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Doch, ob Mythos oder Wahrheit, seit dem Verschwinden des Streithammers von Kharas war es keinem Bergzwerg mehr gelungen, Hochkönig zu werden.

Stanach erschauerte plötzlich vor Kälte, obwohl ihm der Schweiß an beiden Seiten des Gesichts herunterlief. Er schloß die Augen, atmete tief durch, um das Zittern zu bekämpfen, und betrachtete wieder das Schwert.

Der karmesinrote Streifen im Stahl pulsierte leicht, als wäre er wirklich ein Herz, das Reorx’ Hand berührt und zum Leben erweckt hatte. Stanachs eigenes Herz übernahm allmählich diesen eben geborenen, rhythmischen Schlag.

Den Legenden zufolge pulsierte nur ein Königsschwert so.

Dreihundert Jahre lang war kein Königsschwert mehr in Thorbardin geschmiedet worden. Und doch war jetzt…

Stanach schüttelte den Kopf.

Er kannte die Legenden. Welcher Zwerg tat das nicht? Einst hatte es eine Linie von Hochkönigen gegeben. Der letzte, Dunkan, hatte vor dreihundert Jahren während der Zwergentorkriege geherrscht. Er hatte einen Helden zum Freund, den ›großen Kharas‹. Es hieß, daß Kharas, dessen Name in solamnischer Sprache ›Ritter‹ bedeutete, an Reorx’ Esse einen Streithammer geschmiedet hatte. Weiter hieß es, daß in der bitteren, blutigen Zeit nach der Umwälzung keiner besser kämpfte als Kharas. Damals hatten die einfallenden Armeen der Menschen und Hügelzwerge unter Führung des geheimnisumwitterten Magiers Fistandantilus Einlaß in das Gebirgskönigreich und Zugang zu den Reichtümern verlangt, die sie in Pax Tarkas und Thorbardin vermuteten.

Thorbardin war erfolgreich gegen die Angreifer verteidigt worden, aber sie hatten mehr verloren als Pax Tarkas. Zwerg hatte gegen Zwerg gekämpft. Diese größte aller Sünden hatte Reorx erzürnt. In seiner Wut hatte der Gott mit demselben Hammer zugeschlagen, mit dem er einst die Welt geschmiedet hatte, dem Hammer, mit dem Kharas’ Streithammer geformt worden war. Es reichte ihm nicht, einfach nur die Welt zu verwüsten, die seinen Zorn erregt hatte. Er wühlte sie um.

Bei diesem Wühlen veränderte sich das von der Umwälzung zerrissene Gesicht der Welt erneut. Die Ebene von Dergod wurde zu sumpfigem, gespenstischem Moorland und war jetzt als Ebene der Toten bekannt. Als der Hammer des Gottes auf das einst so große, stolze Zaman niedersauste, fiel die Festung der Zauberer in sich zusammen, wobei ein gewaltiger Wirbelsturm entstand, der Sand und Steine hochriß.

Es hieß, daß die Ruinen dieses Ortes das Aussehen eines riesigen, grinsenden Schädels hatten, als Kharas sie zum ersten Mal sah. Heute hieß die Stätte Schädeldach und war ein passender Grabstein für die Tausende, die dort im Kampf gegen ihre Brüder umgekommen waren.

Doch das Gesicht der Welt war nicht das einzige, was sich veränderte. Bald nach dem Krieg starb Dunkan. Noch ehe er beigesetzt war, kämpften seine Söhne gierig um den Thron des Hochkönigs. Kharas, der um seinen Freund und König trauerte, sah diesen zynischen Machtkampf und beschloß, daß keiner von ihnen herrschen sollte.

Er bestattete Dunkan in dem prachtvollen Begräbnisturm, der als Dunkans Grab bekannt war. Als Symbol der Trauer wurde er durch Zauberkraft über den alten Zwergenfriedhof, das Tal der Lehnsherren, gehängt.

Dann versteckte er mit Magie und der Hilfe von Reorx seinen Streithammer und verfügte, daß kein Zwerg ohne ihn als Hochkönig über Thorbardin herrschen sollte.

Ob Legende oder Wahrheit: Seitdem war kein Zwerg mehr zum Hochkönig gekrönt worden. Keiner konnte ohne den Streithammer regieren, und keiner konnte ohne Königsschwert regieren. Über die Jahre hatten viele versucht, ein solches Schwert zu schmieden. Manche hatten geglaubt, daß es reichen würde, um Thorbardin als Prinzregent zu regieren, andere hatten gehofft, es würde den Weg zum Streithammer von Kharas weisen. Obwohl diese Schwerter wunderschöne Kunstwerke waren, war keines davon ein Königsschwert gewesen. Nie hatte Reorx die Klinge berührt, nie hatte er ihnen das karmesinrote Herz des glühenden Stahls geschenkt…

Bis jetzt.

Bei den Schmieden hieß es, daß die Stimme jedes Zwergenhammers, der auf einen Amboß schlägt, für immer im Amboßecho widerhallt, der riesigen, von Zwergen erbauten Höhle, die Nordtor mit der Stadt Thorbardin verbindet. Wenn die Legenden der Wahrheit entsprachen, überlegte Stanach, dann würde der Klang von Isarns Hammer den Ton angeben und die Echos jahrhundertelanger Arbeit zu einem ewigen Lied im Amboßecho verbinden.

Wieder fröstelte ihn. Als er seinen Blick von dem Stahl losriß, den der Gott berührt hatte, sah er, daß Isarn weinte. Er hatte ein Königsschwert für seinen Lehnsherrn geschmiedet. Für Hornfell von den Hylaren.

1

In alter Zeit, in den Jahren vor der Umwälzung, war es eine von vielen Zwergenstädten gewesen. Jetzt war Thorbardin, das letzte der einst bedeutenden Zwergenreiche, jedoch einzigartig auf Krynn. Die Stadt war im Inneren des Berges erbaut, in einer Höhle, die sich von Nord nach Süd über zweiundzwanzig Meilen erstreckte, von Ost nach West über vierzehn. Thorbardin war dabei nicht nur eine große Stadt, sondern auch eine praktisch uneinnehmbare Festung. Südtor mit seinen Befestigungsanlagen und mehreren dahinterliegenden Verteidigungsanlagen bewehrte die Stadt an der einen Seite. Die Ruinen von Nordtor, die während der Umwälzung zerstört worden waren und jetzt nur noch aus einem schmalen, anderthalb Meter breiten Sims neben einem dreihundert Meter tiefen Abgrund bestanden, sicherte den Weg nach Thorbardin von der Ebene der Toten her.

Die Bergzwerge lebten schon jahrhundertelang inmitten ihrer Schmieden und Tavernen, Tempel, Geschäfte und Häuser, und sogar Parks und Gärten fanden sich. Was sie zum Leben brauchten, stammte von den Ackerhöhlen tief unter der Stadt, denn die Felder vor Südtor hatten sie vor langer Zeit – nach den Zwergentorkriegen – aufgegeben. Das Licht stammte aus Kristallschächten, die tief in die Höhlen und Decken der Höhle getrieben waren. Sie lenkten Tageslicht in die Stadt und auf die Felder.

Obwohl Thorbardin insgesamt als Stadt bezeichnet wurde, bestand es strenggenommen aus sechs kleineren Städten, und jede hatte seinen eigenen Lehnsherrn und sein eigenes Volk. Bis auf eine grenzten alle an die Ufer des von Zwergen geschaffenen Urkansees.

Die sechste und schönste Stadt war der Lebensbaum der Hylaren. Wie ein Stalaktit ragte er mit achtundzwanzig Ebenen direkt aus dem See. In dieser Stadt in der Mitte, die nur mit dem Boot zu erreichen war, wurden die Regierungsgeschäfte geführt. Hier tagte der Rat der Lehnsherren unter der vorläufigen Führung von Hornfell. Das war die einzige Regierung, die Thorbardin seit dreihundert Jahren besaß.

Politik und Handel zwischen den sechs Zwergenreichen wurden hier erstritten und entschieden und manchmal mit dem ganzen Nachdruck eines streitbaren, unabhängigen Volkes durchgefochten. Die Zwerge wachten argwöhnisch über ihre Rechte und ihre Freiheiten und ließen nicht zu, das ihnen diese beschnitten wurden. Thorbardin war die angestammte Heimat der Bergzwerge.

Alles andere, sogar ihr eigenes Land außerhalb des Berges, war Außenwelt.

Unter der großen Stadt Thorbardin gab es Orte, wohin nur die Derro-Zauberer der Theiwaren gingen. Das waren die Tiefen Höhlen, und sie lagen noch weit unter den Kerkern und den Ackerhöhlen, unter der geräumigen, schalenförmigen Höhle, die diese Stadt im Herzen des Berges wiegte.

An diesen Orten wurde Magie gewirkt, und diese Magie war immer schwarz.

Tief in den geheimnisvollen Reichen der Theiwaren lag die Kammer des Schwarzen Mondes. Fackellicht besprenkelte wie durchsichtiges Blut die Wände der hohen Höhle und verlor sich auf dem Weg zur Decke. Auf den ersten Blick erschien der Ort wie eine völlig natürliche und unberührte Höhle, doch in Wahrheit war die Kammer das Ergebnis jahrelanger, kunstvoller Arbeit.