»Sie?«
»Genau. Wer weiß schließlich mehr über das ganze Stück als ich?«
Johnson betrachtete ihn eine Weile. Dann nickte er. »Da könnten Sie sogar recht haben.«
»Selbstverständlich habe ich recht.«
Am Nachmittag fuhr Eddie ins Krankenhaus und besuchte Mary. Sie hielt ihr Baby im Arm.
»Er sieht wirklich ein wenig aus wie ich«, sagte er.
»Warte ab, bis er herausfindet, wie berühmt sein Vater ist«, sagte Mary. »Stell dir nur mal vor, ein ganzes Land allein regieren ...!«
»Das habe ich gar nicht schlecht gemacht, wenn ich das mal selbst feststellen darf«, erklärte Eddie. »Ich habe mich um die Waisenkinder gekümmert, ich habe den Bauern ihr Land zurückgegeben, ich habe die Steuern gesenkt und dem Land die Demokratie gebracht.«
Mary sah ihren Mann voller Bewunderung an. »Sag mal, Eddie, hast du je daran gedacht, für das Weiße Haus zu kandidieren?«
Eddie schüttelte den Kopf. »Das ginge nicht. Ich sehe doch überhaupt nicht aus wie unser Präsident.«
Eine Schwester kam und holte das Baby ab.
»Es ist Zeit, daß Mrs. Davis sich ausruht«, erklärte sie Eddie.
»O ja, selbstverständlich«, sagte Eddie und stand auf. »Da will ich mal wieder.«
»Bis morgen früh dann«, sagte Mary.
»Es könnte etwas später werden«, sagte Eddie.
»Wieso das?«
»Ich muß ins Theater wegen der Besetzung. Ich muß Tom Burke sagen, daß ich selbst die Hauptrolle spiele.«
»Oh, das wird ihn aber sehr freuen«, meinte Mary.
Eddie nickte. »Ja.«
Am nächsten Vormittag um zehn Uhr betrat Eddie das Theater, wo sich Tom Burke verschiedene Schauspieler für die Hauptrolle ansah. Burke war ein großgewachsener Mann mit enorm viel Energie.
Eddies Agent Johnson saß hinten in einer der letzten Reihen des Zuschauerraums und verfolgte das Vorsprechen der verschiedenen Schauspieler. Als er Eddie erblickte, sprang er auf und schüttelte ihm die Hand. »Es hat gerade erst angefangen«, erklärte er ihm. »Setzen Sie sich her und schauen Sie zu.«
Eddie setzte sich und beobachtete, wie eine Anzahl Schauspiel er versuchte, seine Texte zu sprechen. Sie waren alle so schlecht, daß er fast laut herauslachte.
»Burke verschwendet seine Zeit damit«, sagte er schließlich. »Kommen Sie, wir teilen ihm die große Neuigkeit jetzt mit.«
Sie gingen nach vorne bis zur Bühne.
Johnson stellte Eddie vor: »Tom, ich möchte Ihnen hier den Autor vorstellen, Eddie Davis.«
Sie gaben sich die Hand.
»Freut mich, den Autor des besten Stücks kennenzulernen, das ich gelesen habe«, sagte Tom Burke.
»Oh, danke«, sagte Eddie bescheiden.
»Es ist ein brillantes Stück. Alles daran gefällt mir, die Personen, die Szenen, die Dialoge. Wir finden Ihnen schon einen erstklassigen Hauptdarsteller.«
»Sie haben ihn schon«, sagte Eddie.
Tom Burke besah sich der Reihe nach die Schauspieler, die er bisher angehört hatte. »Welchen meinen Sie?« fragte er.
»Mich.«
»Sie?«
»Ja. Ich spiele selbst die Hauptrolle. Ich bin schließlich Schauspieler von Beruf, nicht?«
Tom Burkes Gesicht hellte sich auf. »Ja, natürlich. Richtig. Habe ich Sie nicht in einigen Stücken gesehen, mit kleinen Rollen allerdings nur?«
»Richtig«, sagte Eddie. Und »natürlich« wird sich das jetzt grundlegend ändern, dachte er dazu.
»Warum gehen Sie nicht gleich mal hinauf auf die Bühne, Eddie, und lesen aus der Rolle?«
Eddie mußte selbstverständlich nicht eigens lesen. Aber er sagte nichts. Immerhin war Tom Burke derzeit der bedeutendste Regisseur am Broadway.
»Gewiß«, sagte er also nur, »warum nicht?«
Er ging hinauf und stellte sich mitten auf die Bühne.
»Soll ich Ihnen mein Skript leihen?« rief ihm Burke zu.
»Nein, nein.« Eddie kannte schließlich sein eigenes Stück Wort für Wort auswendig. Jedes dieser Worte hatte er auch in der Wirklichkeit gesagt.
»Also gut«, sagte Tom Burke. »Dann mal erster Akt, erste Szene. Sie kommen von links auf die Bühne.«
Eddie begann mit seinem Text. Er spielte die ganze Szene durch. Manche Stellen sprach er leise, manche laut, einmal mit der Stimme des Schauspielers, dann wieder mit der des Diktators. Die Szene ließ alles wieder vor ihm auferstehen und weckte die Erinnerungen an die aufregenden Dinge, die er getan hatte.
Als er zu Ende war, hatte er keinen Zweifel mehr, daß ihm die Rolle gewiß war. Er ging bis zur Rampe vor und lächelte zu dem Regisseur hinab.
»Nun?«
Tom Burke sah zu ihm empor und sagte: »Nein.«
Eddie glaubte nicht richtig zu hören. »Wie war das? Nein?«
»Nein, Sie sind nicht der Richtige für die Rolle.«
»Was bin ich nicht?« schrie Eddie. »Das ist wohl nicht Ihr Ernst! Ich bin schließlich die Rolle . ich meine: ich bin Colonel Bolivar!«
»Nein, sind Sie nicht!« beharrte der Regisseur. »Sie haben das Stück geschrieben, aber Sie sind nicht der Charakter der Hauptrolle. Ich meine, es ist ja schließlich nur ein Stück und nicht das wirkliche Leben.«
»Aber -«
»Tut mir leid«, sagte Tom Burke. »Wenn Sie wollen, daß ich das Stück inszeniere, brauche ich einen anderen Hauptdarsteller.«
Eddie stand da und dachte nach. Die Rolle nicht zu bekommen, gefiel ihm gar nicht. Andererseits wurde er reich, wenn das Stück gespielt wurde. Und Tom Burke war nun einmal der beste Regisseur, den es gab.
»Also gut«, sagte er schließlich. »Dann besetzen Sie die Rolle eben anders.«
»Sie werden das nicht bereuen«, sagte Tom Burke. »Ich verspreche Ihnen einen Sensationserfolg.«
Als Eddie im Krankenhaus Mary die Neuigkeit mitteilte, sagte sie: »Ach weißt du, es ist doch egal, ob ein anderer Schauspieler die Rolle spielt, Darling. Hauptsache ist doch, daß dein Stück ein großer Erfolg wird. Damit verdienst du eine Menge Geld, und wir haben alles, was wir uns schon immer gewünscht haben.«
»Ja, aber denke doch mal nur, was der Mann für Nerven hat. Mir zu sagen, ich sei nicht der Richtige für die Rolle! Ich meine, die Rolle ist doch, bin doch, ich selbst!«
»Schau«, sagte Mary begütigend, »du weißt es, und ich weiß es. Aber wir können doch nicht der ganzen Welt sagen, daß es in Wirklichkeit so war. Man würde dich für verrückt halten!«
»Vermutlich hast du recht«, sagte Eddie, nachdem er darüber nachgedacht hatte. »Es muß wohl unser Geheimnis bleiben. Die einzigen, die es noch wissen, sind Colonel Bolivar und Capitan Torres.«
Colonel Bolivar und Capitan Torres saßen im gleichen Augenblick im Gefängnis und wußten nicht, was ihr weiteres Schicksal sein würde. In Amador war alles auf den Kopf gestellt. Es hatte eine Revolution gegeben, und das Volk hatte Senatoren gewählt und sich eine Verfassung gegeben.
Das erste, was der neue Senat beschlossen hatte, war, Colonel Bolivar für seine Verbrechen in der Vergangenheit zur Rechenschaft zu ziehen und vor Gericht zu stellen. Auch wenn seine überraschenden Reformen in den letzten Wochen seiner Herrschaft anerkannt wurden, so standen dem doch jahrelange Untaten gegenüber.
»Sie werden sehen«, sagte Colonel Bolivar verbittert zu Ca-pitan Torres, »sie werden uns alle beide erschießen. Und das alles wegen Ihnen und Ihrem verdammten Schauspieler.«
Als Eddie Mary vom Krankenhaus nach Hause brachte, wartete ein blitzender Rolls-Royce auf sie.
»Was ist das denn für ein Auto?« fragte Mary.
»Deines«, sagte Eddie. »Ein Weihnachtsgeschenk.«
»Ja, können wir uns das denn leisten?«
»Wir können uns von jetzt ab alles leisten. Warte nur, bis du unsere neue Wohnung siehst.«
Die neue Wohnung war ein wunderschönes zweistöckiges Apartment mit Blick über den Central Park.
»Das ist alles wie ein Traum«, sagte Mary.