»Da ist er«, sagte Capitan Torres.
Colonel Ramon Bolivar starrte Eddie ungläubig an.
»Herr im Himmel«, stammelte er, »Sie haben völlig recht. Er ist ich!«
»Ja, wir sehen uns wohl ein wenig ähnlich, wie?« erklärte Eddie Davis unbefangen.
»Ein wenig? Wenn Sie Ihren Schnurrbart abrasieren, kann kein Mensch mehr den Unterschied zwischen uns feststellen!«
Er betrachtete sich Eddie nun näher. »Unglaublich«, sagte er schließlich aufgeregt. »Wenn Sie uns vielleicht für einen Moment entschuldigen?«
»Klar doch«, sagte Eddie. Er verstand nicht, warum dieser Colonel so aufgeregt war.
Colonel Bolivar faßte Capitan Torres am Arm und führte ihn in das Nebenzimmer.
»Nun, was meinen Sie?« fragte der Capitan.
»Es könnte tatsächlich klappen«, sagte der Diktator. »Allerdings bestehen natürlich gewisse Probleme. Es kann Leute geben, die etwas ahnen und ihm dann Fragen stellen, und er wüßte nicht, was er sagen oder wie er sich verhalten soll.«
»Das lassen Sie meine Sorge sein«, versicherte Capitan Torres seinem Colonel. »Ich weiche ihm nicht von der Seite, Tag und Nacht. Und wie viele Leute stehen Ihnen schon nahe? Außer mir doch niemand. Also. Wenn wir ihm seinen Schnurrbart abrasieren und ihm einstudieren, wie Sie zu gehen und zu sprechen, wer sollte da einen Unterschied bemerken können? Ich halte ihn ohnehin soweit wie nur möglich von den Leuten fern.«
Colonel Bolivar dachte nach. »Ja«, sagte er schließlich, »ich glaube, das könnte klappen. Kommen Sie, wir reden mit ihm.«
Sie begaben sich zusammen zurück in das Arbeitszimmer.
Colonel Bolivar sagte: »Ich höre von Capitan Torres, was für ein grandioser Schauspieler Sie sind.«
»Ja, ich habe schon einige ganz gute Kritiken gehabt«, nickte Eddie. »Zum Beispiel schrieb die Wochenzeitung von Long Island, daß ich -«
»Wären Sie an einer Stellung interessiert?«
»An einer Stellung?«
»Bei mir.«
»Oh, das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich habe ja schon eine Beschäftigung. Ich kann mein Ensemble nicht gut einfach verlassen.«
»Ja, aber die Arbeit hier könnte sehr viel interessanter sein. Sie dauert zwar nur ein paar Wochen, aber sie wird sehr gut bezahlt.«
»Vielen Dank«, sagte Eddie, »aber ich kann doch die Truppe nicht im Stich lassen.«
»Hunderttausend Dollar«, sagte der Diktator.
Eddie Davis brachte den Mund nicht mehr zu. »Wie bitte?« sagte er schließlich.
»Ich bezahle Ihnen hunderttausend Dollar.«
Eddie schluckte schwer. »Und was müßte ich dafür tun?«
Colonel Bolivar lächelte. »Es ist ganz einfach. Fast nicht der Rede wert. Nur Ihren Schnurrbart abrasieren.«
»Was denn, Sie wollen mir hunderttausend Dollar bezahlen, nur damit ich mir den Bart abnehme?« »Und so tun, als seien Sie ich.« Der Colonel sprach ganz sanft auf ihn ein. »Sehen Sie, es ist so. Ich muß eine kleine Geschäftsreise unternehmen, und das Volk macht sich Sorgen, wenn ich weg bin. Denn es liebt mich sehr. Alles, was Sie deshalb zu tun haben, ist, während ich weg bin, hier im Palast zu sein und so zu tun, als seien Sie ich.«
»Ja, aber alle Ihre Freunde werden das doch merken?«
»Nein«, sagte Colonel Bolivar. Und da sprach er durchaus die Wahrheit. Denn er hatte ja gar keine Freunde. Der einzige, der in das Geheimnis eingeweiht sein würde, war Capitan Torres. Nicht einmal seine Frau und seine Geliebte sollten es erfahren.
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
Colonel Bolivar ging zu einem in die Wand eingelassenen Safe, öffnete ihn, nahm hunderttausend Dollar heraus, kam wieder zu Eddie und gab sie ihm.
»Hier«, sagte er, »Ihr Honorar im voraus. Nehmen Sie jetzt an?«
In Eddies Kopf drehte sich alles. Er dachte daran, was er alles mit dem Geld für sich und für Mary und für das Baby kaufen könnte.
»Ja«, sagte er erregt, »natürlich. Ich mache es.«
Colonel Bolivar gab ihm die Hand. »Gut. Dann ist es also abgemacht.«
»Toll«, sagte Eddie, »dann fahre ich jetzt zurück in mein Hotel und hole dort meine Sachen und -«
»Sie brauchen nichts«, erklärte ihm Colonel Bolivar. »Sie tragen meine Sachen und meine Uniformen. Sie passen Ihnen ja auch wie angegossen.«
»Ja, aber ich muß doch meiner Truppe sagen, daß ich sie verlasse. Ich kann doch nicht einfach verschwinden ...«
»Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, sagte Capitan Tor-res. »Darum kümmere ich mich«, log er.
»Oh, sehr freundlich!« sagte Eddie. »Und wann soll es losgehen?«
»Es ist schon losgegangen.« Colonel Bolivar lächelte ihn an. »Ich glaube, die Rolle wird Ihnen gut gefallen.«
»Da bin ich ganz sicher«, nickte Eddie.
Colonel Bolivar deutete auf eine Tür. »Dort drinnen sind meine Kleider. Sehen Sie sich doch schon einmal um.«
»Vielen Dank.«
Sie sahen ihm hinterher, wie er durch die Tür in das Schlafzimmer verschwand.
Dann wandte Colonel Bolivar sich an Capitan Torres. »Wenn ich aus dem Krankenhaus zurückkomme, nehmen Sie ihm die hunderttausend Dollar wieder ab und bringen ihn unauffällig um.«
2. Kapitel
Eddie Davis ging wie auf Wolken. Er hatte hunderttausend Dollar - mehr als er in seinem ganzen Leben jemals zu besitzen hatte träumen können! - und die Chance, die größte Rolle seiner Karriere zu spielen! Er würde alle Welt glauben machen, er sei der Diktator Bolivar! Es war eine große Aufgabe, der er sich jedoch absolut gewachsen fühlte.
Capitan Torres wartete auf ihn. Er führte ihn in einen Raum voller Uniformen.
»Wollen mal sehen«, sagte er, »wie die Ihnen passen.«
Er probierte mehrere an, und alle paßten ihm tatsächlich wie angegossen. Weil er ja exakt die gleiche Figur hatte wie Colonel Bolivar.
»Perfekt«, erklärte Capitan Torres. »Und jetzt nehmen wir Ihnen den Bart ab.«
Er führte ihn zu einem Stuhl und ließ ihn sich dort setzen, dann holte er Rasierzeug und begann Eddie zu rasieren. Dabei dachte er für sich: Wenn wir mit dieser Scharade fertig sind, könnte ich ihm die Kehle durchschneiden. Oder vielleicht erschieße ich ihn doch lieber. Ach was, das kann ich mir immer noch überlegen, wenn es soweit ist.
Als der Bart ab war, sah sich Capitan Torres total dem Gesicht von Colonel Bolivar gegenüber. Und er dachte: Das ist einfach unglaublich.
»Sie könnten Zwillinge sein!«
»Glaube ich eher nicht«, meinte Eddie. »Meine Mutter ist aus Chicago, wissen Sie.«
»Na schön«, sagte Capitan Torres, »also dann muß ich Ihnen jetzt beibringen, wie der Colonel geht und spricht.«
In diesem Augenblick kam Colonel Bolivar herein. Auch er starrte wieder verblüfft auf Eddie. »Das bin ich, wie ich leibe und lebe«, sagte er. »Unfaßbar. Zeigen Sie mir mal, wie Sie gehen.«
Eddie ging quer durch den Raum.
»Nein, nein, nein!« dröhnte Colonel Bolivar nun jedoch sofort. »Schauen Sie, so!«
Eddie sah zu, wie der Colonel durch den Raum schritt, fast, als marschierte er.
»So gehe ich. Können Sie das?«
»Ich kann jeden imitieren«, versicherte Eddie selbstbewußt. »Schließlich bin ich Schauspieler.«
Sie beobachteten ihn, wie er versuchte, den Gang des Diktators zu imitieren.
»Schon besser«, nickte Colonel Bolivar, »aber noch nicht perfekt.«
Er zeigte es ihm noch einmal. »So müssen Sie gehen.«
Diesmal konnte es Eddie schon besser.
»Schon besser«, nickte Colonel Bolivar wieder. »Jetzt passen Sie auf, was ich sage, und sagen Sie es nach: Du räudiger Hund, du wirst mir gehorchen oder du stirbst!«
»Du räudiger Hund«, sagte Eddie, »du wirst mir gehorchen oder du stirbst.«
»Nein, nein!« schrie der Colonel. »Das klingt ja wie ein kleines Mädchen. Das müssen Sie ernst meinen. Daß Sie ihn wirklich töten.«