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»Töter ist vereidigt; seine Nahrung wird von der Obrigkeit gestellt, und wir müssen über sein Einschreiten Rechenschaft ablegen.«

»Die Wirklichkeit entspricht den Vorstellungen selten.«

»Zum Glück«, meinte der Nubier. Die Tür widerstand dem großen Affen nicht lange, seine Kraft verblüffte Paser; es war gut, daß Töter auf der Seite des Gesetzes stand. Die beiden kleinen Kammern waren durch die Matten, die die Fenster verhängten, in Dunkelheit getaucht. Gestampfter Lehmboden, eine Wäschetruhe, eine andere für Geschirr, eine Matte zum Sitzen, Gerätschaften zur Körperpflege: ein bescheidenes, doch sauberes Heim.

In einem Winkel des zweiten Raumes kauerte eine kleine, weißhaarige, mit einem langen Obergewand bekleidete Frau am Boden.

»Schlagt mich nicht«, flehte sie, »ich habe nichts gesagt, ich schwöre es Euch.«

»Seid unbesorgt; ich möchte Euch helfen.« Sie ergriff die dargebotene Hand des Richters und erhob sich; plötzlich erfüllte Grauen ihre Augen. »Der Affe! Er wird mich zerfleischen!«

»Nein«, beruhigte sie Paser, »er gehört zu den Ordnungskräften. Seid Ihr die Gattin des Oberaufsehers des Sphinx?«

»Ja …«

Die dünne Stimme war kaum hörbar. Paser bat die Frau, sich auf die Matte niederzusetzen, und nahm ihr gegenüber Platz. »Wo ist Euer Gatte?«

»Er … er ist auf Reisen.«

»Weshalb habt Ihr Eure Dienstunterkunft verlassen?«

»Weil er von seinem Amt zurückgetreten ist.«

»Ich befasse mich mit der Bestätigung der Versetzung«, erklärte Paser. »Die amtlichen Schriftstücke erwähnen seinen Rücktritt nicht.«

»Ich kann mich vielleicht irren …«

»Was ist geschehen?« fragte der Richter behutsam.

»Wißt, daß ich nicht Euer Feind bin; wenn ich Euch nützlich sein kann, werde ich handeln.«

»Wer schickt Euch?«

»Niemand. Ich ermittle aus eigenem Antrieb, um eine Entscheidung billigen zu können, die ich noch nicht verstehe.«

Die Augen der alten Frau wurden naß von Tränen.

»Seid Ihr … aufrichtig?«

»Bei PHARAOS Leben.«

»Mein Mann ist verstorben.«

»Seid Ihr Euch dessen gewiß?«

»Soldaten haben mir versichert, er wäre den Riten gemäß bestattet worden. Sie haben mir befohlen, umzuziehen und mich hier einzurichten. Ich würde ein kleines Ruhegehalt bis zum Ende meiner Tage beziehen, sofern ich schwiege.«

»Was hat man Euch über die Umstände seines Hinscheidens enthüllt?«

»Ein Unfall, so sagten sie.«

»Ich werde die Wahrheit erfahren.«

»Was sollte das nützen?«

»Laßt mich Euch in Sicherheit bringen.«

»Ich bleibe hier und warte auf den Tod. Geht, ich beschwöre Euch.«

Neb-Amun, Oberster Arzt am Hofe Ägyptens, konnte stolz auf sich sein. Obwohl bereits jenseits der Sechzig, war er nach wie vor ein überaus stattlicher Mann; die Schar seiner weiblichen Eroberungen würde weiterhin zunehmen. Mit Titeln und ehrenvollen Auszeichnungen überhäuft, verbrachte er weit mehr Zeit bei Empfängen und Festmahlen als in seinem Sprechzimmer, wo junge, strebsame Ärzte für ihn arbeiteten. Des Leidens anderer Leute überdrüssig, hatte Neb-Amun ein vergnügliches und einträgliches Fachgebiet gewählt: die Chirurgie zum Zwecke der Schönheit. Die feinen Damen wünschten so manchen Makel zu tilgen, um hinreißend zu bleiben und ihre Nebenbuhlerinnen vor Neid erblassen zu lassen; allein Neb-Amun konnte ihnen eine neue Jugend geben und ihre Reize bewahren. Der Oberste Arzt dachte an die herrliche steinerne Pforte, die durch PHARAOS besondere Gunst den Eingang seines Grabes zieren würde; der Herrscher hatte höchstselbst die Türpfeiler dunkelblau bemalt, zum großen Verdruß der Höflinge, die von einem solchen Vorzug träumten. Umschmeichelt, reich und berühmt, behandelte Neb-Amun selbst fremde Fürsten, die sehr hohe Entgelte zu entrichten bereit waren; bevor er ihrem Ansuchen zustimmte, führte er ausgiebige Nachforschungen durch und gewährte seinen Rat nur den von gutartigen und leicht zu heilenden Übeln heimgesuchten Kranken. Ein Mißerfolg hätte sein Ansehen getrübt. Sein persönlicher Schreiber kündigte ihm Neferets Eintreffen an. »Laßt sie herein.«

Die junge Frau brachte Neb-Amun aus der Fassung; hatte sie es doch abgelehnt, seinem Stab anzugehören. Er war beleidigt und würde sich rächen. Sollte sie das Recht erlangen, selbständig tätig zu werden, würde er Sorge tragen, sie aller amtlichen Befugnisse zu entheben, und sie vom Hofe fernhalten. Einige behaupteten, sie besäße einen angeborenen Sinn für die Heilkunde und daß ihre Gabe, mit Pendel und Wünschelrute umzugehen, ihr schnelles und genaues Handeln ermöglichte; daher würde er ihr auch eine letzte Möglichkeit der Bewährung einräumen, bevor er die Feindseligkeiten eröffnen und sie in ein mittelmäßiges Dasein verbannen wollte. Entweder würde sie gehorchen, oder er würde sie vernichten. »Ihr habt mich herbestellt.«

»Ich habe Euch einen Vorschlag zu machen.«

»Ich breche übermorgen nach Sais auf.«

»Ich bin auf dem laufenden, doch Eure Tätigkeit würde nur wenig Zeit in Anspruch nehmen.« Neferet war wahrlich sehr schön; Neb-Amun erträumte sich eine so junge und liebreizende Geliebte, die er in der besten Gesellschaft vorgeführt hätte. Doch ihre natürliche Würde und die Reinheit, die sie ausstrahlte, hinderten ihn daran, ihr einige alberne, für gewöhnlich so wirkungsvolle Artigkeiten zu sagen; sie zu betören wäre ein schwieriges, jedoch außerordentlich erregendes Unterfangen. »Meine Patientin verdient einige Aufmerksamkeit«, fuhr er fort, »eine höhergestellte Dame mit einigem Vermögen, kinderreiche Familie, guter Leumund.«

»Was ist ihr zugestoßen?«

»Ein glückliches Ereignis: Sie heiratet.«

»Sollte dies eine Krankheit sein?«

»Ihr Gemahl hat eine Bedingung geäußert: die Stellen ihres Körpers umzugestalten, die ihm mißfallen. Manche Linien werden leicht zu verändern sein; wir werden hier und da, gemäß den Anweisungen des Gatten, das Fett wegnehmen; die Schenkel schlanker zu machen, die Wangen zu straffen und die Haare zu färben wird ein Kinderspiel sein.« Neb-Amun erwähnte nicht, daß er als Gegenleistung für seinen Eingriff zehn Krüge kostbarer Salb- und Duftöle erhalten hatte: ein Vermögen, das einen Mißerfolg ausschloß.

»Eure Mitarbeit würde mich sehr freuen; Eure Hand ist sehr sicher. Überdies würde ich einen lobenden Bericht verfassen, der Euch nützlich wäre. Willigt Ihr ein, Euch meine Patientin anzuschauen?« Er hatte seinen berückendsten Tonfall gewählt; ohne Neferet Zeit zu einer Antwort zu lassen, ließ er Dame Silkis eintreten. Ängstlich verbarg diese ihr Gesicht. »Ich will nicht, daß man mich ansieht«, sagte sie mit der Stimme eines kleinen, verschüchterten Mädchens. »Ich bin zu häßlich!«

Silkis, deren Leib sorgsam von einem weiten Gewand verhüllt war, besaß recht üppige Formen. »Wie nährt Ihr Euch?« fragte Neferet. »Ich … Darauf gebe ich nicht acht.«

»Mögt Ihr Kuchen?«

»Sehr.«

»Weniger davon zu essen wäre heilsam; dürfte ich Euer Gesicht untersuchen?«

Die Sanftheit Neferets bezwang Silkis’ Widerstreben; sie ließ die Hände sinken. »Ihr scheint sehr jung.«