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Es dauerte nicht lange, und die drei stritten sich wegen des Vertriebsweges. Achmed hatte den Abstieg ein zweites Mal gewagt und den Mumien wahllos Schmuckstücke abgerissen.

Was er von diesem ersten Beutezug aus der Tiefe mitbrachte, erschien Mohammed so phantastisch, daß er zu bedenken gab, ob die lokalen Antiquitätenhehler von Luxor überhaupt genug Geld hätten, eines dieser Stücke zu bezahlen. Es sei schließlich unsinnig, die kostbaren Schmuckstücke für ein paar Pfunde zu verschleudern. Das leuchtete ein. Nur wenige machten sich Gedanken, auf welche Weise die Ayats zu einer der reichsten Familien von Luxor aufsteigen konnten, warum der jüngere Sohn in einem vornehmen englischen Internat erzogen wurde, wer die Feste finanzierte, bei denen seine Villa am westlichen Nilufer, nahe dem Totentempel Ramses' II., in einen Palast aus Tausendundeiner Nacht verwandelt wurde. Von seinem Beamtengehalt als Aga, was in etwa einem Landrat entsprach, und seinem Salär als Wahlkonsul war dies alles jedoch nicht zu bestreiten. Aber der Aga verfügte über Verbindungen, die andere nicht hatten, und so kam es, daß selbst ehrenwerte honorige Herrschaffen seine Gunst suchten und auf seinen Festen tanzten. Der Mann, der bei solchen Veranstaltungen die Wasserpfeifen reichte, war Mohammed Abd er-Rassul. Er musterte jeden einzelnen Gast: Wer von den Anwesenden könnte sich wohl für Pharaonenschmuck interessieren? Wer war bereit, die wohl teuerste Schmuckkollektion der Welt zu erwerben? Mohammed taxierte sie alle. Einheimische schieden aus. Keiner von ihnen hatte ein Interesse daran, das Geld schon gar nicht. Kaufleute kannte er nicht, er wußte nicht, an wen er geriet. Es war zum Verzweifeln. Da saßen die Abd er-Ras-suls auf dem größten archäologischen Schatz, der je gefunden wurde, sie waren steinreiche Leute; aber ihr Vermögen zu Geld machen, das konnten sie nicht. Tagelang, nächtelang diskutierten die drei Brüder, was zu tun sei. Sie konstruierten komplizierte Vertriebswege, verwarfen sie wieder als zu riskant, schließlich kamen sie zu dem Ergebnis: Es war unumgänglich, den Aga einzuschalten, er hatte Erfahrung im Antiquitätenhandel und Beziehungen.

Der Antiquitätenhehler hielt die Erzählungen der Brüder Abd er-Rassul zunächst für übertrieben. Wenn nur die Hälfte davon wahr wäre, meinte er, hätten sie allesamt ausgesorgt bis an ihr Lebensende. Darauf schickte Mohammed seinen Bruder Achmed zu dem Schacht oberhalb von Der el-Bahari mit dem Auftrag, Beweisstücke zu holen. Achmed verdrängte seine Angst, riß den Mumien Amulette von der Brust, Ringe von den Fingern und nahm auch Papyrusinschriften mit.

Tags darauf gingen Mohammed und Achmed den staubigen Wüstenweg entlang zum Hause des Aga. Jeder trug ein Stoffbündel unter dem Arm, so wie die Fellachen noch heute ihre Habe transportieren. Mustafa Ayat traute seinen Augen nicht, als die beiden ihre Bündel öffneten. »Bei Allah«, rief er, »so etwas habe ich mein ganzes Leben noch nicht gesehen!«

Sorgsam prüfte dann der Aga jedes einzelne Stück, Schmuck, Salbgefäße und einen Papyrus. Dieser erregte sein besonderes Interesse.

»Nun gut«, sagte Mustafa, »wir teilen den Erlös: Vier Fünftel für mich, ein Fünftel für euch.« Und noch ehe einer der beiden Brüder einen Einwand machen konnte, fügte er hinzu: »Das ist immer noch mehr, als ihr überhaupt ausgeben könnt.«

Die Brüder sahen sich ratlos an. Widerspruch war zwecklos. Der Aga kannte ihr Geheimnis, was sollten sie tun? So unverschämt der Teilungsmodus des Aga auch war, er hatte recht, die Funde von Der el-Bahari würden den Abd er-Rassuls Unsummen einbringen, und das Problem bestand eigentlich darin, wie sie den plötzlichen Reichtum vor ihrer Umwelt rechtfertigen wollten? »Was hier vor uns liegt«, sagte der Aga, »dürfte für ein Jahr reichen, solange bleibt der Schatz in der Höhle unangetastet, verstanden?« Das leuchtete ein. Ein ungeschriebenes Gesetz unter Grabräubern.

VIII. Der Suezkanal

Unbeabsichtigt hatte der Suezkanal den Altertumsforschern Schützenhilfe geleistet: Denn während der gigantischen Bauarbeiten, die Millionen verschlangen, fiel der Aufwand, den Mariette betrieb, kaum auf. Gewiß, er war verschwenderisch hoch; aber im Vergleich zu dem Kanal-Unternehmen verschwindend gering.

Am Fuß der großen Pyramide von Giseh warteten Pferde und Kutschen, Esel und Dromedare, buntgezäumt. Das unvergängliche Monument des Cheops warf seinen langen Abendschatten in den graugelben Wüstensand. Da endlich tauchte im Süden die erwartete Reiterschar auf. Der Pulk hetzte, das gewaltige Ziel vor Augen, aufgeregt lärmend durch die Wüste, und die verwegenen Reiter, mit wehenden Bärten, glichen eher einem Stamm wilder Wüstensöhne als einer kaiserlichen Abordnung.

Der erste, der den sanft abfallenden Hügel heraufpreschte und mit einem Klaps auf die Hinterbacken vom Pferd sprang, war Franz Joseph, Kaiser von Österreich, König von Ungarn. Ihm folgte Gyula Graf Andrassy, der ungarische Ministerpräsident, klein und verwegen dreinblickend mit schwarzem Lockenkopf und Spitzbart, und dahinter, mit seinem zweigeteilten Bart ein getreues Ebenbild seines Kaisers, Admiral Wilhelm Tegetthoff. Erst nachdem auch allerlei Gefolge vom Pferd gesprungen war, traf der letzte Reiter ein: Heinrich Brugsch.

»No, da sind 'S ja, Herr Professor!« sagte der Kaiser mit wohlwollendem Schmunzeln, während er seine Barttracht in Ordnung zu bringen versuchte. Brugsch sagte bewundernd: »Kolossal, Majestät, wirklich kolossal Ihre Reitkünste -wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Mir standen, offen gesagt, die Haare zu Berge, wie Majestät mit dem Gaul über die Brunnenschächte setzten.« »Aber gehn 'S«, antwortete der Kaiser, »das ist doch keine Kunst. Der Graf Andrassy, der ist ein guter Reiter! Der ist auf dem Sattel zur Welt gekommen. Ich bin im Umgang mit Pferden nur mittelmäßig.«

Brugsch bat den Kaiser und seine Begleiter zu einem Büffet, das die Köche des Khediven vor der Cheopspyramide aufgebaut hatten. Franz Joseph war als einer der ersten zur bevorstehenden Einweihung des Suezkanals in Ägypten eingetroffen, und Ismail Pascha hatte den hohen Gast im Ge-sira-Palast am westlichen Nilufer in Kairo einquartiert, Ma-riettes Museum gegenüber. Heinrich Brugsch wurde dem Kaiser, der ohne seine sprachkundige Gattin Sissi angereist war, als eine Art gehobener Fremdenführer zugeteilt. Brugsch hatte inzwischen zum drittenmal Anlauf genommen, in Ägypten Fuß zu fassen, diesmal als ägyptischer Beamter, genauer als Direktor einer neugegründeten europäisch-orientalischen Hochschule. Jetzt stand er im Sold des Vizekönigs.

Im Gegensatz zu der Professur in Paris, war an diese Stellung nicht die Aufgabe der preußischen Nationalität geknüpft, im Gegenteil, preußisches Unterrichtswesen durfte auf diese Weise seinen Ruf auch im Orient festigen. Und auch der preußische König ließ Brugsch bereitwillig ziehen. Heinrich Brugsch hatte wieder geheiratet. Antonie hieß die Auserwählte, und sie zeigte mehr Verständnis für das abenteuerliche Leben am Nil. Die Brugschs bewohnten nicht weit entfernt von Mariette einen alten Mamelukkenpalast, dessen Räume den zwölf Studenten als Hörsäle dienten. Wie es sich für einen orientalischen Palast gehörte, hatte der von einer hohen weißen Mauer und einem Park mit fruchttragenden Dattelpalmen, Maulbeerbäumen und Zypressen umgebene Gebäudekomplex auch einen - jetzt unbenutzten - Harem mit vergitterten Fenstern. In einer Ecke des Gartens drehte ein Wasserbüffel von früh bis abend mit verbundenen Augen seine Runden, um das knarrende Wasserrad für die Bewässerung der tropischen Pracht, aber auch des häuslichen Gemüses sicherzustellen, das Antonie mit großer Hingabe aufzog. Brugsch führte zum erstenmal ein sorgloses Leben. Antonie war erstaunlich schnell mit den Fledermäusen und Ratten im Haus und mit Schlangen im Garten fertig geworden, und Emil, der jüngere Bruder, war bei Mariette untergekommen, wobei der Altertümerverwaltung vor allem seine Kenntnisse als Fotograf zu Nutzen kamen. »Ich darf mir die Frage erlauben«, sagte Brugsch an den österreichischen Kaiser gewandt, »wie Ihrer Majestät die Pyramiden gefallen.«