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Luke sah sie neugierig an. Er war überzeugt, dass sie an jemand Bestimmten dachte, und obwohl Lord Whitfield in mancher Beziehung außerordentlich kindisch war, glaubte er nicht, dass er es war. Lord Whitfield war ein wenig lächerlich, erschreckend war er aber sicher nicht.

Luke Fitzwilliam zerbrach sich den Kopf, an wen Bridget wohl gedacht haben mochte. 

5

Mr Wake murmelte noch ein paar Namen vor sich hin. «Wollen mal sehen – die arme Mrs Rose und der alte Bell, und das Kind von den Elkins, dann Harry Carter – sie gehören nicht alle zu meiner Gemeinde, wissen Sie. Mrs Rose und Carter waren Dissenter. Dann hat die Kälte im März den armen alten Ben Stanbury hinweggerafft – zweiundneunzig war er alt.»

«Amy Gibbs starb im April», sagte Bridget.

«Ja, armes Mädchen, ein schlimmer Missgriff war das!»

Luke schaute auf und sah, dass Bridget ihn beobachtete; sie senkte rasch die Augen. Er dachte etwas ärgerlich:

Da ist etwas, was ich noch herausbekommen muss, etwas, das diese Amy Gibbs betrifft.

Als sie sich dem Pfarrer empfohlen hatten und wieder draußen waren, sagte Luke:

«Wer und was war eigentlich Amy Gibbs?»

Bridget antwortete nicht gleich. Dann sagte sie, und Luke merkte den leichten Zwang in ihrer Stimme:

«Amy war eines der unfähigsten Hausmädchen, die ich je gekannt habe.»

«Wurde sie deshalb entlassen?»

«Nein. Sie blieb länger aus, als erlaubt – mit einem jungen Mann. Gordon hat sehr moralische und altmodische Ansichten. Seiner Ansicht nach findet Sünde nicht vor elf Uhr abends statt, aber dann hat sie freie Bahn. Also kündigte er dem Mädchen, und es wurde frech!»

Luke fragte:

«Ein hübsches Mädchen?»

«Sehr hübsch.»

«Das ist die, die irrtümlich Hutfärbemittel statt Hustensaft einnahm?»

«Ja.»

«Eine Dummheit, so etwas zu tun, nicht?» meinte Luke.

«Sehr dumm.»

«War sie dumm?»

«Nein, sie war ein recht intelligentes Mädel.»

Luke warf einen verstohlenen Blick auf Bridget. Sie war ihm ein Rätsel. Sie antwortete in ruhigem Ton, ohne besonderen Nachdruck, ja fast desinteressiert. Aber hinter dem, was sie sagte, lag etwas, davon war er überzeugt, was sie nicht in Worte fasste.

In dem Augenblick blieb Bridget stehen, um mit einem hochgewachsenen Herrn zu sprechen, der seinen Hut zog und sie mit munterer Herzlichkeit begrüßte.

Nach ein paar Worten stellte sie Luke vor.

«Dies ist mein Vetter, Mr Fitzwilliam, der zur Zeit bei uns wohnt. Er ist hergekommen, um ein Buch zu schreiben. Mr Abbot.»

Luke betrachtete Mr Abbot mit Interesse – es war der Rechtsanwalt, der Tommy Pierce beschäftigt hatte.

Mr Abbot entsprach nicht dem Klischee des Rechtsanwalts, er war weder mager noch hager, noch schmallippig. Er war ein großer Mann mit einer herzlichen, jovial-überschwänglichen Art. Kleine Falten nisteten in seinen Augenwinkeln, und die Augen selbst sahen schärfer, als man beim ersten flüchtigen Blick vermutete.

«Ein Buch schreiben Sie, wie? Roman?»

«Über Volkssagen», sagte Bridget.

«Da sind Sie ja am richtigen Ort», nickte der Anwalt. «Höchst interessante Gegend hier.»

«Das hat man mir schon zu verstehen gegeben», sagte Luke. «Ich denke, auch Sie könnten mir da vielleicht ein wenig helfen, Ihnen müssen doch öfter merkwürdige alte Urkunden unterkommen – oder interessante alte Bräuche.»

«Nun, ich weiß nicht recht – mag sein – mag sein…»

«Gibt es hier viel Gespensterglauben?» fragte Luke.

«Das kann ich wirklich nicht sagen…»

«Keine Häuser, in denen es spukt?»

«Nein – ich weiß nichts von Derartigem.»

«Da gibt es doch den Kinderaberglauben», sagte Luke. «Wenn ein männliches Kind stirbt – eines gewaltsamen Todes –, so geht es angeblich um. Ein Mädchen nicht – sehr interessant ist das.»

«Sehr», bestätigte Mr Abbot. «Das habe ich noch nie gehört.» Da Luke es eben erst erfunden hatte, war das kaum überraschend.

«Da war ein Junge hier – Tommy Sowieso –, hat auch mal in Ihrer Kanzlei gearbeitet. Ich habe Gründe anzunehmen, dass man glaubt, er geht um.»

Mr Abbots rotes Gesicht färbte sich noch lebhafter. «Tommy Pierce? Ein nichtsnutziger, schnüffelnder, naseweiser Schlingel.»

«Geister scheinen immer boshaft zu sein. Brave, gehorsame Bürger belästigen kaum diese Welt, wenn sie sie einmal verlassen haben.»

«Wer hat ihn gesehen – was ist das für eine Geschichte?»

«Diese Dinge sind schwer festzustellen», sagte Luke. «Die Leute reden nicht offen heraus, es liegt sozusagen in der Luft.»

«Ja – ja, vermutlich.»

Luke wechselte geschickt das Thema.

«Der Richtige, an den man sich da wenden muss, ist der Arzt im Ort. Der hört bei den armen Leuten, die er behandelt, eine Menge. Alle Arten von Aberglauben und Zauber – Liebestränke und so was.»

«Da müssen Sie sich an Dr. Thomas wenden. Guter Kerl, Thomas, durchaus moderner Mensch. Nicht wie der arme, alte Humbleby.»

«Der war ein wenig reaktionär, nicht?»

«Furchtbar dickköpfig – klammerte sich an seine alten Ideen.»

«Sie hatten einen richtigen Krach mit ihm wegen der Wasserversorgung, nicht?» fragte Bridget.

Wieder breitete sich eine dunkle Röte über Abbots Gesicht. «Humbleby stand dem Fortschritt glatt entgegen», sagte er scharf. «Er sträubte sich gegen den Plan; wurde auch ziemlich grob, war nicht wählerisch in seinen Ausdrücken. Ich hätte ihn direkt verklagen können wegen der Dinge, die er mir sagte.»

Bridget murmelte: «Aber Anwälte bemühen nie das Gericht, was? Dazu sind sie zu klug.»

Abbot lachte unmäßig, sein Ärger verflog ebenso rasch, wie er gekommen war.

«Sehr gut, Miss Bridget! Und Sie haben nicht ganz unrecht. Wir, die dabei sind, wissen zuviel vom Gericht, ha, ha! Doch ich muss nun weiter. Besuchen Sie mich, wenn Sie glauben, ich kann Ihnen irgendwie helfen, Mr – äh – »

«Fitzwilliam», sagte Luke. «Danke, ich werde darauf zurückkommen.»

Als sie weitergingen, sagte Bridget:

«Ihre Methode ist, etwas zu behaupten und zu sehen, was es bewirkt.»

«Meine Methode», sagte Luke, «ist, mich nicht streng an die Wahrheit zu halten, meinen Sie das?»

«Genau.»

Ein wenig beunruhigt, zögerte er, was er als nächstes sagen sollte. Doch da hörte er schon Bridgets Stimme:

«Wenn Sie mehr über Amy Gibbs wissen wollen, kann ich Sie zu jemandem bringen, der Ihnen helfen könnte.»

«Zu wem?»

«Miss Waynflete, Amy arbeitete zuletzt für sie. Dort starb sie auch.»

«Ah – ja? – » Er war ein wenig verblüfft. «Ja, danke schön.»

«Sie wohnt gleich hier.»

Sie gingen über den Dorfplatz. Bridget deutete mit dem Kopf in die Richtung eines großen alten Hauses und sagte: «Das ist Wych Hall, jetzt eine Bibliothek.»

Neben dem großen stand ein kleines Gebäude, das dagegen wie ein Puppenhaus aussah. Seine Stufen waren blendend weiß, der Türklopfer glänzte, und die Gardinen waren schmuck und sauber.

Bridget stieß die Vorgartentür auf und näherte sich den Stufen; da öffnete sich die Haustür, und eine ältliche Dame kam heraus.

Sie entspricht, dachte Luke, vollkommen dem Bild der alten Jungfer vom Lande.

Ihre magere Gestalt steckte in einem Kostüm aus Tweed, zur grauen Seidenbluse trug sie eine einfache Brosche. Ihr Filzhut saß gerade auf dem wohlgeformten Kopf. Sie hatte ein freundliches Gesicht, und die Augen blickten entschieden intelligent durch den Kneifer. Sie erinnerte Luke an eine jener flinken schwarzen Ziegen, die man in Griechenland viel sieht; ihre Augen zeigten denselben leicht fragenden, erstaunten Blick.

«Guten Morgen, Miss Waynflete», sagte Bridget. «Das ist Mr Fitzwilliam.» Luke verbeugte sich. «Er schreibt ein Buch – über Todesfälle und Dorfbräuche und ähnliche Grauslichkeiten.»