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Eddie versuchte es noch einmal. »Du räudiger Hund, du wirst mir gehorchen oder du stirbst!«

»Das kommt der Sache schon näher«, sagte der Colonel. »Capitan Torres wird sich um alles weitere kümmern. Ich muß bald weg. Er zeigt Ihnen meine Wohnräume, wo Sie einziehen werden. Denken Sie daran, bis zu meiner Rückkehr sind Sie ich! Capitan Torres wird stets an Ihrer Seite sein und aufpassen und dafür sorgen, daß Sie in keine Schwierigkeiten geraten.«

»Machen Sie sich keine Sorgen«, versicherte ihm Eddie. »Ich bin schließlich Schauspieler.«

Und bald ein toter, dachte Colonel Bolivar im stillen dazu.

Eddie betrachtete sich im Spiegel. Er hatte eine prächtige Uniform an mit Goldtressen und vielen Orden. Er sah aus wie ein richtiger Held. Unwillkürlich richtete er sich höher auf. Ich denke, ich werde mal den Palast erkunden, dachte er.

Er ging hinaus auf den großen Korridor. Dieser schien sich meilenweit hinzuziehen. Als er ihn entlangging, sah er, daß links und rechts überall Zimmer waren. Arbeiter waren eifrig dabei, den Boden und die Lampen zu putzen. Im Vorbeigehen nickte er ihnen allen zu und sagte: »Guten Morgen. Guten Morgen. Guten Morgen.«

Da wunderten sich alle sehr, und der Mund blieb ihnen offen. Noch nie hatte Colonel Bolivar sie auch nur eines Wortes gewürdigt!

Wieso die alle so still sind, dachte Eddie.

Er kam an einem wunderschönen Dienstmädchen in einem kurzen Kleidchen vorüber.

»Es hat mir sehr gut gefallen gestern nacht«, flüsterte sie und eilte davon.

Eddie starrte ihr verwundert hinterher.

Dann ging er weiter. An einem Tisch saß ein alter Mann und putzte Silber.

»Guten Morgen«, sagte Eddie freundlich.

Der alte Mann blickte auf, wurde weiß wie die Wand und fiel in Ohnmacht. Zwei andere Diener eilten herbei, hoben ihn hoch und trugen ihn weg.

Was ist denn hier los? fragte sich Eddie stirnrunzelnd.

Er schlenderte weiter den schier endlosen Korridor entlang. Ein weiteres hübsches Mädchen in kurzem Dienstmädchen-röckchen kam vorbei, hauchte ihm ebenfalls knicksend zu: »Vergangene Nacht war wunderbar«, und eilte schon wieder davon.

Meine Güte, dachte Eddie, dieser Colonel Bolivar scheint ja wirklich ein sehr beschäftigter Mann zu sein. Wann hat der eigentlich noch Zeit zum Regieren?

Er blieb stehen und überlegte, ob es nicht Zeit sei, zurück in sein Zimmer zu gehen, um sich dort mit Capitan Torres zu treffen. Er drehte sich um und entdeckte, daß er sich verlaufen hatte und nicht mehr wußte, wo er war. Überall, wohin er auch sah, ging es in andere Räume. Direkt vor ihm allerdings war eine geschlossene Tür. Er ging hin, stieß sie auf und fand sich in einer riesigen Küche. Ein halbes Dutzend Leute vom Dienstpersonal waren gerade beim Essen.

Sie sahen auf, als er eintrat und sprangen erschrocken hoch. Einer sagte: »Bitte, Herr, wir haben das Essen nicht gestohlen. Wir haben mit unserem eigenen Geld dafür bezahlt.«

Und eine Frau sagte: »Wir haben unsere eigenen Lebensmittel gekauft, wir haben nichts von den Ihrigen genommen.«

Alle waren sie in heller Panik.

»Beruhigen Sie sich alle«, sagte Eddie. »Niemand hat Sie des Diebstahls beschuldigt.«

»Aber Sie sagen doch immer, daß wir Ihnen das Essen vom Mund wegstehlen.«

»So, sage ich das?« Eddie konnte gar nicht glauben, was er da hörte.

»Ja, Herr! Bitte«, flehten sie alle, »bestrafen Sie uns nicht.«

»Ich bestrafe Sie doch gar nicht«, sagte Eddie. »Wir wollen das mal klären. Also, Sie alle arbeiten hier, und Sie müssen Ihr eigenes Essen kaufen und mitbringen?«

»Ja, Herr.«

»Aber das ist ja schlimm!«

»Sie selbst haben es doch angeordnet!«

»Na ja«, sagte Eddie, »dann ändere ich das eben wieder. Ich nehme an, es gibt genug Lebensmittel hier im Palast.«

»O ja, Herr. Die Speisekammer ist voll bis obenhin. Aber das ist alles für Sie und Ihre Freunde.«

»Also von jetzt an«, erklärte Eddie, »nehmen Sie sich davon eben, was Sie brauchen.«

Alle Gesichter hellten sich auf. »Ist das ernst gemeint, Herr?«

»Selbstverständlich ist es das«, sagte Eddie. »Habe ich Sie jemals angelogen?«

»Nein, Herr.«

Man darf ja nicht vergessen, Eddie war Schauspieler, und die Rolle, die er spielte - die des großen Diktators, der auf einmal freundlich zu den Leuten ist, die für ihn arbeiten -, begann, ihm Spaß zu machen.

»Ja«, sagte er deshalb bestätigend, »von jetzt an dürfen Sie essen, soviel Sie wollen.«

»Danke, Herr, wir sind sehr dankbar.«

»Schon gut«, sagte Eddie, »keine Ursache.«

Er verließ die Küche wieder und begab sich auf den Rückweg zu dem Zimmer, wo er den Capitan treffen sollte. Dabei begegnete ihm ein drittes Dienstmädchen in dem gleichen knappen Röckchen, sah ihn an, kicherte und eilte weiter.

Capitan Torres war im Arbeitszimmer von Colonel Bolivar. »Ich mache Sie dafür verantwortlich«, sagte dieser, »daß der ganze Plan reibungslos funktioniert. Wenn irgend etwas dabei schiefgeht, ist das unser aller Ende.«

Er reckte eine Faust in die Höhe. »Man darf dem Volk nicht die geringste Schwäche zeigen, sonst fällt es sofort über einen her. Man muß es mit eiserner Hand regieren.«

»Jawohl, Colonel.«

»Ich werde wohl nicht länger als eine Woche oder höchstens zwei im Krankenhaus sein. Dieser Schauspieler hat nichts weiter zu tun, als in dieser Zeit dafür zu sorgen, daß alle glauben, er sei ich. Niemand wird auf diese Weise erfahren, daß ich mich einer Herzoperation unterziehen mußte.«

»Ja, aber was ist mit dem Arzt und seinem Stab?«

Colonel Bolivar lächelte, aber es war kein angenehmes Lächeln. »Darum kümmern Sie sich dann«, sagte er.

»In Ordnung, Colonel. Schon verstanden.«

»Gut, dann fahre ich jetzt in die Klinik. Ich schleiche mich zum Hintereingang hinaus, damit mich niemand sieht. Sehen Sie zu, daß Sie diesem Schauspielernarren nicht von der Seite weichen und daß er nichts tut, was die Leute mißtrauisch machen könnte.«

»Keine Sorge, Colonel. Ich passe schon auf, daß er keinen Schritt ohne mich tut.«

»Wenn alles glattgeht, sollte ich bald wieder da sein. Sollte ich aber sterben, dann töten Sie den Schauspieler und fliehen außer Landes.«

»Ich bin ganz sicher, daß die Operation erfolgreich verläuft«, versicherte ihm Capitan Torres.

Ganz gleich aber, ob sie gelang oder nicht, Eddie war auf jeden Fall der Tod gewiß, so oder so.

Capitan Torres beobachtete, wie sein Diktator Colonel Ra-mon Bolivar sich heimlich zum Hintereingang des Palastes hinaus und durch den großen Park schlich, ehe er sich Eddie widmete.

»So«, sagte er zu ihm. »Also, da ist noch ein Punkt, der von größter Bedeutung ist. Niemals, ganz gleich unter welchen Umständen, dürfen Sie irgend jemandem sagen, wer Sie wirklich sind.«

»Na ja, meiner Frau möchte ich es natürlich schon sagen, aber die wird -«

»Nein, auch nicht Ihrer Frau. Niemandem!«

Er beugte sich ganz nahe über Eddie, und sein Gesicht war ernst und hart. »Haben Sie mich verstanden? Absolut niemandem!«

Eddie schluckte. »Na schön, wenn Sie darauf bestehen.«

Capitan Torres lächelte, und auch sein Lächeln war nicht sehr angenehm. »Genau, darauf bestehe ich. Gehen Sie jetzt schlafen. Morgen ist ein wichtiger Tag für Sie.«

Eddie sah dem Capitan nach, wie er fortging. Diese Leute hier gaben ihm Rätsel auf. Einmal waren sie die Freundlichkeit selbst und dann gleich wieder richtig zum Fürchten. Irgend etwas war da schon reichlich seltsam an ihnen.

In einem Haus in den Außenbezirken von Amador war ein Treffen im Gange. Ein Dutzend Leute waren versammelt, alle waren sie im Schutz der Nacht gekommen und darauf bedacht gewesen, nicht gesehen zu werden. Colonel Bolivar hatte eine Sperrstunde über Amador verhängt. Nach zehn Uhr abends durfte niemand mehr auf den Straßen sein. Das Militär hatte Anweisung, auf Zuwiderhandelnde zu schießen. Doch die Leute, die sich in diesem Haus versammelten, waren mutig. Sie haßten den rücksichtslosen Colonel und waren entschlossen, ihn zu beseitigen. Die einzige Möglichkeit, die sie dazu hatten, war ein Attentat auf ihn. Weil der Colonel aber so schwer bewacht wurde, wußten sie, daß dies ein Himmelfahrtskommando war. Wer ihn umbrachte, der mußte sein eigenes Leben opfern. Dafür aber würde das Volk von Amador befreit werden, und das war es wert.