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»Sie gehören zu meinem Beruf. Diebstähle, rückständige Zahlungen, Kaufverträge, Familienstreitigkeiten, Ehebrüche, Gewalttaten, ungerechte Abgaben, Verleumdungen und tausend andere Verstöße, das ist der Alltag, der mich erwartet. Mir fällt es zu, Ermittlungen zu leiten, Aussagen nachzuprüfen, Tatsachen und Hergänge zu erschließen und Urteile zu fällen.«

»Das ist mühselig.«

»Euer Beruf ist es nicht minder. Euch liegt das Heilen am Herzen, mir, daß Recht gesprochen werde; mit unseren Anstrengungen zu haushalten wäre Verrat.«

»Ich verabscheue es, die Umstände auszunutzen, aber …«

»Sprecht, ich bitte Euch.«

»Einer meiner Lieferanten von Heilkräutern ist verschwunden. Er ist ein barscher, doch rechtschaffener und sachkundiger Mann; gemeinsam mit einigen Berufsgenossen haben wir kürzlich Anzeige eingereicht. Vielleicht könntet Ihr die Nachforschungen beschleunigen?«

»Ich werde mich dafür verwenden; wie ist sein Name?«

»Kani.«

»Kani!«

»Kennt Ihr ihn etwa?«

»Er ist vom Verwalter des Anwesens eines gewissen Qadasch mit Gewalt ausgehoben worden. Heute ist er wieder ein freier und unbescholtener Mann.«

»Dank Euch?«

»Ich habe ermittelt und Gericht gehalten.« Sie küßte ihn auf beide Wangen. Paser, der von seinem Wesen her kein Träumer war, glaubte sich in eines jener den Gerechten vorbehaltenen Gefilde der Glückseligkeit versetzt. »Qadasch … der allseits bekannte Zahnheilkundler.«

»Er selbst.«

»Er war ein guter Praktiker, so sagt man, doch er hätte seit langem in den Ruhestand treten sollen.« Die grüne Äffin gähnte und sank auf Neferets Schulter zusammen.

»Ich muß aufbrechen; es hat mich sehr gefreut, mit Euch zu plaudern. Ohne Zweifel werden wir Gelegenheit haben, uns wiederzusehen; ich danke Euch von ganzem Herzen, Kani gerettet zu haben.«

Sie ging nicht, sie tanzte; ihr Schritt war leicht, ihre Erscheinung strahlend.

Paser verharrte lange unter der Purpurweide, um sich die kleinste ihrer Gesten, den zartesten ihrer Blicke, die Farbe ihrer Stimme einzuprägen.

Brav legte seine rechte Pfote auf den Schoß seines Herrn. »Du hast es begriffen … Ich bin hoffnungslos verliebt.«

7. Kapitel

Kem und sein Pavian waren zur Stelle. »Seid Ihr bereit, mich zum Oberaufseher des Sphinx zu führen?« fragte Paser. »Zu Befehl.«

»Dieser Ton gefällt mir besser als der andere; verdeckter Spott ist weniger beißend als Streitsucht.« Der Nubier wurde von des Richters Bemerkung empfindlich getroffen.

»Ich habe nicht die Absicht, mich vor Euch zu beugen.«

»Seid ein guter Ordnungshüter, und wir werden miteinander auskommen.«

Der Pavian und sein Herr starrten Paser an; in beiden Augenpaaren stand verhaltene Wut. »Gehen wir.«

Zu dieser frühen Stunde belebten sich gerade die Gäßchen; die Hausherrinnen tauschten eifrig Neuigkeiten aus, Wasserträger verteilten das kostbare Naß, Handwerker öffneten ihre kleinen Läden. Dank des Pavians wich die Menge zur Seite. Der Oberaufseher hatte eine Behausung, die der Branirs ähnlich, doch weniger reizvoll war. Auf der Schwelle spielte ein kleines Mädchen mit einer Holzpuppe; als es den großen Affen erblickte, bekam es Angst und lief schreiend ins Haus. Sogleich trat seine Mutter heftig erzürnt heraus. »Weshalb erschreckt Ihr dieses Kind? Haltet Euer Ungeheuer fern.«

»Seid Ihr die Gattin des Oberaufsehers des Sphinx?«

»Mit welchem Recht fragt Ihr mich danach?«

»Ich bin Richter Paser.«

Die Ernsthaftigkeit des jungen Gerichtsbeamten und das Gebaren des Pavians veranlaßten die sorgende Mutter, sich zu besänftigen. »Er wohnt nicht mehr hier; mein Gatte ist ebenfalls ein Altgedienter. Das Heer hat ihm diese Unterkunft zugeteilt.«

»Wißt Ihr, wohin er gezogen ist?«

»Seine Frau schien verdrossen; sie hat mir von einem Haus in der südlichen Vorstadt erzählt, als ich ihr damals bei ihrem Umzug kurz begegnet bin.«

»Nichts Genaueres?«

»Weshalb sollte ich lügen?« Der Pavian riß an seiner Leine; das wohlbeleibte Weib wich zurück, stieß sich an der Wand. »Wahrhaftig nichts?«

»Nein, ich schwöre Euch, nein!«

Da er genötigt war, seine Tochter zur Schule des Tanzes zu bringen, hatte der Gerichtsdiener Iarrot die Erlaubnis erhalten, die Amtsstube in der Mitte der zweiten Tageshälfte zu verlassen, wobei er jedoch hatte versprechen müssen, daß er die Rechenschaftsberichte der vom Richter bearbeiteten Fälle beim Verwaltungssitz des Gaus niederlegen würde. In wenigen Tagen hatte Paser mehr strittige Angelegenheiten bereinigt als sein Vorgänger in sechs Monaten. Als die Sonne sich neigte, zündete Paser mehrere Lampen an; er versuchte, sich schnellstmöglich eines Dutzends Streitfälle mit dem Schatzamt zu entledigen, die er alle zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden hatte. Alle, bis auf einen, der einen Warenbeförderer namens Denes betraf. Der Oberste Richter des Gaus hatte, von eigener Hand, eine Anmerkung unter den Vorgang gesetzt: »Folgenlos zu schließen.«

Von Esel und Hund begleitet, wollte Paser seinem Meister einen Besuch abstatten; ihn zu Rate zu ziehen, hatte er seit seiner Einsetzung nicht die Zeit gefunden. Auf dem Weg sann er über das sonderbare Geschick des Oberaufsehers nach, der zu seiner ruhmvollen Stellung auch noch seine Dienstunterkunft verloren hatte. Was verbarg sich hinter dieser Folge von Verdrießlichkeiten? Der Richter hatte Kem gebeten, die Spur des Altgedienten aufzufinden. Solange er ihn nicht befragt hatte, wollte Paser der Versetzung nicht zustimmen.

Zum wiederholten Male kratzte Brav sich sein rechtes Auge mit der linken Pfote; als er es untersuchte, stellte Paser eine Reizung fest. Der alte Arzt würde es zu behandeln wissen.

Das Haus war hell erleuchtet; Branir las gerne bei Nacht, wenn die Geräusche der Stadt verstummt waren. Paser drückte die Eingangstür auf, stieg, von seinem Hund gefolgt, in die Vorkammer hinab und hielt verdutzt inne. Branir war nicht allein. Er unterhielt sich mit einer Frau, deren Stimme der Richter sogleich erkannte. Sie, hier! »Tritt ein, Paser!«

In fieberhafter Eile kam der Richter der Aufforderung nach – und hatte nur noch Augen für Neferet, die im Schneidersitz vor dem alten Heiler saß und zwischen Daumen und Zeigefinger einen Leinenfaden hielt, an dem ein kleines, rautenförmig geschnittenes Stück Granit[24] baumelte. »Neferet, meine beste Schülerin; Richter Paser. Da ich euch nun einander vorgestellt habe, wirst du sicher etwas frisches Bier annehmen?«

»Eure beste Schülerin …«

»Wir sind uns bereits begegnet«, sagte sie belustigt. Paser dankte seinem Glück; sie wiederzusehen, berührte ihn zutiefst.

»Bevor sie ihre Kunst wird ausüben können, wird Neferet sich bald der allerletzten Prüfung unterziehen«, erinnerte Branir, »und deshalb wiederholen wir die Übungen des Auspendelns, die ihr auferlegt werden, um ihr zu helfen, ihren Befund zu stellen. Ich bin überzeugt, daß sie eine ausgezeichnete Ärztin wird, da sie zuzuhören versteht. Wer zuzuhören versteht, wird richtig handeln. Zuhören ist besser als alles, es gibt keinen größeren Schatz. Allein das Herz gewährt uns diese Gabe.«

»Ist nicht die Kenntnis des Herzens das Geheimwissen des Heilkundigen?« fragte Neferet. »Es ist das, was dir offenbart werden wird, wenn du als seiner würdig befunden bist.«

»Ich würde mich gerne ausruhen.«

»Das mußt du auch.«

Brav kratzte sich am Auge; Neferet bemerkte sein Treiben.

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24

Ein Pendel. Ebenso weiß man von Wünschelruten und daß gewisse Pharaonen, wie Sethos I., wahrscheinlich große Radiästhesisten waren und die Fähigkeit besaßen, in der Wüste Wasser zu finden.