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Der Anführer der Gruppe war ein Mann namens Juan.

»Ich eröffne dieses Treffen«, sagte Juan und sah sich in der Runde um. »Wir wissen alle, warum wir hier sind. Wir ertragen die Tyrannei unseres Diktators nicht mehr. Wir müssen ihn loswerden und eine Regierung einsetzen, die die Menschen nicht wie Tiere behandelt.«

Es gab zustimmende Rufe, und eine Frau meldete sich zu Wort. »Letzte Woche haben die Soldaten meinen Mann abgeholt. Man sagt mir nicht, wo er gefangengehalten wird. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt oder schon tot ist.«

Ein Mann ergänzte: »Colonel Bolivar hat meinen Bruder allein deshalb verhaften lassen, weil er sagte, daß es nicht genug zu essen gibt.«

Eine dritte Stimme erklärte: »Es wird von Tag zu Tag noch schlimmer. Wir werden immer noch ärmer und Colonel Boli-var immer reicher. In seinem Palast sind die wertvollsten Antiquitäten angehäuft, während wir hungern.«

»Alles, was hier gesagt wurde«, erklärte Juan, »stimmt. Eben deshalb muß es getan werden. Es gibt keinen anderen Weg.«

»Und wer«, fragte einer, »soll es tun?«

»Wir ziehen Strohhalme«, sagte Juan. »Wer den kürzesten hat, muß der Attentäter sein.« Er griff in eine Schachtel und holte eine Handvoll Strohhalme heraus, die er so hielt, daß niemand sehen konnte, welcher der kürzeste war. Von oben und vorne sahen sie alle gleich aus.

»Wer zieht zuerst?«

Ein Mann trat vor, holte tief Luft und zog einen der Strohhalme. Es war ein langer. »Schade«, sagte er. »Ich hätte es gerne getan.«

Dann zog eine Frau. Auch ihr Strohhalm war ein langer.

Nacheinander zogen sie alle, bis nur noch einer übrig war. Diesen zog Juan selbst, und es war der Kurze.

»Du hast Glück«, sagte ein Mann. »Du bist derjenige, der den Colonel töten darf.«

»Ich bin froh darüber«, erklärte Juan. »Ich gebe mein Leben gern für mein Volk hin. Es ist ehrenvoll, so zu sterben.«

Was alle nicht wußten, war, daß Juan es selbst so arrangiert hatte, daß der kürzeste Strohhalm für ihn übrigblieb. Er war ein sehr tapferer Mann und bereit, sein Leben für seine Landsleute hinzugeben.

»Er ist schwer bewacht«, sagte eine Frau. »Wie willst du es machen?«

»Hinter seinem Schlafzimmer ist ein Park, in dem geht er jeden Abend spazieren. Um den Park herum ist eine hohe Mauer, aber über die kann ich klettern. Ich habe ein Gewehr. Ich passe ihn ab, und sobald er herauskommt, schieße ich.«

»Und wann hast du es vor?«

»Schon heute abend«, sagte Juan. »Heute abend erschieße ich ihn.«

Die anderen gaben ihm reihum die Hand.

»Gott sei mit dir.«

»Sei vorsichtig.«

»Versuche zu entkommen, wenn es möglich ist.«

Aber Juan wußte, daß es kein Entkommen geben würde. Die Soldaten des Colonel Bolivar waren hart und ohne Erbarmen. Sie töteten gnadenlos jeden, der sich dem Diktator zu nähern versuchte, um ihm etwas anzutun.

Einzeln nacheinander verließen die Verschwörer das Treffen und schlichen heimlich nach Hause. Sie selbst waren zwar in Sicherheit, aber sie dachten alle an den armen Juan, der sicherlich in Stücke gerissen werden würde, nachdem er den Diktator beseitigt hatte.

Juan verließ das Haus als letzter. Er trat hinaus auf die Straße und achtete darauf, daß ihn kein Wachsoldat, der gerade vorbeikommen konnte, sah. Er hielt sich, um nicht bemerkt zu werden, im Schatten der Dunkelheit. Er sah auf die Uhr. Es war elf Uhr. Üblicherweise machte der Colonel seinen Parkspaziergang um Mitternacht. Noch eine Stunde, dachte Juan. In einer Stunde ist der Diktator tot.

Die Suite Colonel Bolivars war das Prächtigste, was Eddie Davis jemals gesehen hatte. Sie bestand aus einem halben Dutzend Räumen, von denen ein jeder größer war als der andere, und sie waren mit den kostbarsten Antiquitäten möbliert. An den Wänden hingen berühmte Gemälde französischer Impressionisten. Wenn das nur Mary sehen könnte, dachte er. Und er beschloß, sie anzurufen.

Doch gerade, als er zum Telefon ging, kam Capitan Torres herein und war ein weiteres Mal verblüfft über die frappante Ähnlichkeit zwischen diesem dummen Schauspieler und dem brillanten Colonel Bolivar.

»Guten Abend«, sagte Capitan Torres.

»Guten Abend.«

»Wie fühlen Sie sich?«

»Ein wenig nervös«, sagte Eddie.

»Kein Grund, nervös zu sein. Ich bin stets an Ihrer Seite.

Reden Sie lediglich möglichst wenig, und niemand wird Verdacht schöpfen.«

»Nicht einmal seine engsten Freunde?«

Der Capitan sagte ihm nicht, daß der große Diktator keine engsten Freunde hatte. »Ich verspreche Ihnen, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«

Eddie sah auf eines der Gemälde an der Wand. »Ist das da ein echter Rembrandt?«

»Aber natürlich. Es gibt ein ganzes Dutzend echter Rem-brandts hier im Palast.«

Eddie war beeindruckt. »Ihr Land muß sehr reich sein.«

»O ja, das ist es«, versicherte ihm Capitan Torres. »Die Einwohner von Amador haben viel Geld und sind alle sehr glücklich.«

Daß es viel Geld in Amador gab, stimmte zwar. Nur gehörte das meiste davon Colonel Bolivar. Das hatte er alles aus der Staatskasse geplündert und den Leuten gestohlen. Ein großer Teil der Menschen im Lande hungerte und war obdachlos.

»Ich lasse Sie jetzt allein«, sagte Capitan Torres. »Wir sehen uns morgen früh wieder. Schlafen Sie gut, Colonel Bolivar.« Und damit verließ er ihn.

Colonel Bolivar. Wie das klang. Eddie gefiel es. Wie er in seiner nagelneuen Uniform so dastand, fühlte er sich tatsächlich bereits als Colonel Ramon Bolivar. Es war die beste Rolle, die er jemals gespielt hatte.

Dann werde ich jetzt Mary anrufen, dachte er. Er hob den Hörer ab und wählte ihre Nummer.

»Eddie!« rief Mary freudig überrascht, von ihm zu hören. »Wie läuft es mit dem Stück?«

Das Stück hatte er tatsächlich schon ganz vergessen. »Das Stück? Ach so, ja ... das läuft prima.« Er fragte sich im stillen, wie es eigentlich tatsächlich wohl lief mit dem Stück und ob sie ihn dort vermißten.

»Findet das Publikum, daß du großartig bist?« »Ja, ja . sicher.«

»Das freut mich. Du bist so ein wundervoller Schauspieler, Eddie.«

Wenn sie nur wüßte, dachte Eddie, wie groß wirklich. Wenn sie ihn nur sehen könnte, hier in seiner Uniform in seiner Rolle als der große Diktator von Amador!

Während er telefonierte, blickte er in den Spiegel und sah sich aufrecht und groß in seiner wunderschönen Uniform dastehen. Er sah wirklich großartig aus, fand er. Großartig genug, um alle Freunde des Colonel an der Nase herumzuführen.

»Eddie«, sagte Mary, »es ist mir ja unangenehm, dich damit zu behelligen, aber der Hausherr war heute wieder da. Er hat gesagt, wenn er jetzt nicht bald die Miete bekommt, dann setzt er uns auf die Straße. Und der Filialleiter im Supermarkt hat auch angerufen und gefragt, wann wir endlich unsere Rechnung bezahlen wollten. Sag mal, Eddie ... könntest du mir vielleicht ein wenig Geld schicken?«

Ein wenig Geld? Warum nicht ein großes Vermögen?