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»Im Gegenteil«, beruhigte Branir, »du hast uns Zeit gelassen, die Rogenspeise zu beenden. Der Bäcker hat mir soeben frisches Brot gebracht; wir können zu Tisch gehen.«

Neferet hatte eine Lotosblüte ins Haar gesteckt; völlig bezaubert, konnte Paser den Blick nicht von ihr abwenden.

»Dein Erfolg bereitet mir große Freude«, gestand Branir ein. »Da du nun Ärztin bist, schenke ich dir diesen Talisman. Er wird dich schützen, wie er mich geschützt hat; behalte ihn immer bei dir.«

»Aber … und Ihr selbst?«

»In meinem Alter haben die bösen Geister keine Macht mehr über mich.«

Um den Hals der jungen Frau legte er ein feines Goldkettchen, an dem ein prächtiger Türkis hing. »Dieser Stein stammt aus den Gruben der Göttin Hathor, in der Wüste des Ostens; er bewahrt die Jugendlichkeit der Seele und die Freude des Herzens.« Neferet verneigte sich vor ihrem Lehrmeister, die Hände zum Zeichen der Verehrung zusammengelegt. »Ich würde Euch ebenfalls gerne beglückwünschen«, sagte Paser, »doch ich weiß nicht wie …«

»Eure Absicht allein genügt mir«, versicherte sie lächelnd.

»Ich lege gleichwohl Wert darauf, Euch ein bescheidenes Geschenk zu machen.« Paser reichte ihr ein Schmuckband mit farbigen Perlen. Neferet zog ihre rechte Sandale aus, streifte das Geschmeide über ihren nackten Fuß und zierte damit ihre Fessel.

»Dank Euch fühle ich mich nun hübscher.« Diese wenigen Worte flößten dem Richter eine jähe Hoffnung ein; zum erstenmal hatte er den Eindruck, sie bemerkte seine Gegenwart wirklich. Das Festmahl verlief herzlich. Entspannt berichtete Neferet ausführlich von all jenen Punkten ihres schweren Ganges, welche die Geheime Einsetzung nicht betrafen; Branir versicherte ihr, daß sich nichts geändert hatte. Paser aß kaum etwas, verschlang Neferet dafür mit den Augen und trank ihre Worte. In Gesellschaft seines Meisters und der jungen Frau, die er liebte, verlebte er einen Abend des Glücks, den Blitze der Bangigkeit durchzuckten; würde Neferet ihn zurückstoßen?

Während der Richter arbeitete, führte Sethi den Esel und den Hund aus, widmete sich der Besitzerin des Hühnerhofes, stürzte sich in neue, recht vielversprechende Eroberungen und kostete das rege Leben von Memphis aus. Er war rücksichtsvoll und wurde seinem Freund kaum lästig; seit ihrer Begegnung hatte er nicht ein einziges Mal bei ihm genächtigt. Allein in einem Punkt hatte Paser sich unnachgiebig gezeigt; vom Erfolg seiner »Spanferkel-Unternehmung« berauscht, hatte Sethi den Wunsch geäußert, diese zu wiederholen. Der Richter hatte sich dem entschieden widersetzt. Da seine Geliebte sich als großmütig erwies, hatte Sethi nicht weiter darauf beharrt. Der Pavian stand unversehens in der Tür. Beinah so groß wie ein Mann, hatte er den Kopf eines Hundes und die Reißzähne einer großen Raubkatze. Arme, Beine und Bauch waren weiß, wogegen ein rötlich getöntes Fell seine Schultern und seinen Brustkorb bedeckte. Hinter ihm stand Kem der Nubier. »Da seid Ihr ja endlich!«

»Die Nachforschungen waren lang und schwierig. Ist Iarrot ausgegangen?«

»Seine Tochter ist krank. Was habt Ihr aufgelesen?«

»Nichts!«

»Wie das, nichts? Das ist doch unwahrscheinlich!«

Der Nubier betastete seine hölzerne Nase, als wollte er sich vergewissern, daß sie am rechten Platz war.

»Ich habe meine besten Gewährsleute befragt. Nicht ein Hinweis über das Schicksal des Oberaufsehers des Sphinx! Man gab mir zu verstehen, mich an den Vorsteher der Ordnungskräfte zu wenden, so als ob irgendeine höhere Weisung mit allergrößter Strenge befolgt würde.«

»Dann werde ich diesen hohen Mann aufsuchen.«

»Davon rate ich Euch ab; er mag Richter nicht.«

»Ich werde zusehen, mich liebenswert zu zeigen.«

Monthmose, der Vorsteher der Ordnungskräfte, besaß zwei Herrenhäuser: eines in Memphis, wo er die meiste Zeit verbrachte, das andere in Theben. Klein und fett wie er war und mit seinem runden Gesicht flößte er Vertrauen ein; doch die spitze Nase und die näselnde Stimme straften das gutmütige Äußere Lügen. Der Junggeselle Monthmose hatte seit seiner frühesten Jugend einzig und allein seine Laufbahn und Ehren im Blick gehabt; das Glück hatte ihn begünstigt, indem es ihn mit einer Folge gelegener Todesfälle beschenkte. So hatte einst, während er noch mit der Aufsicht der Kanäle betraut gewesen war, sich der Verantwortliche für Ordnung und Sicherheit seines Bezirks bei einem Sturz von der Leiter den Hals gebrochen; ohne besondere Eignung, doch eilfertig bei der Bewerbung, hatte Monthmose die Stelle erhalten. Da er sich bestens darauf verstand, aus der Arbeit seines Vorgängers Nutzen zu ziehen, hatte er sich rasch einen ausgezeichneten Ruf geschaffen. Manch einer hätte sich mit dieser Beförderung zufriedengegeben, doch ihn zerfraß der Ehrgeiz; weshalb nicht nach der Leitung der Ordnungskräfte des Nils trachten? Leider befand sich damals an deren Spitze ein junger und rühriger Mann. Neben ihm hatte Monthmose eine blasse Erscheinung abgegeben. Doch der hinderliche Beamte war schließlich bei einer alltäglichen Maßnahme in den Fluten umgekommen und hatte Monthmose das Feld überlassen, der, von seinen zahlreichen Verbindungen gestützt, also gleich seine Anwartschaft eingereicht hatte. Anstelle von zwar ernsthafteren, doch weniger wendigen Mitbewerbern erwählt, hatte er auch dort seine erfolgreiche Vorgehensweise angewandt: sich die Anstrengungen anderer einzuverleiben und einen persönlichen Vorteil aus diesen zu ziehen. Bereits hochgestellt in der Hierarchie, wäre deren von ihm erträumter Gipfel ihm wahrscheinlich ganz und gar unerreichbar geblieben, da der Vorsteher der Ordnungskräfte, ein Mann im allerbesten Alter von überquellendem Tätigkeitsdrang, nur Erfolge verbucht hatte. Dessen einziges Mißgeschick indes sollte der Unfall eines Streitwagens werden, bei dem er, unter den Rädern zermalmt, zu Tode kam. Monthmose hatte sich sofort trotz allbekannter Widersacher um das Amt bemüht; in besonderem Maße gewandt darin, sich ins rechte Licht zu rücken und seine Dienstjahre geltend zu machen, hatte er endlich den Sieg davongetragen. Jetzt, da er an der Spitze der Pyramide stand, kümmerte sich Monthmose vor allem darum, dort zu verbleiben; deshalb umgab er sich auch mit Mittelmäßigen, die ihn zu verdrängen außerstande waren. Sobald er eine starke Persönlichkeit gewahrte, schob er sie beiseite. Im Dunkeln wirken, die Menschen beeinflussen und lenken, ohne daß sie es merkten, Ränke schmieden, waren seine liebsten Zeitvertreibe. Er prüfte gerade die Ernennungen zu den Ordnungskräften der Wüste, als sein Verwalter ihn vom Besuch des Richters Paser benachrichtigte. Gewöhnlich schickte Monthmose die niederen Gerichtsbeamten zu seinen Untergebenen zurück; dieser jedoch erregte seine Neugierde. Hatte er nicht soeben Denes einen Hieb versetzt, dessen Vermögen ihm doch erlaubte, jeden beliebigen zu bestechen? Der junge Richter würde bald, als Opfer seines Wunschdenkens, zusammenbrechen, doch vielleicht könnte Monthmose sich seine Umtriebe zunutze machen. Daß er die Kühnheit besaß, ihn zu belästigen, bewies hinreichend seine Entschlossenheit. Der Vorsteher der Ordnungskräfte begrüßte Paser in einem Raum seines Herrenhauses, in welchem er seine Ehrenzeichen, Goldpektorale, Halbedelsteine und Würdenstäbe von vergoldetem Holz ausstellte. »Ich danke Euch, mich empfangen zu wollen.«