Capitan Torres war einem Schlaganfall nahe. »Colonel -!«
»Warum gehen Sie nicht Ihren anderen Aufgaben nach, Ca-pitan«, sagte Eddie gelassen. »Ich kann das ganz gut allein hier erledigen.«
Die Petitionsstunde zog sich drei Stunden lang hin. Es wurden Dutzende Beschwerden vorgebracht, und Eddie sorgte dafür, daß immer die armen und kleinen Leute ihr Recht bekamen. Die Grobiane und Rücksichtslosen wies er in ihre Schranken und ließ sie für ihre Schandtaten bezahlen.
Capitan Torres, der trotzdem dageblieben war, obwohl ihn Eddie ausdrücklich fortgeschickt hatte, hörte ihm immer mißmutiger zu und dachte schließlich: Nein, in Öl sieden ist noch viel zu milde für diesen Unglücksmenschen. Ich werde mir etwas noch Besseres ausdenken.
Am Nachmittag war dann der Besuch im Zoo. Ein Dutzend Fotografen und Fernsehteams waren da, um Colonel Bolivar mit dem neuen, soeben aus China eingetroffenen Panda zu fotografieren und zu filmen.
Eddie war von der Größe des Zoos beeindruckt. Da waren Käfige voller Löwen und Tiger und Panther. Es gab Elefanten und Vögel mit wunderschönem Gefieder.
»Das ist ja ein großartiger Zoo«, sagte Eddie zu Capitan Torres. »Es muß sehr schön sein für das Volk, hier herumzuwandern.«
Capitan Torres starrte ihn wieder einmal ungläubig an. »Was meinen Sie denn damit? Das Volk?«
»Ja.«
Torres erklärte es ihm. »Das Volk darf doch hier nicht herein. Das hier ist Ihr Privatzoo!«
»Was?« sagte Eddie. »Sie meinen, sonst darf hier niemand herein?«
»Natürlich nicht. Nur Sie und Ihre Freunde und Gäste.«
»Das ist aber nicht richtig«, sagte Eddie. »Das wollen wir doch gleich mal umgehend ändern.«
»Also bitte, Colonel, ich flehe Sie an .«
Aber es war schon zu spät. Schon hatte sich Eddie an die versammelten Reporter gewandt und verkündete: »Ich möchte bekanntgeben, daß dieser Zoo ab sofort für die Allgemeinheit zugänglich ist. Jedermann kann ihn betreten und besuchen. Und der Eintritt ist frei.«
Die Reporter applaudierten begeistert, und es erhob sich ein Stimmengewirr unter ihnen.
»Das ist ja wunderbar!«
»Da bringe ich gleich morgen meine Kinder her!«
»Meine Eltern haben sich schon lange einen Zoobesuch gewünscht.«
»Können wir jetzt das Foto von Ihnen mit dem Panda machen, Colonel?«
»Natürlich.«
»Gehen Sie nicht zu nahe an ihn ran. Die Viecher sehen so sanft und gemütlich aus, aber sie sind gefährlich in Wirklichkeit, wissen Sie!«
Es gab ein ganzes Gewitter von Kamerablitzen, als Eddie sich neben den Pandakäfig stellte. Die Reporterschar folgte ihm auch noch bei seinem Rundgang zu den anderen Tieren und machte Hunderte Fotos.
Im Hintergrund standen zwei Männer in Tierpflegeruniformen des Zoos. Der eine war Juan, und der andere hieß Hector.
»Ich weiß, wie wir ihn kriegen«, flüsterte Juan.
»Wie?«
»Die Schlangengrube. Sie ist voller giftiger Schlangen. Auch eine Kobra ist dabei. Deren Biß ist auf der Stelle tödlich.«
»Ausgeschlossen, den Colonel auch nur in die Nähe der Schlangengrube zu bekommen.«
»Das versuchen wir auch gar nicht erst.«
»Ja, wie denn sonst?«
»Wir bringen nicht ihn zu der Schlange, sondern die Schlange zu ihm. Ich sorge dafür, daß sie heute abend in seinem Bett liegt. Sobald er sich hineinlegt, beißt die Kobra zu. Er wird sofort tot sein.«
»Das ist eine großartige Idee! Aber kommen wir in den Palast?«
»Ich habe einen Vetter, der ist bei der Telefonentstörung. Ich besorge mir seine Uniform und sage, es muß im Zimmer des Colonel eine Störung behoben werden. Die Kobra bringe ich in meinem angeblichen Werkzeugkasten mit. Wir holen sie uns heute abend hier ab.«
Spät abends kletterten Juan und Hector über die Mauer um den Zoo herum und schlichen sich hinein. Sie hatten eine große Leinenhandwerkertasche dabei und einen langen, vorne gegabelten Schlangenstock. Sie öffneten vorsichtig die Tür zum Schlangenhaus und schlüpften hinein. Die Kobra lag zusammengeringelt in einer Ecke und schlief. Juan kam vorsichtig heran, drückte ihr mit der Schlangengabel den Kopf an den Boden und steckte sie in den Leinensack.
»Jetzt aber nichts wie weg hier«, flüsterte Hector, »bevor wir entdeckt werden.«
Eine Stunde später erschien Juan am Palasttor in einer Uniform der Telefongesellschaft und mit der umgehängten Leinwandtasche.
»Was wollen Sie denn jetzt?« fragte der Wachtposten.
»Telefongesellschaft. Colonel Bolivar hat eine Störung in seinem Schlafzimmertelefon gemeldet.«
Der Posten kratzte sich am Kopf. »Das ist aber komisch. Uns hat niemand etwas davon gesagt.«
»Sagt euch der Colonel etwa alles?« fragte Juan.
»Nein, natürlich nicht. Aber Sie müssen eine Erlaubnis zum Hineingehen haben.«
»Na, gut«, meinte Juan achselzuckend. »Dann melde ich ihm eben, daß ihr mich nicht hineingelassen habt.«
Er wandte sich zum Gehen.
»Moment, warten Sie doch erst mal«, sagte der Posten. Er wollte natürlich auch nicht verantwortlich sein, daß dem Colonel sein Telefon nicht gerichtet wurde. »Ich meine, ist ja gut. Ich denke, es ist schon in Ordnung, wenn Sie reingehen.«
»Danke.«
»Ich führe Sie zum Schlafzimmer des Colonel.«
Er ging voran und zeigte Juan den Weg den ganzen langen Korridor entlang bis zu der Tür des Schlafzimmers von Colonel Bolivar.
»So, hier ist es. Der Colonel ist jetzt nicht da. Gehen Sie rein und richten Sie das Telefon. Aber machen Sie schnell.«
»Dauert nicht lange«, sagte Juan.
Er wartete, bis der Posten wieder gegangen war, und machte dann die Tür zu. Er ging zu dem großen Bett, setzte seine Leinwandtasche ab und öffnete sie. Die Kobra schien zu schlafen, aber Juan ging kein Risiko ein. Er hob sie mit der Schlangengabel aus dem Sack heraus und legte sie in das Bett, an das Fußende, wo sie nicht zu sehen war, und deckte sie zu. In dem Moment, in dem Colonel Bolivar in sein Bett stieg und sich ausstreckte und mit dem Fuß die Schlange berührte, würde diese sofort zustoßen.
Endlich ist es mir gelungen, ihn umzubringen, dachte Juan zufrieden, jetzt wird Amador doch noch frei.
Er machte seine Tasche wieder zu, verließ das Schlafzimmer und ging den Korridor zurück.
»Schon fertig?« fragte der Wachtposten.
»Ja, war nur eine Kleinigkeit«, sagte Juan. »Das Problem war schnell gelöst.« In Wirklichkeit aber, dachte er, habe ich ein großes Problem gelöst.
Eddie war müde. Es war ein langer Tag gewesen. Er war froh, daß er im Petitionszimmer so viele Probleme und Nöte der Menschen hatte lösen können, und er hatte den Zoo für die Allgemeinheit in Amador geöffnet. Jetzt war er rechtschaffen müde und hatte sich einen erholsamen Schlaf verdient.
Er ging in sein Schlafzimmer und begann sich auszuziehen.
Da klopfte es an der Tür.
»Wer ist da?« fragte er.
Eine sanfte, weiche Stimme antwortete. »Ich bin es, Schatz.«
Die Tür ging auf, und die Geliebte des Colonel Bolivar kam herein. Sie trug ein hauchdünnes Neglige.
»Tut mir leid, daß ich draußen auf dem Flur so häßlich zu dir war, Ramon«, sagte sie. »Aber du hattest mich in meinen Gefühlen verletzt. Du weißt doch, wie sehr ich mir wünsche, mit dir verheiratet zu sein.«
»Tut mir leid«, sagte Eddie. »Colonel Bolivar - ich meine, ich liebe meine Frau, und ich werde mich nicht von ihr scheiden lassen.«
»Ich verstehe es ja«, sagte die Geliebte des Colonel, »und ich will es auch akzeptieren.«
Sie ging auf sein Bett zu.
»Was machst du denn da?« fragte Eddie.
»Ich möchte, daß wir nur noch eine letzte Nacht miteinander verbringen«, sagte sie. »Dann siehst du mich nie wieder.«