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Wie blutige Schatten, dachte Stanach.

Gebannt vom hellen Glanz des Königsschwerts, bei dessen Fertigung er geholfen hatte, erinnerte er sich plötzlich an das Glück, das er dabei empfunden hatte, das Versprechen seines glühenden Herzens und die Hoffnung, für die es stand. Da dachte Stanach weiter.

Überhaupt keine blutigen Schatten, obwohl Reorx weiß, daß genug Blut für Sturmklinge vergossen wurde. Blutige Schatten wären kalt wie der Tod. Das Licht des Königsschwerts strahlte hell in der Finsternis dieser Ruhestätte.

Wie eine Laterne in der Hand eines tapferen Mannes. Genau so.

Hornfell erhob Sturmklinge, und nicht einmal der Schatten von Dunkans Grab konnte sein Licht verdunkeln.

Der Wind kam zum Schweigen. Diejenigen, die bei Tyorls Grab standen, hoben ihre Köpfe ein wenig, als ob sie alle gleichzeitig etwas in der Stille wahrnahmen.

Stanach hörte Lavim vor überraschtem Entzücken nach Luft schnappen.

Hornfell berührte mit der leuchtenden Klinge im Soldatengruß den größten Stein des Hügels. Als die Spitze am Stein lag, schien sie aufzuleuchten und die Dunkelheit zu durchdringen. Genau da brach Lavim in freudiges Jauchzen aus. »Natürlich! Natürlich!« schrie der Kender. Kelida blieb der Mund offen stehen. Stanach drehte sich abrupt um, um den Kender zu ergreifen und zum Schweigen zu bringen. Lavim duckte sich rasch und geschickt weg und sprang um Tyorls Grabmal zu Hornfell.

»Ich weiß, wo er ist! Ich weiß, wo er ist! Pfeifer hat es mir verraten! Er hat es schon die ganze Zeit geahnt, seit Ihr Euer Schwert zurück habt. Ich wollte ihn ja gleich holen, aber er hat gesagt, nein, er wäre noch nicht sicher. Es hat ihn irgendwie gejuckt, sagt er. Aber er mußte warten. Erst als er hier war, wußte er es. Er sagt, er war schon einige Male in diesem Tal, aber da hat er noch gelebt und konnte die Dinge nicht so klar sehen wie jetzt, wo er tot ist. Ihr werdet es niemals glauben! Hornfell – Sir! Ich weiß, wo er ist!«

Finn erwischte den alten Kender an den Schultern und hob ihn einfach in die Luft. »Verdammter Kender! Was soll das? Kannst du uns nicht einmal jetzt einen Augenblick Frieden gönnen?«

Hornfells Augen lagen immer noch auf dem Königsschwert, dessen Licht zusehends verblaßte; er wies den Anführer der Waldläufer an, Lavim loszulassen. »Was, Lavim? Du weißt, wo was ist?«

Lavim entschlüpfte Finn. Er sah Hornfell an, wobei sein Grinsen fast sein Gesicht entzweiriß. »Pfeifer hat es mir gesagt. Ich weiß, wo er ist. Ich hätte es Euch schon früher erzählt, aber ich wußte nicht so recht, wovon er redete. Er sagte, daß diese ganze Sache mit der Regentschaft nichts für Euch wäre. Ich sagte, daß ich davon nichts wüßte, aber daß Ihr wirklich nicht wie einer ausseht, der auf die Theke aufpaßt, während der Wirt zum Essen geht. Er hat gesagt, ich sollte Euch raten, Sturmklinge heute abend mitzubringen, und dann würde er ihn mir zeigen, weil das Königsschwert wissen würde, wo er ist. Und ich habe gesagt, klar, mach ich – «

Wie Spinnenbeine krabbelte die Vorahnung Stanachs Rückgrat hoch. Isarns letzte Worte stiegen in seiner Erinnerung auf. »Lavim!« schimpfte er. »Raus damit!«

Erschrocken sprang Lavim hoch und drehte sich zu Stanach um. »Ich versuche gerade, Hornfell etwas wirklich Wichtiges zu erzählen, alter Junge. Ich möchte wenigstens einmal ausreden können, ohne daß man mich unterbricht. Also«, er redete wieder mit Hornfell, »wo war ich? Ach ja. Ich weiß, wo der Streithammer von Kharas ist.«

Hornfell, dessen Hand immer noch an Sturmklinges Griff lag, starrte den Kender mit einer schmerzhaften Mischung aus Unglaube und Hoffnung an. »Wo?« flüsterte er.

»Oh, gar nicht weit von hier.« Lavim lachte. »Überhaupt nicht weit. Ihr müßt natürlich jemanden hinschicken, um ihn zu holen. Ein paar Leute wahrscheinlich, denn Ihr wißt ja, daß Kharas ihn wirklich gut versteckt hat. Er hat ihn unsichtbar gemacht und mit allen möglichen Fallen und Zaubern beschützt, weil er nicht wollte, daß ihn irgendjemand einfach so findet. Er wollte, daß ihn nur ein richtiger Hochkönig finden kann. Jemand wie Dunkan, wißt Ihr. Jemand wie Ihr.«

»Wo?« flüsterte Hornfell wieder. Lavim lächelte und zeigte senkrecht nach oben. Hornfell sah zum Himmel hoch. Stanach folgte Hornfells Blick und starrte die ersten Sterne an, besonders den roten Stern, den die Zwerge den Funken von der Esse nannten.

Nein, dachte er, ach Lavim, was hast du denn jetzt wieder im Sinn?

Kelida folgte Lavims Richtung genauer, hielt den Atem an und berührte Stanach am Arm. Hauk nickte grinsend.

»Nicht am Himmel, Stanach«, sagte Kelida, während ihre Stimme bebte. »Im Grab.«

Lavim nickte. »Genau. Dunkans Grab. Wo sollte er sonst sein?«

Stanach blickte zu Hornfell, der den Kopf über das rotleuchtende Königsschwert in seiner Hand gesenkt hatte. Er sah den Hochkönig der Zwerge.

»König Hornfell«, flüsterte er.

Hornfell hob die Hand, und Stanach fiel auf die Knie, weil ihm plötzlich nach dieser seltenen Ehrbezeugung zumute war. Er redete, bevor er nachdachte, aber seine Worte kamen dennoch aus tiefstem Herzen.

»König Hornfell, der Streithammer wird Euch gehören. Ich finde ihn. Ich werde ihn zurückbringen.«

»Au ja!« kreischte Lavim, der schnell an Stanachs Seite sprang. »Das wird ganz einfach. Nur ein paar kleine Fallen, ein bißchen Magie und so was. Pfeifer weiß genau Bescheid, und wir können rein und wieder raus, bevor es überhaupt jemand merkt.«

Stanach drehte sich um. »Wir?«

»Du und ich und Pfeifer und…« Lavim sah die Waldläufer und Kelida an. »Und wer sonst noch mit will. Ich schätze, das wollen alle, weil – was sollen sie denn sonst so ganz alleine in Thorbardin anfangen, wenn du und ich und Pfeifer den Streithammer suchen? Du weißt ja, wie so was ist, Stanach. Es kann ein, zwei Tage dauern.«Die Nacht brach endgültig über das Tal der Lehnsherren herein. Aus Schatten wurde Finsternis. Stanach, der neben Tyorls Steingrab auf dem Boden saß, schaute Kelida an.

»›Ein, zwei Tage‹, sagte er.« Er setzte ein schiefes Lächeln auf. »Beziehungsweise sagt das angeblich Pfeifer.«

»Stanach, glaubst du daran?«

Der Zwerg zuckte mit den Schultern. »Wir können nicht bestreiten, daß Finn seine Geschichte, wie Pfeifer sie durch den Hohlweg geführt hat, bestätigt. Lavim sagt, daß Pfeifer Tyorls Armbrust gelenkt hat, als er den Drachen getötet hat.« Stanach schwieg einen langen Augenblick. »Er war ein guter Schütze, unser Tyorl. Aber…«

Kelida nickte. »Es war dunkel. Keiner konnte so gut sehen, daß er so genau auf den einzigen verwundbaren Punkt des Drachen hätte zielen können. Es wäre ein schöner Gedanke…«

Stanach seufzte. Es wäre ein schöner Gedanke, daß Pfeifer irgendwie immer noch bei ihm war. Es wäre ein schöner Gedanke… Stanach fuhr grollend zurück. »Soll ich etwa auf das Wort eines spukbesessenen Kenders hin nach dem Streithammer von Kharas suchen?«

»Wir suchen nach dem Streithammer.«

»Wir – ach?«

Kelida setzte sich neben ihn, ohne seine Frage zu beantworten. Mit einem Finger fuhr sie leicht an einem Grabstein entlang. Nach kurzer Zeit sagte sie: »Ich werde ihn vermissen.«

»Doch, das werde ich auch.«

Kelida drehte sich plötzlich um, wobei ihr die Farbe in die Wangen stieg. »Stanach, ich habe es schon in den Tiefen Höhlen gesagt, und ich sage es jetzt wieder: Ich gehe dahin, wo Hauk hingeht. Ich gehe dahin, wo ihr hingeht. Ich werde euch helfen, den Streithammer von Kharas zu finden.«

Stanach sah zu dem Grab über dem See auf. Eine leichte Brise kräuselte das ruhige, eisige Wasser. Sternenlicht verwandelte die schwarze Wasseroberfläche in mattes Grau, dort, wo sie leise gegen das Ufer schwappte.

Kelida legte sanft ihre Hand auf seine verstümmelte Rechte.

Der Zwerg stand auf und zog sie hoch. »Wir gehen lieber wieder zurück. Ich kann mich nicht erinnern, daß Lavim Hornfell die Flöte wiedergegeben hat. Ich habe genug davon gehört, was er mit ihr angestellt hat, und ich werde kein Auge zutun, bis sie sicher in Hornfells Händen liegt.«