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Capitan Torres befürchtete, er werde gleich in Ohnmacht fallen.

Die versammelte Menge aber begann, in Bewegung zu geraten und in einen Freudentaumel zu verfallen. Die Menschen drängten auf das Podium zu, griffen sich Eddie und trugen ihn auf ihren Schultern in einem Triumphzug um den ganzen Platz herum.

»Ich hätte ihn schon längst umbringen sollen«, murmelte Capitan Torres erschüttert. »Er hat uns ruiniert.«

Eddie wurde weiter um den Platz getragen, Capitan Torres verlor ihn aus den Augen. Er sagte zu den Wachtposten: »Folgt ihm! Laßt ihn nicht entkommen!«

Aber die Menge war so dichtgedrängt, daß die Soldaten nicht durchkamen.

Am Ende des Platzes sagte Eddie: »Ihr könnt mich jetzt herunterlassen.«

Er kletterte von ihren Schultern und sah sich um. Capitan Torres war nirgends zu erblicken.

Eddie sagte zu einem Mann in der Menge: »Können Sie mich vielleicht zum Flughafen fahren? Ich habe da eine wichtige Verabredung.«

Capitan Torres glaubte, verrückt zu werden. Mit seinen Wachen hatte er überall nach Eddie gesucht, aber er war nicht zu entdecken. Die Menge war völlig außer Rand und Band. Sie warf Schildermasten um und riß die Bilder des Diktators ab.

»Demokratie!« riefen sie außer sich. »Wir haben eine Demokratie!«

Wir sind ruiniert, dachte Capitan Torres. Dieser verfluchte Schauspieler hat uns eigenhändig und allein das ganze Land ruiniert.

Und dann durchfuhr ihn erst der schrecklichste Gedanke von allen. Wie soll ich denn das nur Colonel Bolivar beibringen?

Als Eddie am Flughafen ankam, wartete der Pilot auf ihn.

»Wir sind jederzeit startbereit, Colonel«, sagte er.

»Gut«, sagte Eddie.

Ein Jeep fuhr ihn hinaus zu dem Flugzeug, einer großen 727. Eddie stieg hinein. Die Maschine war innen luxuriös ausgestattet und hatte nur dreißig oder vierzig Sitzplätze. Jetzt war Eddie natürlich der einzige Passagier.

»Wann wollen Sie starten, Colonel?«

»Sofort«, sagte Eddie.

Er wollte unbedingt in der Luft sein, bevor Capitan Torres und Colonel Bolivar herausfanden, wo er war.

In eben diesem Augenblick sprach Capitan Torres mit einem der Soldaten aus der versammelten Menge auf dem Platz. Der Soldat deutete auf den Mann, der mit Eddie weggefahren war. Capitan Torres ging zu ihm hin.

»Haben Sie Colonel Bolivar von hier weggefahren?«

Der Mann strahlte. »Jawohl, Capitan! Es war mir eine besondere Ehre. Er ist so ein großer Mann!«

»Wohin haben Sie ihn gefahren?«

»Zum Flughafen.«

»Zum Flughafen?«

Da begriff Capitan Torres, was Eddie vorhatte. Er hatte die Absicht, mit Colonel Bolivars Flugzeug heimzufliegen!

»Das wird ihm nicht gelingen«, murmelte er.

Eddie schnallte sich an und ließ sich in den weichen, bequemen Sessel zurücksinken. Noch nie hatte er so ein Flugzeug wie dieses gesehen. Es hatte einen großen Fernsehapparat an Bord, eine Filmleinwand, und Dutzende Zeitschriften und Videospiele waren vorrätig.

Der Pilot meldete ihm über den Bordlautsprecher:

»Wir sind abflugbereit, Colonel. Möchten Sie herkomm en und selbst den Start fliegen?«

Eddie dachte darüber nach. »Ach nein, ich glaube nicht«, sagte er. »Machen Sie das ruhig.«

Im nächsten Moment rollte das Flugzeug auf der Startbahn los, hob dann steil nach oben in die Luft ab und nahm Kurs auf New York.

Nur noch ein paar Stunden, dachte Eddie, und ich bin wieder zu Hause bei Mary und unserem neuen Baby und bei meinem neuen Stück »Der Diktator«.

Er sah es bereits im Geiste vor sich, wie die Menge ihm zujubelte und dann der Schlußvorhang fiel.

Ja, dachte er, die Geschichte hat ein Happy-End, und das ist gut so. Ein einfacher Schauspieler hat ein Land, das von einem Tyrannen regiert wurde, übernommen und das Volk befreit. Und jetzt bekomme ich die Belohnung dafür.

In diesem Moment klingelte vorne im Cockpit der Maschine das Telefon. Der Pilot hob ab und meldete sich. »Luftwaffe Eins.«

»Hören Sie mir gut zu, ganz genau. Sie haben Colonel Boli-var an Bord?«

»Jawohl.«

»Wohin fliegen Sie?«

»Nach New York.«

»Der Mann, den Sie an Bord haben, ist ein Hochstapler und Schwindler. Hier spricht Colonel Bolivar. Kehren Sie sofort um, und fliegen Sie zurück zum Flughafen. Haben Sie das verstanden?«

»Jawohl.«

»Gut.«

Der Pilot saß einen Moment reglos da und ging dann nach hinten in die Kabine.

»Alles in Ordnung?« fragte Eddie.

Der Flugkapitän lächelte. »Ja, ja, alles in Ordnung. Es ist nur eben etwas ganz Komisches passiert. Irgendein Verrückter hat über Radiofunk angerufen und erklärt, er sei Colonel Bolivar, und Sie wären ein Schwindler und Hochstapler. Was den Leuten so alles einfällt, was?«

»Ja, wirklich«, sagte Eddie.

12. Kapitel

Der Heimflug verlief ohne weitere Ereignisse. Eddie schlief die meiste Zeit. Es war ihm nicht bewußt gewesen, wie erschöpft und müde ihn der ganze Streß gemacht hatte, dem er ausgesetzt gewesen war. Ein Land regieren, hatte er gelernt, ist gar nicht so einfach.

Im Flugzeug mit ihm war eine schöne Stewardeß. Sie trug eine sehr verführerische Uniform.

»Guten Tag, Liebling.«

Liebling? Dieser Diktator mußte ein wahrer Wundermann sein.

»Hungrig?« fragte sie.

Und da merkte Eddie, wie hungrig er war. Wegen seiner Furcht, vergiftet zu werden, hatte er schon seit zwei Tagen keinen Bissen mehr zu sich genommen.

»Ja, doch«, sagte er. »Haben wir denn etwas zu essen da?«

Sie lächelte. »Aber selbstverständlich. Soll ich jetzt servieren?«

»Ja«, sagte Eddie.

Sie lächelte ihn wieder an. »Ich bin gleich wieder da.«

Sie brachte ihm einen Scotch mit Soda. »Hier erst mal der Colonel-Lieblingsdrink.«

Aber Eddie haßte Scotch mit Soda.

»Ich habe auch alle anderen Colonel-Lieblingssachen da«, sagte sie.

»Sehr schön«, erklärte Eddie begeistert. Er konnte es kaum erwarten.

Die Stewardeß brachte ihm eine Mahlzeit und stellte sie auf das Tablett vor ihm.

»Was ist das?« fragte Eddie.

»Nun, Schweinsfüße. Das Colonel-Lieblingsgericht.«

Eddie haßte Schweinsfüße. »Oh«, sagte er nur.

Alles andere war genauso. Lauter Sachen, die er nicht ausstehen konnte. Er brachte kaum einen Bissen hinunter.

Danach hoffte er wenigstens auf eine heiße Tasse Kaffee. Aber sie brachte ihm Tee. Und auch Tee haßte er.

»Der Colonel-Lieblingstee!« sagte sie und kam nahe zu ihm. »Kann ich sonst noch etwas für den Colonel tun?«

Eddie schluckte schwer. »Äh ... nein, vielen Dank.« Nicht mehr lange, und er sah schließlich Mary wieder.

Die Stewardeß sah ehrlich betrübt aus. »Ich bin auf jeden Fall im Cockpit vorne, wenn irgend etwas gewünscht wird.«

Und die Betonung lag auf irgend etwas.

»Ich denke daran«, sagte Eddie.

Als er nach Stunden aus dem Fenster sah, konnte er weit unten bereits die Lichter New Yorks erkennen. Es erschien ihm auf einmal, nach allem, was war, ganz unwirklich, heimzukehren.

Das riesige Düsenflugzeug kreiste über dem KennedyAirport, und zwanzig Minuten danach waren sie gelandet.

Der Pilot kam zu ihm in die Kabine. »Fliegen Sie wieder zurück nach Amador?« erkundigte er sich.

Das Lächeln auf Eddies Gesicht hätte ausgereicht, ganz New York zu erleuchten. »Nein«, sagte er. »Ich fliege nicht zurück nach Amador.«