Sein Schatten ließ das Licht auf dem Stahl nicht verlöschen.

Sturmklinge war in jeder Hinsicht vollkommen. Und es hatte ein Herz aus Feuer. Dieses Herz lag in einem dünnen Streifen aus karmesinrotem Licht im erkalteten Stahl selbst, und kein Schatten konnte es verdunkeln.

Mit großen Augen und wie gelähmt griff Isarn mit zitternder Hand nach dem Schwert, um die Hand dann zurückzuziehen, als könnte oder wollte er den Stahl nicht berühren.

»Siehst du das?« flüsterte er. »Oh, mein Junge, siehst du das?«

Stanach hatte keine Worte. Er nickte wie betäubt und trat einen halben Schritt zurück. In diesem Augenblick, als seine Augen von der Schönheit des noch grifflosen Schwerts erfüllt waren, wisperten in seinem Herzen die Worte eines uralten Verses, der so oft zitiert wurde und an den man so wenig glaubte, daß die Kinder ihn auf der Straße sangen.

Bergzwerge wissen es. Der Hochkönig braucht dreierlei: Das Königsschwert, von Reorx, dem Vater, berührt. Die Seele, im Tiegel der Zwietracht zu Weisheit gereift. Den Hammer, den Ritter Kharas im Nebel verbarg.

Ein Königsschwert, das für den König gemacht war, das während seiner gesamten Regentschaft von ihm getragen wurde und schließlich mit ihm ins Grab ging. Eine Seele, die im Feuer der Zwietracht weise geworden war: in den Flammen des Kampfes, o ja, und der Erfahrung, den gefällten Urteilen, den verwirklichten Entscheidungen. Der vor langer Zeit versteckte Streithammer von Kharas, an dessen Existenz von Generation zu Generation immer weniger Zwerge glaubten.