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Als Bolivar von seiner Arztvisite zurückkam, unterrichtete er Capitan Torres von allem. Sie saßen in einem abgeschlossenen Raum beieinander.

»Was sagte der Doktor genau?« fragte Torres.

»Er sagte, wenn ich diese Herzoperation nicht machen lasse, sterbe ich.«

»Dann müssen Sie sie natürlich machen lassen.«

Colonel Bolivar aber schüttelte den Kopf. »Sie wissen doch genau, was passieren wird, wenn ich wochenlang nicht im Palast bin. Die Leute werden mißtrauisch, finden heraus, was los ist, und machen einen Aufstand. Sie stürmen den Palast und bringen mich um.«

Juan Torres wußte sehr gut, daß das stimmte. Er wußte auch, wie sehr das Volk seinen Diktator haßte.

»Wir müssen uns etwas überlegen«, sagte Colonel Bolivar. »Vielleicht gibt mir Gott eine Antwort ein.«

In eben diesem selben Augenblick saß die Antwort auf Colonel Bolivars Probleme noch im Flugzeug, das soeben auf dem Flughafen von Amador landete. Der Theatermanager hatte einen Bus geschickt, um die Schauspieler der Truppe von My Fair Lady abzuholen.

»Willkommen in unserem großen Land!« sagte er zur Begrüßung. »Das Volk von Amador ist glücklich, Sie hier zu haben, um von Ihnen erfreut zu werden.«

Auf der Fahrt zum Hotel bemerkte Eddie Davis, daß es hier einen Boulevard Bolivar gab und eine Bolivar-Schule und ein Bolivar-Bürogebäude, und daß den ganzen Weg entlang Bilder des Diktators am Straßenrand hingen.

Komisch, dachte Eddie Davis, der sieht aus wie ich.

Im Hotel Bolivar wurden den Schauspielern ihre Zimmer zugeteilt. Das erste, was Eddie Davis tat, war, daß er seine Frau anrief.

Sie antwortete schon beim ersten Klingeln. »Eddie? Hallo, Schatz! Seid ihr gut angekommen?«

»Ja.«

»Wie war der Flug?«

»Sehr schön. Ich habe auch schon alle Kollegen kennengelernt.«

»Sicher haben sie sich gefreut, daß du dabei bist.«

»Ja, sicher«, sagte Eddie.

»Hast du eigentlich eine große Rolle in dem Stück?«

Er wollte ihr nicht sagen, daß er tatsächlich nur ein paar Zeilen Text hatte. »Es ist eine sehr wichtige Rolle«, log er deshalb.

»Ich bin so stolz auf dich. Wie geht eure Tournee weiter?«

»Nun, wir spielen hier eine Woche lang, dann reisen wir weiter nach Chile und dann nach Kolumbien und Ecuador. Ich schicke dir noch den ganzen Reiseplan.«

Was Eddie zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht wissen konnte, war, daß er nie an allen diesen anderen Orten ankommen sollte.

Die My Fair Lady-Truppe versammelte sich am nächsten Morgen zur ersten Probe im Bolivar-Theater. Außer Eddie Davis hatten sie alle schon zuvor das Stück gespielt, so daß es keine Probleme bei der Probe gab. Die erste Vorstellung sollte am Abend sein.

Colonel Bolivar ging niemals ins Theater. Dafür versäumte Capitan Torres keine einzige Premiere. Er suchte sich dabei immer gerne die hübschen Mädchen aus dem Chor oder der Statisterie aus, die er dann in eine Hotel-Suite einlud, die stets für ihn bereitstand. Es gab keine, die es gewagt hätte, eine solche Einladung auszuschlagen.

Nun hatte er zwar seiner Frau versprochen, sie zur Premiere von My Fair Lady mitzunehmen, ging dann aber doch mit einer seiner Geliebten hin.

Er saß im Publikum und sah der Vorstellung zu, war jedoch innerlich ruhelos und nervös. Er mußte über das Problem des Diktators Colonel Bolivar nachdenken. Wurde Bolivar gestürzt, dann war es auch mit ihm vorbei. Und er hatte keinen Zweifel daran, daß bei einem Umsturz nicht nur zuerst Bolivar umgebracht würde, sondern gleich danach auch er. Es war eine böse Situation. Deshalb interessierte ihn auch, was gerade auf der Bühne vorging, nicht so übermäßig.

Er flüsterte seiner Geliebten zu: »Gehen wir!« »Aber es ist doch erst der erste Akt«, protestierte die Dame. »Warum bleiben wir denn nicht ...?«

»Halt den Mund und komm«, sagte Capitan Torres.

Er stand auf und begann in Richtung Mittelgang zu gehen. Dabei wandte er sich noch einmal einen Moment der Bühne zu - und erstarrte.

Was er da sah, war ganz unmöglich. Da war soeben Colonel Ramon Bolivar auf die Bühne gekommen! Er trug allerdings einen Schnurrbart.

Juan Torres stand da wie angewurzelt.

Großer Gott, dachte er, das ist ein Schauspieler. Aber er sieht genauso aus wie Colonel Bolivar!

In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander.

»Fahr du nach Hause«, befahl er seiner Geliebten. »Ich muß noch hinter die Bühne.«

Denn er hatte einen Einfall, der so gewagt war, daß ihm fast die Luft wegblieb vor Aufregung.

Der Mann dort auf der Bühne, der heruntergerissen wie der Diktator aussah, war ein Schauspieler, nicht wahr? Einmal angenommen - nur angenommen! -, er konnte Colonel Bolivar imitieren, während dieser zu seiner Herzoperation im Krankenhaus war .? Das würde doch alle Probleme lösen!

Capitan Torres überlegte fieberhaft.

Als Eddie Davis in seine Garderobe zurückkam, wartete dort Capitan Torres auf ihn.

Capitan Torres saß da, starrte ihn an und staunte. Aus der Nähe war die Ähnlichkeit noch verblüffender. Er hätte geradezu schwören können, seinen geliebten Diktator vor sich zu sehen.

»Hallo«, sagte Eddie Davis.

Capitan Torres stand auf und streckte ihm die Hand hin. »Mr. Davis, ich bin ein Bewunderer von Ihnen.«

»So?« sagte Eddie und strahlte.

»Ja. Ich habe Sie heute abend auf der Bühne gesehen. Sie waren ganz großartig.«

»Oh, vielen Dank!« sagte Eddie.

»Tatsächlich bin ich sogar so beeindruckt, daß ich Sie unserem großen Führer Colonel Ramon Bolivar vorstellen möchte. Ich habe bereits mit ihm über Sie gesprochen, und er bat mich, Sie zu ihm in den Palast zu bringen.«

Eddie konnte sein großes Glück gar nicht recht fassen. Man begann also tatsächlich, sein Talent zur Kenntnis zu nehmen!

»Das ist toll!« sagte er. »Kommt das ganze Ensemble mit?«

»Nein«, antwortete Capitan Torres, »nur Sie.«

»Das ist ja wunderbar!«

Fünf Minuten darauf waren sie schon auf dem Weg zum Bolivar-Palast.

Juan Torres hatte den Diktator bereits vom Theater aus angerufen. »Sie werden es nicht glauben«, sagte er ihm aufgeregt, »aber er sieht heruntergerissen aus wie Sie.«

»Niemand sieht mir gleich«, bellte Colonel Bolivar. »Das lasse ich nicht zu.«

Aber Capitan Torres sagte rasch: »Selbstverständlich sieht er nicht so gut aus wie Sie, das ist klar, oder so vornehm. Aber es ist doch eine sehr große Ähnlichkeit. Ich bin überzeugt, das klappt.«

»Na gut«, sagte Colonel Bolivar, »dann sehe ich mir Ihren Schauspieler halt einmal an.«

Eddie saß in der großen schwarzen Limousine auf dem Rücksitz neben Capitan Torres. Vorne saß der Chauffeur und neben ihm ein Leibwächter mit einer Maschinenpistole.

Das verwunderte ihn denn doch.

»Wieso«, fragte er, »hat der Mann eine Maschinenpistole?«

Capitan Torres sah ihn an und erklärte: »Es kommen manchmal wilde Tiere von den Bergen herab.«

»Ach so«, sagte Eddie.

Als sie am Palast ankamen, instruierte Capitan Torres den Chauffeur, zum Hintereingang zu fahren. Dort standen bewaffnete Wächter am Tor, aber als sie die Limousine von Capitan Torres erkannten, winkten sie sie ohne weiteres durch.

Eddie war fassungslos über die Größe des Palastes.

»Das ist ja riesengroß hier«, sagte er.

»Das ist noch gar nichts«, prahlte Capitan Torres, »Colonel Bolivar besitzt Häuser überall in ganz Amador.«

Sie stiegen aus und gingen auf den rückwärtigen Palasteingang zu. Sie betraten den Palast. Capitan Torres achtete darauf, daß niemand zugegen war, der den Schauspieler sehen konnte. Er führte ihn in das Arbeitszimmer Bolivars, in dem dieser schon die ganze Zeit nervös hin und her lief.