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Denn als Emil Brugsch tags darauf mit Achmed zusammentraf, tauchten aus dem Basar zwei Polizisten auf und nahmen den Fellachen fest. Der gelobte zwar beim Leben seiner drei feisten Frauen, er wisse nichts über die Herkunft der Funde, ein Unbekannter habe sie ihm für wenig Geld angeboten und jedermann in el-Kurna könne seine Ehrlichkeit bezeugen.

Aber obwohl ihm nichts nachgewiesen werden konnte, wurde Achmed Abd er-Rassul in Untersuchungshaft genommen. Brugsch stellte inzwischen in dem Grabräuberdorf el-Kurna Nachforschungen an. Doch eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus: Alle Befragten stellten Achmed das beste Leumundszeugnis aus, er sei ein redlicher, gottesfürchti-ger Mann und vor allem ehrlich. Brugschs Nachforschungen brachten jedoch einen zweiten Namen ins Spieclass="underline" Mustafa Aga Ayat. Von ihm seien schon des öfteren für sündhaft teures Geld besondere Fundstücke angeboten worden. Natürlich wies der Aga die Anschuldigungen weit von sich. Er, ein ehrenwerter Mann, als Antiquitätenhehler? Da der Konsul diplomatische Immunität genoß, konnte er nicht belangt werden. Und auch Achmed gab sein Geheimnis nicht preis, selbst, als man ihn nach zweimonatiger Haft mit Stockschlägen malträtierte.

Schließlich kam es vor dem Provinzgericht in Kena zu einer Gerichtsverhandlung gegen Achmed er-Rassul aus el-Kurna. Der Richter Daud Pascha, der seine Vernehmungen bisweilen auch in der Badewanne vornahm, bot eine Reihe von Zeugen auf, doch anstatt ihn zu belasten, priesen sie alle die Vorzüge des Beschuldigten. Achmed wurde mangels Beweisen freigesprochen. Brugsch war enttäuscht, doch gab er nicht auf.

Verbissen verfolgte er die Brüder Abd er-Rassul auf Schritt und Tritt, um sie nervös zu machen. Und tatsächlich fühlten sich die drei bald verunsichert. Achmed wagte sich nicht mehr in die Nähe des Pharaonenverstecks. Als die letzten Ersparnisse zur Neige gingen, kam es zum offenen Streit. Achmed forderte, sie müßten durchhalten, schließlich könne die Altertümerverwaltung sie nicht bis an ihr Lebensende beschatten. Mohammed hingegen plädierte dafür, ihr Geheimnis freiwillig preiszugeben, was - wie Richter Daud versprochen hatte - sich strafmildernd auswirken würde.

Tags darauf, es war genau vier Wochen nach dem Ende des Prozesses, kam Soliman Abd er-Rassul zum Richter Daud gerannt: »Mudir, ich gestehe alles!« »Was gestehst du?« fragte der Richter. »Ich war es, und Achmed und Mohammed!« Erst jetzt wurde dem Richter klar, worum es sich bei diesem Geständnis handelte.

Mit viel Geduld versuchte Daud Pascha aus Soliman herauszuholen, was eigentlich geschehen war; denn der sprudelte in seiner Aufregung nur zusammenhanglose Satzfetzen heraus: »Vor zehn Jahren, Achmed . .. ein Grab .. . aber nicht nur eine Königsmumie, gleich drei Dutzend . . . Konsul Mustafa Aga Ayat hat alles verkauft.. . seit zehn Jahren ...« Richter Daud, dessen Unbestechlichkeit in der ganzen Provinz gefürchtet war, schmunzelte bei der Beichte des jungen Soliman - er glaubte wohl nicht so recht an das ganze Ausmaß der Entdeckung. In der Aufregung schien der junge Abd er-Rassul wohl zu übertreiben. Schließlich ließ er Emil Brugsch rufen, der sich noch immer in Luxor aufhielt. Auch Achmed wurde herbeizitiert, und nun legte auch er ein Geständnis ab: Ja, seit genau zehn Jahren sei er, immer wenn das Geld zur Neige ging, in den Schacht eingestiegen, habe Kostbarkeiten nach oben gebracht und dem Aga Ayat zum Verkauf übergeben. Nur der Aga und sie, die drei Brüder, hätten von der Sache gewußt.

Brugsch konnte seine Aufregung kaum verbergen. Gleichzeitig befielen den Museumskonservator aber auch Zweifel. Ein derartiger Fund wäre einmalig. Am 5. Juli 1881, zehn Jahre nach seiner großen Entdek-kung, führte Achmed Abd er-Rassul den kleinen Brugsch hinauf auf die Klippen von Der el-Bahari zu jenem Felsvorsprung, wo ein tiefes Loch im Boden klaffte. Zuerst seilte Achmed sich ab, dann Brugsch. Unten angelangt, entzündete Achmed eine Kerze und kroch in dem niedrigen Gang voraus, Brugsch hinterher. Die Luft war zum Ersticken. Angst befiel den Deutschen. Da, ein plötzliches Rauschen in der bedrückenden Stille. Die Kerze verlosch. Brugsch spürte einen klatschenden Schlag im Gesicht. »Eine Fledermaus, Mister!« flüsterte Achmed und zündete die Kerze wieder an.

Der Gang nahm kein Ende. Brugsch stolperte über Steine und Geröll, das von der Decke gefallen war. Der Schweiß trat ihm aus allen Poren. Auf einmal lösten sich Schemen aus der Dunkelheit. Mumien waren an die Wand gelehnt, dahinter Sarkophage mit geöffnetem Deckel, alles Könige des Neuen Reiches. Ahmose lag da, der Begründer der 18. Dynastie, der erste Amenophis, Thutmosis III., der große Eroberer, Ramses II., der Gewaltige, insgesamt 40 Mumien, die präparierten Leichen der mächtigsten Herrscher des alten Ägypten.

Brugsch wankte, stemmte sich gegen die Felswand, seine Beine knickten ein, nach Luft ringend setzte er sich in den zentimeterdicken Staub, schlug die Hände vor das Gesicht, schüttelte sich, als wolle er einen Alptraum loswerden; es dauerte Minuten, bis er die Beherrschung wiedergefunden hatte. Am ganzen Körper zitternd, machte er sich mit Achmed an den Aufstieg.

Doch Emil Brugsch wäre nicht der kleine Brugsch gewesen, hätte er nicht schnell seine Fassung wiedergewonnen. Schon am nächsten Morgen rückte er mit einer Truppe von 16 Mann an und begann, die Mumien zu bergen. Aus Kairo forderte er ein Schiff an.

Aber nun geschah etwas Unerwartetes: Als der Dampfer mit den toten Königen in Luxor ablegte, begannen am Ufer die Weiber zu kreischen, die Männer schössen mit ihren Gewehren Salut - wie ein Lauffeuer hatte sich die Entdeckung herumgesprochen. Achmed Abd er-Rassul wurde wie ein Held gefeiert, die Grabräuber von el-Kurna hatten einen ungekrönten König.

Achmed Abd er-Rassul wurde nie vor Gericht gestellt. Im Gegenteil, Gaston Maspero machte ihn in Anerkennung für seine Verdienste um die Entdeckung der Mumienhöhle zum Aufseher der Totenstadt. Der Direktor der Altertümerverwaltung dachte, es sei besser, einen solchen Mann in seinen eigenen Diensten zu beschäftigen, und so verdiente Achmed seinen Lebensunterhalt fortan, indem er Grabräubereien im Tal der Könige zu verhindern suchte. Jedenfalls glaubte Maspero dies.

»Sechs Piaster, Sir!« forderte der kleine Eseltreiber im Hafen von Alexandria.

Der feiste maltesische Kaufmann stieg umständlich von dem Grautier, das ihn befördert hatte, kramte m der Tasche nach einem Geldstück, warf dem Jungen eine Fünf-PiasterMünze zu, drehte sich um und wollte gehen. »No, no, Sir!« rannte der Eseltreiber dem Malteser hinterher. »Sechs Piaster!« Er zeigte mit dem Daumen der rechten und mit den Fingern seiner linken Hand: sechs! »Hundesohn!« brüllte der Dicke den Jungen an. »Verschwinde, oder ich werde dir Beine machen.« Der Junge ließ nicht locker, zog seinen Esel hinter sich her und wich nicht von der Seite des Mannes. »Sechs Piaster!« Der dicke Kaufmann ging schneller, der kleine Eseltreiber folgte ihm auf den Fersen. »Sechs Piaster, Sir!« Der Malteser suchte auf der Hafenpromenade dem schreienden Jungen mit dem Esel zu entkommen. Schon wurden einige Passanten aufmerksam. Der Eseltreiber ergriff den Ausländer an einem Zipfel seines Gewandes. Da plötzlich drehte sich der Malteser wütend um, in seiner Rechten blitzte ein Messer. Gebannt starrte der Junge auf die Waffe, der Schreck hinderte ihn, den Mann loszulassen und wegzulaufen. Der Alte stieß zu. Ein kleiner, zaghafter Schrei, und der Eseltreiber sank zu Boden. Aus seiner Seite quoll helles Blut. Im Staub der Straße wurde eine rote Lache sichtbar.