Выбрать главу

Der Wächter las es, und es fielen ihm fast die Augen heraus. »Ist das Ihr Ernst, Colonel?«

»Sieht es vielleicht nicht danach aus?« fuhr ihn Eddie mit seiner besten Colonel-Stimme an. »Oder wagen Sie etwa meine Befehle zu kritisieren?«

»Nein, selbstverständlich nicht. Wann befehlen Sie die Entlassung der Leute?«

»Sofort natürlich, jetzt gleich. Und Sie kümmern sich darum, daß sie alle nach Hause gebracht werden.«

»Jawohl.«

Eddie drehte sich um und wandte sich an die Gefangenen in den Zellen. »Ihnen allen«, sagte er, »ist schreckliches Unrecht widerfahren. Ich werde versuchen, dafür zu sorgen, daß sich dies niemals mehr wiederholt. Sie sind alle frei und können heimkehren.«

Die Gefangenen trauten ihren Augen und Ohren nicht. Dann begannen sie zu jubeln und zu weinen.

Eddie stand da und sah zu, wie die Wachen die Zellen aufschlossen und die Männer freiließen. Ich bin sicher, dachte er, Colonel Bolivar wird sehr zufrieden darüber sein.

Im Krankenhaus war inzwischen Capitan Torres beim Colonel und erkundigte sich: »Wann soll die Operation nun stattfinden?«

»In ein paar Stunden«, sagte Colonel Bolivar. »Erzählen Sie, was sich im Palast so tut. Was macht der närrische Schauspieler so?«

»Ach«, sagte Capitan Torres, »alles geht bestens.« Er würde sich schön hüten, dachte er, dem Colonel zu erzählen, was sich wirklich getan hatte. Er hatte inzwischen auch erfahren, was Eddie mit den Kindern und mit den Bauern gemacht hatte, und war deshalb ziemlich wütend auf ihn. Aber er konnte ja nichts dagegen unternehmen, solange der Colonel noch in der Klinik war und nicht wieder zurück im Palast. Also sagte er ihm nichts von alledem. »Er spielt seine Rolle sehr gut. Alle glauben, daß er Sie ist.«

»Gut«, sagte Colonel Bolivar. »Sagen Sie ihm, er soll so weitermachen.«

Der Arzt kam herein. »Wir bereiten Sie jetzt für die Operation vor, Colonel.«

»Ich bin bereit.« Der Colonel wandte sich noch einmal an Capitan Torres. »Machen Sie sich keine Sorgen, es wird alles gutgehen, und wenn ich wieder herauskomme, ist alles wie immer.«

Capitan Torres sah ihn nachdenklich an und dachte: Wenn das mal stimmt.

Als Eddie von den Kerkerzellen unten zurückkam, wartete »seine« Frau schon auf ihn. Sie umarmte ihn und sagte: »Schatz, ich habe eben gehört, was du für diese Gefangenen getan hast! Du bist so wundervoll! Großartig ist das! Du wirst von Minute zu Minute ein größerer Mann! Es tut mir leid, daß ich dich so falsch beurteilt habe.«

»Es war nicht der Rede wert«, sagte Eddie.

»Nicht der Rede wert? Da solltest du mal hören, wie die Leute jetzt über dich reden! Du bist mit einemmal ihr großer Held!« Sie schmiegte sich noch etwas näher an ihn. »Und meiner auch.«

»Danke sehr«, sagte Eddie verlegen und gab ihr die Hand. »Gute Nacht.«

Capitan Torres war in großen Schwierigkeiten. Es war seine Idee gewesen, diesen Schauspieler anzuheuern und ihn Colonel Bolivars Rolle spielen zu lassen. Aber dies begann sich in eine Katastrophe zu verwandeln. Der verdammte Schauspieler benahm sich und handelte, als sei er tatsächlich der Diktator selbst. Und er, Torres, konnte nichts dagegen unternehmen, ohne daß er andere Leute mit in das Geheimnis einweihte. Er hatte keine andere Wahl, als ihn gewähren zu lassen und selbst mitzumachen, bis Colonel Bolivar wieder aus dem Krankenhaus zurückkam. Aber dann, dachte er grimmig, erwürge ich ihn mit meinen bloßen Händen, den verdammten kleinen Idioten. Bis dahin aber muß ich mir unbedingt etwas ausdenken, wie ich ihn von weiteren katastrophalen Eigenmächtigkeiten abhalte.

Und er hatte auch schon eine Idee. Er suchte Eddie.

»Wir werden heute abend ein Bankett zu Ihren Ehren veranstalten«, sagte er zu ihm, als er ihn gefunden hatte. »Wir engagieren Unterhaltungskünstler und Tanzmädchen und sonst noch ein paar Sachen zu Ihrem Vergnügen.«

»Klingt prima«, sagte Eddie.

Das Bankett war sehr schön. Das Essen war hervorragend, und wie Capitan Torres versprochen hatte, gab es Tanzmädchen und verschiedene Unterhaltungsnummern, Jongleure und Feuerschlucker und sogar ein paar Tierdressuren. Es war fast wie eine richtige Zirkusvorstellung.

Eddie amüsierte sich prächtig und Capitan Torres ebenso, weil ihm wenigstens hier und jetzt dieser Schauspieler keinen Kummer machen konnte.

Schließlich war es zu Ende. Es war schon spät geworden und Zeit, den Schauspieler zu Bett zu bringen, wo er ebenfalls nichts anstellen konnte. Alle Künstler und Artisten waren schon fort.

Capitan Torres erhob sich. »Zeit zum Schlafengehen«, sagte er zu Eddie.

»Ja, richtig«, sagte Eddie. »Gute Nacht denn auch.«

»Gute Nacht.«

Capitan Torres sah auf die Uhr. Die Operation sollte inzwischen vorüber sein, dachte er. Alles hing davon ab, daß sie erfolgreich verlaufen war. Sollte Colonel Bolivar auf dem Operationstisch sterben, wäre alles ruiniert. Es gab dann keine Diktatur mehr, und das Volk würde sich gegen sie erheben und sie alle umbringen. Capitan Torres ging in sein Zimmer und rief im Krankenhaus an. Er verlangte den Arzt, der die Operation ausgeführt hatte.

»Ist es schon vorbei?«

»Ja, Capitan.«

Capitan Torres holte tief Luft, ehe er die entscheidende Frage stellte. »Und, ist sie erfolgreich verlaufen?«

»Das wissen wir noch nicht.« »Was soll das heißen?«

»Der Colonel hat die Operation zwar überlebt, aber er hat mittendrin zu atmen aufgehört und liegt seitdem im Koma. Es ist noch zu früh, um zu wissen, ob das Gehirn geschädigt wurde.«

Capitan Torres merkte, wie ihm plötzlich der Schweiß aus allen Poren brach. »Und wann wissen Sie das?«

»Er liegt jetzt auf der Intensivstation. Es kann noch zwei Tage dauern, bis wir die Situation beurteilen können.«

»Aha, verstehe. Halten Sie mich auf dem laufenden.«

»Gewiß, Capitan.«

Zwei Tage lang. Achtundvierzig Stunden, dachte Capitan Torres. Eine halbe Ewigkeit. Und sein Leben hing davon ab, was mit Colonel Bolivar geschah.

Eddie war am nächsten Tag auf dem Weg zu seinem Zimmer, als eine schöne Frau in einem prächtigen Modellkleid auf ihn zukam. Sie sah sich um, ob auch niemand in der Nähe war, und sagte dann: »Weißt du, welcher Tag heute ist?«

Eddie dachte einen Moment lang nach. »Gewiß. Samstag.«

Ihr Ausdruck veränderte sich abrupt. »Laß doch die dummen Scherze.«

»Welche Scherze? Über was?«

Sie beugte sich nahe zu ihm. »Heute ist bekanntlich der Tag, an dem du deine Frau umbringst, damit wir heiraten können.«

5. Kapitel

Heute ist bekanntlich der Tag, an dem du deine Frau umbringst, damit wir heiraten können. Eddie starrte die Frau verständnislos an und glaubte, nicht recht gehört zu haben. »Was werden wir?« stammelte er schließlich.

»Es ist alles schon arrangiert. Um zwei Uhr nachmittags ist sie immer im Musikzimmer und spielt Klavier. Da ist sie allein. Eine der Palastwachen schleicht sich hinein und erwürgt sie.«

»Er-würgt sie?«

»Ja!« Sie sah ihn verwirrt an. »Du hast es dir doch nicht etwa anders überlegt, oder, Schatz?«

»Nein«, sagte Eddie hastig. »Natürlich nicht.«

»Na, siehst du.« Sie küßte ihn schnell auf die Wange und verschwand.

Eddie stand da und starrte ihr nach, als sie die Tür hinter sich zumachte. Er sah auf die Uhr. Zwölf.

In zwei Stunden also sollte die Frau von Colonel Bolivar ermordet werden. Er mußte etwas unternehmen, um das zu verhindern. Aber was? Er hatte ja nicht einmal die leiseste Ahnung, wer diese Fremde Frau war. Doch offensichtlich hatte Colonel Bolivar ihr tatsächlich versprochen, sie zu heiraten. Mein Gott, dachte er, ist der Mann beschäftigt! Ich bin doch nur ein einfacher Schauspieler, kein Mensch kann von mir verlangen, daß ich pausenlos Menschenleben rette. Ich habe immer nur in Stücken gespielt, die andere Leute geschrieben haben. Ich wollte, ich hätte jetzt einen guten Stückeschreiber hier. Der könnte mir wenigstens sagen, wie ich aus dieser Situation herauskomme.