Выбрать главу

Capitan Torres dachte an eben dies, als er zu Eddie sagte: »Er ist ein sehr einflußreicher Verleger.«

Eddie war verwirrt. »Sie sagen, er beschwert sich dauernd wegen der Pressefreiheit? Ja, haben Sie denn hier in Amador keine Pressefreiheit?«

»Aber selbstverständlich doch«, antwortete Capitan Torres im Brustton der Überzeugung. »Aber Colonel Bolivar entscheidet, was Pressefreiheit ist. Wir können die doch nicht jeden Schmutz drucken lassen, der ihnen gerade so einfällt. Das würde die Leser ja nur verwirren. Das verstehen Sie, oder?«

Eddie verstand es keineswegs.

»Bei mir zu Hause«, sagte er, »können die Zeitungen alles drucken, was sie wollen.«

Capitan Torres sah ihm tief in die Augen und erklärte ihm: »Senor, Sie sind hier aber nicht bei sich zu Hause.«

»Ja, schon, nur .«

»Bei diesem Essen heute hören Sie Naveiro einfach nur zu und sagen Nein zu allem, was er verlangt.«

»Aber wenn er .«

»Einfach Nein sagen.«

Eine Stunde später war Eddie, jetzt in einer anderen der prächtigen Uniformen des Colonel, bereit zum Empfang der Waisenkinder. Sie waren in Begleitung einer kräftigen, säuerlich dreinblickenden Frau, die sie zur Tür hereinschob und aufforderte: »Nun stattet dem großen Colonel Ramon Bolivar euren Dank ab!«

Die Kinder sahen überhaupt nicht aus, wie Eddie sie sich vorgestellt hatte. Es waren an die zwanzig. Sie waren mager und blickten traurig und machten überhaupt einen sehr verschreckten und verhärmten Eindruck. Ein etwa zehnjähriges Mädchen trat vor und kam mit einem Blumenstrauß zu Eddie.

»Großer Colonel Ramon Bolivar«, sagte sie auf, »wir danken Ihnen dafür, daß Sie uns Heimat und Brot geben.« Sie hatte es auswendig gelernt. Als sie ihm den Blumenstrauß hinhielt, sah er, daß sie zitterte.

»Wie heißt du denn?« fragte Eddie.

Das kleine Mädchen sah angstvoll zu der Frau hinter sich, als wollte sie um Erlaubnis bitten, zu antworten. Die Frau mit dem säuerlichen Gesicht nickte, und das kleine Mädchen sagte: »Rosita.«

»Sieh mal an!« rief Eddie. »Und Rosen sind meine Lieblingsblumen!« Er hatte keine Ahnung, daß ihm in der vergangenen Nacht auch eine Rose das Leben gerettet hatte. Er wartete, daß das kleine Mädchen »Danke« sagte. Statt dessen aber blickte es wieder nur fragend die säuerliche Frau an, die noch einmal nickte.

Und Rosita sagte artig: »Danke!« Aber in ihrer Stimme klang Furcht mit.

Hier gehen aber seltsame Dinge vor, dachte Eddie. Er sah das kleine Mädchen an und fragte: »Hast du Angst?«

Rosita blickte erneut erst zu der Frau hin, die den Kopf schüttelte, was »Nein« bedeutete.

Rosita sagte also: »Nein.«

Eddie merkte, daß alle diese Kinder sich offensichtlich vor dieser Frau fürchteten. »Gehen Sie mal hinaus«, sagte er mit der Stimme Colonel Bolivars.

»Kommt, Kinder!« sagte die Frau.

»Nein, nein!« fuhr Eddie dazwischen. »Die Kinder sollen hier bleiben. Sie gehen hinaus. Ich schicke sie Ihnen in ein paar Minuten nach.«

»Jawohl«, sagte die Frau verdattert und entfernte sich eilig.

Eddie versammelte die Kinder um sich herum. »So, und jetzt erzählt mir mal, wie das so ist in eurem Waisenhaus.«

Zuerst hatten sie alle Angst zu reden. Er sah, wie mager sie alle waren. »Bekommt ihr genug zu essen?«

Ein kleines Mädchen sagte zaghaft: »Wir haben immer Hunger.«

Und ein anderes Mädchen ergänzte: »Einmal am Tag kriegen wir Suppe und abends einen Getreidemampf.«

»Was denn, das ist alles?«

»Aber, aber wir sind Ihnen sehr dankbar.«

»Habt ihr Spielsachen?«

»Nein -«

»Was macht ihr denn da den ganzen Tag?« wollte Eddie wissen.

»Wir arbeiten im Waisenhaus. Wir machen die Betten und schrubben den Boden und waschen das Geschirr nach dem Essen.«

»Geht ihr zur Schule?«

»Nein.«

Eddie wurde immer zorniger. Er war sich sicher, wenn der echte Colonel Bolivar wüßte, wie diese Waisenkinder behandelt wurden, dann würde er dies niemals gutheißen. Na gut, dachte er, der Colonel hat es mir überlassen, etwas in der Sache zu unternehmen. Er drückte auf einen Summerknopf. Ein Diener kam.

»Bringen Sie mir Schreibzeug und Papier«, befahl er ihm.

»Sofort, Colonel.« Und im Nu war der Mann zurück mit Schreibzeug und Papier.

Eddie begann zu schreiben. Ab sofort gelten neue Regeln für das Waisenhaus von Amador. 1. Die Kinder bekommen drei Mahlzeiten pro Tag, Ein Arzt hat zu überprüfen, ob diese nahrhaft und ausreichend sind. 2. Die Kinder haben keine Arbeit im Waisenhaus selbst mehr zu verrichten. 3. Ein Lehrer wird abgestellt, der dort einen ordentlichen Schulbetrieb versieht. Es muß jemand sein, der Kinder liebt.

Eddie sah die Kinder an. »Wie heißt die Frau, die euch hergebracht hat?«

»Frau Ponce.«

»Danke.« Und er schrieb weiter. 4. Frau Ponce wird ab sofort ihres Postens enthoben, eine neue Heimleiterin wird eingestellt. Und er unterschrieb: Colonel Ramon Bolivar.

Dann blickte er wieder die Kinder an. »Ihr sollt alles hören.«

Er las ihnen laut vor, was er geschrieben hatte. Die Kinder waren zuerst ganz stumm und starr vor Verwunderung. Dann brachen sie in lauten Jubel aus und umarmten und küßten ihn.

»Langsam, langsam«, lachte Eddie. »Von jetzt an wird alles gut. So wie bisher wird es euch nie mehr gehen.«

Die Kinder quittierten dies wieder mit lautem Jubel.

Eddie befahclass="underline" »Frau Ponce soll wieder hereinkommen.«

Als diese eintrat und das laute Geschrei der Kinder hörte, schrie sie: »Sofort seid ihr still! Alle!«

Eddie stand auf. »Sie sind still, Senora! Sie sind entlassen!«

Er überreichte ihr die Verfügung, die er geschrieben hatte. Sie las.

»Es hat sofort ausgeführt zu werden«, erklärte Eddie.

Jetzt war es an der Frau, vor Angst zu zittern. »Jawohl, Colonel, wie Sie befehlen. Es tut mir leid. Ich habe nur meine Anweisungen ausgeführt.«

»Die haben sich ab sofort geändert. Und jetzt fort!«

»Jawohl, Colonel.« Sie sagte zu den Kindern: »Nun kommt alle, Kinder, bitte.« Aber das war nicht mehr ihr strenges Schreien. Senora Ponce war eine gebrochene Frau.

Eddie sah den Kindern nach, wie sie sich entfernten, und dachte: Colonel Bolivar wird sehr zufrieden sein, wenn er erfährt, was ich getan habe.

Capitan Torres war zu Besuch bei Colonel Bolivar im Krankenhaus. Der Diktator war dort natürlich unter einem anderen Namen registriert, und man hatte ihn hineingeschmuggelt, so daß niemand wußte, daß er überhaupt da war.

Der Colonel war nervös. Es war nicht so sehr die bevorstehende Operation, die ihn beunruhigte, als vielmehr die Angst, daß diese bekannt und dann ein Umsturz versucht werden würde.

»Wie macht sich der Schauspieler?« fragte er.

Capitan Torres lächelte. »Sie haben nichts zu befürchten, Colonel. Er ist vollkommen harmlos. Er sieht aus wie Sie. Er geht wie Sie. Er spricht wie Sie. Ich habe heute morgen noch mit dem Palastpersonal gesprochen. Nicht einer hat auch nur den leisesten Verdacht.«