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Die fünf Uniformierten stürmten in die Kajüte.

Als Driscoll die Tür wieder schließen wollte, ließ einer von Palmers Leuten die Muskete fallen und zog einen Revolver, der an seinem Rücken im weißen Koppel gesteckt hatte. Er richtete den Lauf auf den Captain.

Piet Hansen erkannte das breite Gesicht des angeblichen Marine-Infanteristen, das von einem großen Schnurrbart mit nach oben gezwirbelten Enden beherrscht wurde. Er wollte einen Warnruf ausstoßen, aber der Mann mit dem Revolver war zu schnell.

Hemmungslos jagte der Schnurrbärtige eine Kugel in Driscolls Brust.

Auf die kurze Entfernung war die Wucht des Geschosses erheblich. Der Captain wurde durch den ganzen Raum geschleudert und krachte mit dem Rücken gegen die Anrichte, auf der die Wasserkaraffe stand. Sie kippte um, fiel herunter und zersprang auf dem hölzernen Boden in tausend Stücke.

Driscoll rutschte an der Anrichte herunter und fiel in die von Scherben durchsetzte Wasserpfütze.

»Dreckiger Mörder!« kreischte Lieutenant Palmer und wollte sich auf den Schützen werfen.

Es war offensichtlich, daß Palmers Revolver nicht geladen war. Er versuchte, ihn als Schlagwaffe einzusetzen.

Aber der Uniformierte hinter dem Lieutenant hielt einen Revolver in der Linken, den er bisher in Palmers Rücken gepreßt hatte. Jetzt drückte der Mann ebenso hemmungslos ab wie zuvor der Schnurrbärtige.

Zwei Kugeln fuhren in Palmers geraden Rücken und ließen den jungen Offizier zu Boden gehen, ehe er den Mann mit dem riesigen Schnurrbart erreichte.

Hansen spürte einen rasenden Schmerz, der von seiner rechten Hand aus durch seinen ganzen Arm jagte. Einer der Unformierten hatte den Kolben seiner Muskete auf die Hand des Kapitäns krachen lassen. Der Kerr-Revolver polterte auf den Boden.

»So sieht man sich wieder, Käpten«, sagte der Mann mit dem Schnurrbart und grinste breit. »Hätte nicht gedacht, daß ich mal in die Uniform dieser verdammten Blaubäuche schlüpfen würde. Aber was tut man nicht alles fürs Vaterland!«

Abel McCord, Captain der Konföderierten Staaten von Amerika, riß das blaue Käppi mit dem goldglänzenden Signum der US-Marines von seinem Kopf und schleuderte es in einer befreienden Bewegung weit von sich fort.

»McCord!«

Hansen sagte es voller Grimm. Er bereute, nach der nächtlichen Flucht der Gefangenen von Bord der ALBANY nicht nach ihnen gesucht zu haben.

»Don Emiliano und Mrs. Marquand sind auch an Bord, nicht wahr?«

Der Südstaatler nickte.

»Yeah. Und auch Ihr Freund Schelp.«

»Aber wie.«

»Wie wir das geschafft haben? Mit dem Glück, das auf der Seite der Gerechten ist. Wir wollten zur kalifornischen Küste rudern, wurden unterwegs aber vom Postdampfer aufgesammelt.«

»Etwa von der PACIFIC PRINCESS?«

»Ganz recht«, grinste McCord selbstgefällig. »Von dem Schiff, das fast zeitgleich mit Ihrer ALBANY in Frisco einlief. Wir standen an der Reling und sahen zu Ihnen herüber. Lustig, nicht?«

»Ich lache später«, murrte Hansen. »Hat der Kapitän der PACIFIC PRINCESS Sie nicht den Behörden übergeben?«

»Oh, das hätte er sicher getan. Schließlich mußten wir ihm als Erklärung für unsere Bootspartie die rührselige Geschichte von einem gesunkenen Schiff erzählen, dessen einzige Überlebende wir angeblich waren. Deshalb haben wir uns von Bord der PACIFIC PRINCESS gestohlen, sobald der Dampfer am Kai lag. Der Rest war überraschend einfach. Wir trommelten eine Truppe von Männern zusammen, die für Geld zu allem bereit ist. Mit ihnen wollten wir die ALBANY übernehmen, solange die Kanonen noch an Bord waren. Da kam es uns überaus gelegen, daß Sie so eilig nach neuen Männern für Ihre Mannschaft suchten. Und daß die Yankees die ALBANY zum Transport der konfiszierten Geschütze benutzten, kam uns nicht minder gelegen.«

»Verstehe«, stieß Hansen einen tiefen Seufzer aus. »Aber wie sind Sie, Don Emiliano, Mrs. Marquand und Schelp an Bord gekommen?«

»Als Konservenfrüchte«, lautete die verblüffende Antwort.

Hansen bedachte den Südstaatler mit einem verwirrt fragenden Blick.

»Wir haben uns in Kisten versteckt, die als Konservenfrüchte deklariert waren«, erläuterte der Südstaatler in seinem breiten Texas-Akzent. »Jed Cooper hat dafür gesorgt, daß wir uns befreien konnten.«

»Dieser dreckige Lump!«

»Aber, Mr. Hansen, so sollten Sie nicht vom neuen Kapitän der ALBANY sprechen. Ganz recht, Cooper wird das Schiff für uns zur Küste von Sonora bringen.«

Betreten blickte Hansen zu Boden, und sein Blick fiel auf Lieutenant Palmer. Der Blick des jungen Offiziers war genauso gebrochen wie der von Grosser.

»Was haben Sie mit den Soldaten gemacht, deren Uniformen Sie und Ihre Männer tragen, McCord?«

»Wir haben sie getötet. Sie wollten sich einfach nicht ergeben. Ein paar von unseren Männern sind auch dabei draufgegangen. Aber wir hatten das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Die Hälfte der Marines hatten wir zusammengeschossen, bevor sie wußten, wie ihnen geschah. Das Milchgesicht hier« - der Südstaatler schaute auf Palmers Leiche - »konnten wir nur überwältigen, weil sich ein Mann von hinten an ihn heranschlich und ihm einen Karabinerkolben über den Schädel zog.«

Ein leises Stöhnen kam von der Stelle, wo Captain Driscoll lag.

Überrascht blickten Hansen und McCord zu ihm. Beide hatten den Mann mit der blutigen Brustwunde für tot gehalten.

»Ein zäher Bursche«, meinte McCord und richtete seinen Revolver auf den Verwundeten. »Schade, daß er den falschen Uniformrock trägt.«

»Nein!« rief Hansen, als McCords Daumen den Hahn des Revolvers spannte.

Der Kapitän der ALBANY stellte sich schützend vor Driscoll.

In McCords Augen flackerte es auf.

»Wollen Sie zusammen mit dem Yankee zur Hölle fahren, Käpten?«

»Wenn es sein muß!«

Der Südstaatler grinste, dann entspannte sein Daumen den Hahn wieder.

»Sie haben recht, man soll nicht zu blutrünstig sein«, nickte McCord. »Vielleicht brauchen wir Sie und den Yankee noch. Verbinden Sie ihn!«

Hansen hatte sich gerade erst neben Driscoll auf den feuchten, vor lauter kleinen Scherben knirschenden Boden gekniet, als ein Mann im teuren, wenn auch zerknitterten Dreiteiler in der Kajüte erschien. Er trug sogar weiße Handschuhe. Zur gesellschaftlich vorschriftsmäßigen Kleidung fehlte nur die Kopfbedeckung. So sah man das feuerrote Haar über dem derben, gar nicht zu der feinen Kleidung passenden Gesicht. In der Hand hielt er den unvermeidlichen Gehstock mit dem schweren Silberknauf, den er als gefährliche Waffe einzusetzen pflegte. McCords Leute machten dem Mann respektvoll Platz.

»Ah, Kapitän Hansen«, lächelte Arnold Schelp falsch und verschlagen. »Es freut mich sehr, daß wir unsere Reise nun doch gemeinsam fortsetzen. Nur schade für Sie, daß Sie sich auf die falsche Seite gestellt haben. Nun gehen Sie leer aus bei diesem Geschäft. Mehr noch, Sie haben Ihr Schiff verloren. Verrat zahlt sich eben nicht aus.«

»Trotzdem bereue ich nicht, was ich getan habe«, erwiderte Hansen kalt.

Schelp tippte mit der Stockspitze gegen Hansens Brust und sagte überzeugt: »Dazu, mein Lieber, werden Sie noch reichlich Gelegenheit haben!«

*

An Bord der LUCIFER

»Das stählerne Monster!« Die ums Achterdeck des Walfängers versammelte Mannschaft griff die Worte von Kapitän John Raven auf. Erst nur als ängstliches Flüstern.

Aber bald wurden laute Rufe daraus. Und beileibe nicht die meisten dieser Rufe klangen begeistert.

Jacob, der vor der Kiste mit der aufgeschlagenen Musterrolle und damit ganz dicht bei Raven stand, fragte unwillkürlich: »Sprechen Sie von dem Seeungeheuer, Käpten?«

»In der Tat«, nickte Raven. »Wir alle haben wohl schon davon gehört.«

Jacob hatte vorgestern in San Francisco erfahren, daß ein unheimliches Seeungeheuer den Pazifik unsicher machte. Es griff Handelsschiffe an und versenkte sie. Vor zwei Wochen erst hatte es einen Postdampfer erwischt. Dieser wettfreudige Journalist, der sich Mark Twain nannte, hatte Jacob davon erzählt.