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Der Talbewohner schüttelte langsam den Kopf; er konnte nicht glauben, daß das, was er hörte, die Wahrheit war. Man hatte ihm erzählt, der Mensch sei seit den Großen Kriegen verfolgt gewesen, im Kampf um seine Würde und Ehre, um das kleine Land, das ihm gehörte. Er habe sich immer vor der reinen Wildheit der anderen Rassen schützen müssen. Der Mensch sei bei diesen Kämpfen nie der Unterdrücker gewesen, stets der Unterdrückte. Allanon lächelte grimmig, als er die Wirkung seiner Worte sah. Er fuhr fort:

»Du hast nicht geahnt, daß es so steht, wie ich sehe. Gleichgültig — das ist noch die kleinste Überraschung, die ich dir zu bereiten habe. Die Menschen sind nie das großartige Volk gewesen, für das sie sich gehalten haben. Damals kämpften die Menschen genau wie die anderen, wenngleich ich zugeben will, daß sie vielleicht ein höheres Ehrgefühl und ein deutlicheres Bestreben zum Wiederaufbau hatten als andere, und daß sie ein wenig zivilisierter waren.« Allanon sprach die letzten Worte mit betontem Sarkasmus aus. »Aber alle diese Dinge haben wenig mit dem Hauptthema unseres Gesprächs zu tun, das ich dir in Kürze klarzumachen hoffe. Es war ungefähr zur gleichen Zeit, als die Rassen einander entdeckt hatten und um die Oberherrschaft kämpften. Damals öffnete der Druiden-Rat die Hallen von Paranor im unteren Nordland. Die Geschichte drückt sich sehr verschwommen aus, was die Ursprünge und Absichten der Druiden angeht, wenn man auch glaubt, daß sie eine Gruppe hochintelligenter Männer aus allen Rassen waren, erfahren in vielen der verlorenen Künste der alten Welt. Sie waren Philosophen und Visionäre, befaßt mit dem Studium der Künste und Wissenschaften, alles zugleich, aber mehr noch, sie waren die Lehrer und die Verleiher der Macht — der Macht neuen Wissens über die Wege des Lebens. Sie wurden geführt von einem Mann namens Galaphile, einem Historiker und Philosophen wie ich, der die größten Männer des Landes zusammenrief, um einen Rat zu bilden und Frieden und Ordnung zu schaffen. Er stützte sich auf ihr Wissen, um das Szepter über die Rassen zu führen, auf ihre Fähigkeit, Wissen zu vermitteln, um das Vertrauen der Leute zu gewinnen.

Die Druiden waren in diesen Jahren eine sehr mächtige Kraft, und die Pläne Galaphiles schienen aufzugehen. Aber als die Zeit verging, zeigte sich, daß manche Mitglieder des Rates Kräfte besaßen, die weit über jene der anderen hinausgingen, Kräfte, die in einigen wenigen phänomenalen, genialen Gehirnen geschlummert hatten und stärker geworden waren. Es würde schwerfallen, dir diese Kräfte zu beschreiben, ohne sehr viel Zeit in Anspruch zu nehmen — mehr Zeit, als wir zur Verfügung haben. Was für unsere Zwecke Wichtigkeit hat, ist, zu begreifen, daß manche im Rat, welche die genialsten Gehirne besaßen, zur Überzeugung gelangten, sie seien ausersehen, die Zukunft der Rassen zu gestalten. Zuletzt lösten sie sich vom Rat, um eine eigene Gruppe zu bilden, verschwanden für einige Zeit und wurden vergessen.

Etwa hundertfünfzig Jahre später fand innerhalb der menschlichen Rasse ein schrecklicher Bürgerkrieg statt, der sich schließlich zum Ersten Krieg der Rassen, wie die Historiker ihn nannten, ausweitete. Seine Ursache war selbst damals schon unklar und ist inzwischen beinahe vergessen. Einfach ausgedrückt, lehnte sich ein kleiner Teil der menschlichen Rasse gegen die Lehren des Rates auf und bildete eine mächtige und gut ausgebildete Armee. Der vorgebliche Zweck der Erhebung war die Unterwerfung des Rests der Menschheit unter eine zentrale Herrschaft zur Verbesserung der Rasse und der Förderung ihres Stolzes als Volk.

Mit der Zeit schlössen sich fast alle Teile der Rasse der neuen Sache an, und man führte Krieg gegen die anderen Rassen, angeblich, um das neue Ziel zu erreichen. Die Hauptfigur war ein Mann namens Brona — ein archaischer Gnomen-Ausdruck für >Meister<. Man behauptete, er sei der Führer jener Druiden im ersten Rat gewesen, die sich abgespalten hatten und im Nordland verschwunden waren. Keine verläßliche Quelle hat je gemeldet, ihn gesehen oder mit ihm gesprochen zu haben, und am Ende kam man zu dem Schluß, Brona sei nur ein leerer Name, eine fiktive Gestalt. Die Revolte, wenn du sie so nennen willst, wurde schließlich von der vereinigten Macht der Druiden und der anderen alliierten Rassen unterdrückt.

Hast du davon gewußt, Shea?«

»Ich habe vom Druiden-Rat, seinen Absichten und Leistungen gehört — alles uralte Geschichte, weil der Rat vor langer Zeit ausgestorben ist. Ich habe vom Ersten Krieg der Rassen gehört, allerdings nicht so, wie Ihr ihn schildert. Der Krieg war für die Menschen eine bittere Lehre.«

Allanon wartete geduldig, während Shea hinzusetzte:

»Ich weiß, daß die Überlebenden unserer Rasse nach dem Ende des Krieges in den Süden geflohen und seitdem dort geblieben sind. Man baute die Heimstätten und verlorenen Städte wieder auf und versuchte Leben zu schaffen, statt es zu zerstören. Ihr scheint das als Isolierung aus Angst zu betrachten.

Ich glaube aber, daß es die beste Art zu leben gewesen und geblieben ist. Zentralregierungen sind stets die größte Gefahr für die Menschheit gewesen. Jetzt gibt es keine mehr — kleine Gemeinschaften sind die Regel des Lebens. Es gibt Dinge, von denen sich am besten alle fernhalten.«

Der hochgewachsene Mann lachte tonlos.

»Du weißt so wenig, auch wenn zutrifft, was du sagst.

Binsenweisheiten sind die nutzlosen Kinder von Einsichten, die zu spät dran sind, junger Freund. Nun, ich will mit dir nicht über Einzelheiten gesellschaftlicher Reform streiten, geschweige denn über politisches Aktivwerden. Das müssen wir auf ein andermal verschieben. Sag mir, was du von dem Wesen namens Brona weißt. Vielleicht... nein, warte einen Augenblick. Da kommt jemand...«

Die stämmige Gestalt Flicks tauchte auf. Der junge Mann blieb stehen, als er Allanon sah, und zögerte, bis Shea ihm winkte. Er kam langsam heran, den Blick auf das dunkle Gesicht gerichtet, als der große Mann ihn anlächelte.

»Ich wollte nicht stören...«, begann Flick.

»Du Storst nicht«, sagte Shea sofort, aber Allanon schien anderer Meinung zu sein.

»Das Gespräch war für deine Ohren allein bestimmt«, sagte er zu Shea. »Wenn dein Bruder bleiben will, wird er über sein eigenes Schicksal in den kommenden Tagen entschieden haben. Ich möchte eindringlich vorschlagen, daß er sich den Rest unseres Gesprächs nicht anhört, ja sogar vergißt, daß wir beide miteinander gesprochen haben. Aber die Wahl liegt bei ihm.«

Die Brüder sahen einander verwirrt an, doch das grimmige Gesicht Allanons verriet, daß er keine Späße machte.

»Ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet«, sagte Flick schließlich, »aber Shea und ich sind Brüder, und was dem einen zustößt, muß auch dem anderen geschehen. Wenn er Kummer hat, muß ich diesen mit ihm teilen — das ist meine eigene freie Entscheidung.«

Shea blickte ihn erfreut an. Er war stolz auf seinen Bruder und lächelte. Flick zwinkerte ihm zu und setzte sich. Der schwarze Wanderer strich sich den Bart, lächelte ganz unerwartet auch und sagte:

»Die Entscheidung ist wahrlich deine eigene, und du hast dich durch deine Worte als Bruder erwiesen. Aber es kommt auf Taten an. Du magst die Entscheidung in den kommenden Tagen bedauern...« Er verstummte und sah auf Flicks gesenkten Kopf hinunter, bevor er sich wieder Shea zuwandte.

»Nun, ich kann meine Ausführungen nicht noch einmal von vorn beginnen. Dein Bruder Flick wird versuchen müssen, uns zu folgen, so gut er kann. Nun sag mir, was du von Brona weißt, Shea.«

Shea dachte einige Zeit nach und zuckte dann die Achseln.

»Eigentlich nicht viel. Er ist eine Legende, wie Ihr sagt, der angebliche Führer der Erhebung im Ersten Krieg der Rassen.

Er soll ein Druide gewesen sein, der den Rat verließ und seine böse Macht dazu gebrauchte, die Gehirne seiner Anhänger zu beherrschen. Historisch ist er nie gesehen, nie gefangengenommen, in der letzten Schlacht nicht getötet worden. Es hat ihn also nie gegeben.«

»Historisch zutreffend, gewiß«, murmelte Allanon. »Was weißt du von ihm im Zusammenhang mit dem Zweiten Krieg der Rassen?«