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«Ich vermute, Sie haben bereits erraten, Miss Waynflete, dass der Zweck meines Hierseins nicht nur der ist, ein Buch über die hiesigen Gebräuche zu schreiben?»

Miss Waynflete neigte den Kopf und hörte weiter zu.

Luke hatte vorläufig nicht die Absicht, ihr alles zu sagen. Miss Waynflete mochte diskret sein, aber ob man sich darauf verlassen konnte, dass sie der Versuchung widerstehen würde, ein paar guten Freundinnen eine aufregende Geschichte anzuvertrauen, musste zumindest bezweifelt werden. Deshalb hatte er beschlossen, einen Mittelweg einzuschlagen.

«Ich bin hier, um mich über die Umstände zu erkundigen, unter denen der Tod jenes armen Mädchens Amy Gibbs erfolgte.»

Miss Waynflete fragte:

«Heißt das, Sie sind von der Polizei geschickt?»

«O nein – ich bin kein Detektiv in Zivil.» Er fügte mit leichter Ironie hinzu: «Ich fürchte, ich bin der in Romanen so häufig auftretende ‹Detektiv aus Leidenschaft›.»

«Ah, da war es also Bridget Conway, die Sie hierher gebracht hat?»

Luke zögerte einen Augenblick, dann beschloss er, es dabei zu lassen. Ohne die ganze Pinkerton-Geschichte zu erzählen, war es schwer, seine Anwesenheit sonst zu begründen.

Miss Waynflete fuhr indessen fort, warme Bewunderung in der Stimme.

«Bridget ist so praktisch – so tüchtig! Ich fürchte, ich allein hätte meinem Urteil vielleicht misstraut – ich meine, wenn man seiner Sache nicht sicher ist, ist es schwer, sich zu einem entschiedenen Vorgehen zu entschließen.»

«Aber jetzt sind Sie sich sicher, nicht?»

Miss Waynflete sagte ernst:

«Nein, wirklich nicht, Mr Fitzwilliam. Es ist keine Sache, bei der man sicher sein kann! Ich meine, es könnte alles Einbildung sein. Wenn man allein lebt und niemanden hat, mit dem man sich beraten oder besprechen kann, wird man leicht melodramatisch und mag sich Dinge einbilden, die nicht auf Tatsachen gründen.»

Luke stimmte ihr bei, fügte jedoch sanft hinzu:

«Aber in Ihrem Innern sind Sie überzeugt?»

Selbst da zeigte Miss Waynflete noch ein gewisses Widerstreben.

«Wir reden nicht aneinander vorbei, hoffe ich?» fragte sie zögernd.

Luke lächelte.

«Sie wollen, dass ich es geradeheraus sage? Schön, Sie glauben doch, dass Amy Gibbs ermordet wurde?»

Honoria Waynflete zuckte ein wenig zusammen angesichts dieser unverblümten Worte.

«Ich habe ein ganz ungutes Gefühl im Hinblick auf ihren Tod. Die ganze Sache ist meiner Meinung nach durchaus unbefriedigend.»

Luke sagte geduldig:

«Sie glauben, dass ihr Tod kein natürlicher war?»

«Ja, so ist es.»

«Sie glauben auch nicht, dass es ein unglücklicher Zufall war?»

«Das erscheint mir äußerst unwahrscheinlich. Es gibt so viele – »

Luke unterbrach sie.

«Sie glauben nicht, dass es Selbstmord war?»

«Entschieden nicht.»

«Dann», sagte Luke sanft, «glauben Sie also doch, dass es ein Mord war?»

Miss Waynflete zögerte, schluckte und brachte schließlich heraus:

«Ja. Das glaube ich!»

«Gut. Dann können wir weitermachen.»

«Aber ich habe wirklich keine Beweise, auf die ich meine Überzeugung gründen könnte», erklärte Miss Waynflete ängstlich. «Es ist nur eine Idee!»

«Ganz recht. Dies ist eine private Unterhaltung; wir sprechen nur aus, was wir denken und was für einen Verdacht wir haben. Wir haben den Verdacht, dass Amy Gibbs ermordet wurde. Wer, denken wir, hat sie ermordet?»

Miss Waynflete schüttelte den Köpf. Sie sah sehr bekümmert aus.

Luke, der sie beobachtete, fragte:

«Wer hatte Grund, sie umzubringen?»

Miss Waynflete erwiderte langsam:

«Sie hatte mit ihrem jungen Mann von der Garage, Jim Harvey, Streit gehabt, glaube ich – er ist ein sehr solider, netter junger Mensch. Ich weiß, man liest oft in der Zeitung von jungen Männern, die über ihre Mädchen herfallen und ähnliche grässliche Sachen, aber ich kann wirklich nicht glauben, dass Jim so etwas tun würde.»

Luke nickte.

Miss Waynflete fuhr fort:

«Außerdem kann ich nicht glauben, er würde es auf diese Art tun; zum Fenster hinaufklettern und eine Flasche Gift statt des Hustensaftes hinstellen. Ich meine, das passt nicht…» Luke kam ihr zu Hilfe, als sie zögerte.

«Es ist nicht die Tat eines wütenden Liebhabers. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich denke, wir können Jim Harvey ganz streichen. Amy wurde von jemandem umgebracht (darin stimmen wir ja überein, dass sie umgebracht wurde!, der sie aus dem Weg haben wollte, der das Verbrechen sorgfältig so geplant hat, dass es wie ein Unglücksfall aussah –, wer könnte das sein?»

«Nein – wirklich – nein, ich habe nicht die leiseste Ahnung!»

«Sicher nicht?»

«N-nein – nein, wirklich nicht.»

Luke sah sie nachdenklich an. Die Verneinung, spürte er, hatte nicht ganz aufrichtig geklungen.

«Sie wissen keinen Grund?»

«Absolut keinen Grund.»

Das klang überzeugter.

«Hatte sie viele Stellen in Wychwood gehabt?»

«Sie war ein Jahr lang bei den Hortons, bevor sie zu Lord Whitfield ging.»

Luke fasste nun zusammen.

«Die Sache steht also so: Jemand wollte dieses Mädchen aus dem Weg haben. Aus den gegebenen Tatsachen folgern wir, dass es – erstens – ein Mann war, und zwar ein Mann von etwas altmodischer Anschauungsweise (wie die Hutfarbe zeigt), und zweitens, dass es ein ziemlich kräftiger Mann gewesen sein muss, da klar ist, dass er über das Nebengebäude zum Fenster des Mädchens geklettert sein muss. Stimmen Sie mir in diesen Punkten zu?»

«Vollkommen», sagte Miss Waynflete.

«Haben Sie etwas dagegen, wenn ich es mal selbst versuche?»

«Nicht das Mindeste. Ich finde, das ist eine sehr gute Idee.» Sie führte ihn zu einer Seitentür hinaus und in den hinteren Hof. Luke gelang es, das Dach des Nebengebäudes ohne viel Mühe zu erreichen. Von dort konnte er leicht das Fenster des Mädchens raufschieben und sich ohne größere Anstrengung ins Zimmer schwingen. Ein paar Minuten später war er wieder unten bei Miss Waynflete und wischte sich die Hände an seinem Taschentuch ab.

«Es ist tatsächlich leichter, als es aussieht», sagte er. «Man braucht nur wenig Muskelkraft dazu. Es waren keine Spuren auf dem Fenstersims oder draußen?»

Miss Waynflete schüttelte den Kopf.

«Ich glaube nicht. Aber natürlich ist der Polizist hinaufgeklettert.»

«So dass etwaige Spuren für die seinen gehalten worden wären! Die Polizei dein Freund und Helfer!»

Miss Waynflete ging voraus ins Haus zurück.

«Hatte Amy Gibbs einen festen Schlaf?»

Miss Waynflete erwiderte säuerlich:

«Es war außerordentlich schwer, sie früh zum Aufstehen zu bewegen. Oft pochte ich immer wieder an ihre Tür und rief ihren Namen, ehe sie antwortete. Aber Sie kennen das Sprichwort, Mr Fitzwilliam, niemand ist so taub, wie der, der nicht hören will!»

«Wie wahr», bestätigte Luke. «Und nun, Miss Waynflete, kommen wir zur Frage des Motivs. Wenn wir mit dem Augenscheinlichsten beginnen: Glauben Sie, dass etwas zwischen diesem Ellsworthy und dem Mädchen war?» Er fügte hastig hinzu: «Ich frage Sie nur nach Ihrer Meinung.»

«Wenn es nur Meinungssache ist, würde ich sagen ja.»

Luke nickte.

«Würde – Ihrer Ansicht nach – das Mädchen vor einer kleinen Erpressung zurückgeschreckt sein?»

«Vermutlich nicht.»

«Wissen Sie vielleicht zufällig, ob sie zur Zeit ihres Todes viel Geld hatte?»

Miss Waynflete überlegte.

«Ich glaube nicht. Wenn sie einen außergewöhnlichen Betrag gehabt hätte, wäre mir das gewiss nicht verborgen geblieben.»