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Serena starrte ihn aus großen Augen an. »Soll das heißen, du hast ihn im Stich gelassen?« »Nun reg dich nicht auf!« sagte Ben. »Er ist eine Katze, schon vergessen? Er klettert bestimmt besser und schneller als diese Biester. Außerdem haben sie im Moment eine weitaus bessere Beute. Ich glaube nicht, daß sie sich für einen zähen alten Katzenbraten interessieren. «

»Wir müßten sie irgendwie ablenken«, sagte Trautman. »Aber wie?«

»He!« sagte Ben plötzlich. »Seht doch! Da!« Das letzte Wort hatte er geschrien. Und auch Mike riß ungläubig die Augen auf, als er sah, was plötzlich aus dem Wald heraustrat, nicht einmal weit von der Stelle entfernt, an der die Raptoren erschienen waren. Es war ein Triceratops. Es war keiner der zehn Meter langen Giganten, die sie am vergangenen Abend gesehen hatten, sondern ein viel kleineres Tier, gerade so groß wie ein Kalb, aber trotzdem schon mit der wuchtigen Panzerung und den riesigen Hörnern, die seiner Gattung eigen waren. Es bewegte sich langsam und irgendwie tolpatschig, aber trotzdem sehr zielsicher auf den Baum und die ihn belagernden Raptoren zu. Und hinter dem gewaltigen Knochenschild, der seinen Schädel schützte, hockte eine einäugige schwarze Katze. »Astaroth!« rief Serena laut. »Das ist Astaroth!« Mike blinzelte ein paarmal. Der Anblick war so phantastisch, daß er seinen Augen nicht traute. Aber das Bild blieb -aus dem Wald heraus näherte sich ihnen ein junger Triceratops, der von niemand anders als Astaroth geritten wurde.

»Ist er... verrückt geworden?« keuchte Ben. »Was um alles in der Welt soll das? Sie werden ihn auffressen!« Die Erleichterung, die sich für einen Moment in Mike breitgemacht hatte, schlug in jähes Entsetzen um. Der Anblick des Tieres, das in ganz offenbar freundlicher Absicht herankam, hatte ihn fast vergessen lassen, welche Geschöpfe sie belagerten. Natürlich hatte Ben recht ihnen allen kam dieses Triceratopsbaby mit seinen gewaltigen Hörnern und den zentimeterdicken Panzerplatten wie ein Riese vor, aber für die Schreckensklauen war er wahrscheinlich nicht mehr als ein Appetithappen. Sie würden ihn samt seinem einäugigen Reiter einfach vertilgen und dann zur Tagesordnung übergehen beziehungsweise der Hauptmahlzeit, die über ihnen auf dem Baum hockte.

Die Raptoren schienen wohl genau in diesem Moment zu dem gleichen Schluß gekommen zu sein, denn sie wandten sich plötzlich wie auf ein unhörbares Kommando hin um und näherten sich dem Saurier: Sie bildeten einen weit auseinandergezogenen Halbkreis, der sich auf Astaroth und sein Reittier zubewegte, vermutlich, um sich hinter ihm zu schließen und ihrer Beute so jeden Fluchtweg abzuschneiden. »Astaroth!« schrie Mike aus Leibeskräften. »Lauf weg!« Reg dich nicht auf, antwortete Astaroths Stimme in seinen Gedanken. Mit den paar kleinen Kneifern werden wir schon fertig.

»Er muß den Verstand verloren haben!« sagte Serena. »Sie werden ihn töten!«

»Das ist unsere Chance«, sagte Singh. »Schnell jetzt, solange sie abgelenkt sind!«

»Nein!« antwortete Serena. »Ich gehe nicht weg, ohne Astaroth -«

Singh ergriff sie grob an den Schultern. »Er paßt schon auf sich auf«, unterbrach er sie. »Und selbst wenn nicht willst du, daß sein Opfer umsonst ist?« Serenas Augen füllten sich mit Tränen. »Ich lasse ihn nicht allein«, sagte sie.

Hört auf, euch zu streiten, sagte Astaroth. Und bleibt gefälligst, wo ihr seid.

»Wartet!« sagte Mike. »Er hat irgend etwas vor. « Singh sah ihn fast böse an. »Ja, sich auffressen zu lassen«, sagte er.

Doch das hatte Astaroth ganz und gar nicht vor. Mike blickte gebannt und mit klopfendem Herzen nach unten. Der Kreis der Raubsaurier hatte sich um den jungen Triceratops geschlossen und begann sich nun zusammenzuziehen. Das gehörnte Tier war stehengeblieben und scharrte nervös mit den Vorderläufen. Es mußte die Nähe der Gefahr spüren. Nur noch Augenblicke, und die Raptoren würden gemeinsam über den jungen Saurier und seinen Reiter herfallen.

Plötzlich begann die Erde zu zittern. Ein dumpfes, dröhnendes Stampfen erscholl, und im nächsten Augenblick brach eine ungleich größere Ausgabe von Astaroths Reittier durch das Gebüsch, gefolgt von einer zweiten, dritten und vierten -schließlich war es fast ein Dutzend der gigantischen Saurier, die auf die gewaltsam geschaffene Lichtung herausmarschierten. »Die Alten!« sagte Chris. »Das müssen die Alten sein, die gekommen sind, um nach dem Kleinen zu suchen!« Niemand antwortete, aber Mike wußte, daß Chris recht hatte -was dort auftauchte, das war zweifellos die Mutter des kleinen Sauriers, die zusammen mit einem Teil ihrer Verwandtschaft gekommen war, um nach ihrem Sprößling zu suchen. Und die Tiere erkannten sofort, in welcher Gefahr sich ihr Junges befand. Einer der gepanzerten Riesen stieß einen röhrenden Schrei aus, und die ganze Kolonne verfiel unverzüglich in einen rasenden Galopp. Die mächtigen Schädel mit den tödlichen Hörnern senkten sich, um die Raptoren aufzuspießen.

Die kleinen Raubsaurier bewiesen jedoch, daß Mike sich nicht geirrt hatte, was die Einschätzung ihrerIntelligenz anging. Sie begriffen auf der Stelle, daß sie gegen diese Übermacht unmöglich bestehen konnten, und ergriffen die Flucht. Mit grotesk anmutenden, aber sehr schnellen Sprüngen überquerten sie die Lichtung und verschwanden im Unterholz auf der anderen Seite, noch ehe die heranstürmenden Riesen auch nur die Hälfte der Strecke überwunden und das Jungtier erreicht hatten. Die meisten hielten unverzüglich an und versammelten sich zu einem schützenden Kreis um das Saurierjunge, aber zwei, drei besonders kräftige Tiere setzten ihren Weg noch fort und nahmen schließlich auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung Aufstellung. Ihre mächtigen Köpfe bewegten sich unruhig, die Hörner waren drohend gesenkt, bereit, sich gegen alles zu wenden, was aus dem Wald herauskommen mochte. »Unglaublich!« flüsterte Trautman. »Seht euch das an!

Als ob sie denken könnten! Das ist ein koordiniertes Verhalten! Und wir haben immer gedacht, sie wären nichts als stumpfsinnige Riesen gewesen!« Klar, kommentierte Astaroth. Das ist typisch für euch. Ihr glaubt, daß alles, was größer ist als ihr, auch automatisch dümmer sein muß, wie? Alles, was kleiner ist, übrigens auch.

Die Saurier -allen voran ein besonders großes Exemplar, dessen eines abgebrochene Horn und zahllose Narben und Schrammen auf den Panzerplatten die Vermutung nahelegten, daß es sich um ein besonders altes, kampferprobtes Tier handelte, scharten sich immer enger um das Junge und bildeten so einen lebenden Schutzwall. Aus ihrem drohenden Gebrüll war ein tiefes, beruhigendes Brummen geworden, das seine Wirkung auf das Junge auch nicht verfehlte. Der kleine Saurier hörte auf zu zittern, und schon nach kaum einer Minute begann er wieder fröhlich zwischen den Leibern der alten Tiere herumzutollen. Schließlich kehrte auch der Rest der Gruppe vom anderen Ende der Lichtung zurück, und nur wenige Minuten, nachdem sie gekommen waren, wandte sich die kleine Herde wieder um und trottete davon. Wenige Augenblicke später kletterte Astaroth zu ihnen herauf, setzte sich neben Serena auf den Ast und begann sich nach Katzenmanier zu putzen, als wäre überhaupt nichts geschehen. »Das war wirklich Rettung in letzter Minute«, sagte Juan erleichtert. Er streckte die Hand aus und streichelte Astaroth flüchtig über den Kopf, zog den Arm aber rasch wieder zurück, als der Kater ihm einen ärgerlichen Blick zuwarf. Astaroth mochte es nicht, wie ein Schmusetier behandelt zu werden. »Stimmt«, fügte Ben hinzu. »Ich dachte schon, es wäre um uns geschehen. Du hättest wirklich keine Sekunde später kommen dürfen. « Wunderbar, maulte Astaroth. Da rette ich euch den