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Zu seinen Füßen lagen Papyrusfetzen, die armseligen Überbleibsel der zerrissenen Berichte seiner Untergebenen. Nichts.

Kein greifbarer Hinweis, kein offenkundiges Amtsvergehen, nicht die leiseste Unterschlagung: Paser verhielt sich wie ein rechtschaffener, also gefährlicher Richter. Es war nicht Monthmoses Gewohnheit, seine Gegner zu unterschätzen; dieser hier gehörte zu denen, die man fürchten mußte, und würde nicht leicht zu bekämpfen sein. Er würde nichts Entscheidendes in die Wege leiten, bevor nicht eine Frage beantwortet wäre: Wer bediente sich Pasers im geheimen?

14. Kapitel

Der Wind blähte das breite Segel des einmastigen Schiffes, das auf den weiten Wasserflächen des Deltas dahinsegelte. Der Steuermann handhabte das Ruder mit Geschick und nutzte die Strömung aus, während seine Fahrgäste, der Richter Paser, Kem und sein Pavian, sich in der mitten auf dem Gefährt aufgebauten Hütte ausruhten; auf deren Dach lag ihr Gepäck. Am Bug lotete der Schiffsführer die Tiefe mittels einer Stange aus und erteilte der Mannschaft die notwendigen Befehle. Das an Bug und Heck aufgemalte Udjatauge beschützte die Fahrt. Paser trat aus der Hütte und lehnte sich an die Umrandung, um die ihm bisher unbekannte Landschaft zu bewundern. Wie weit war doch das Tal mit seinen zwischen zwei Wüsten eingezwängten Ackerflächen! Hier teilte sich der Fluß in Arme und Kanäle, die Städte, Dörfer, Palmenhaine, Felder und Weingärten bewässerten; Hunderte von Vögeln, Schwalben, Haubentaucher, Seidenreiher, Raben, Lerchen, Sperlinge, Kormorane, Pelikane, Wildgänse, Enten, Kraniche, Störche, zogen durch einen zartblauen, bisweilen leicht bewölkten Himmel. Der Richter hatte den Eindruck, ein von Schilf und Papyrus bestandenes Meer zu schauen; auf den herausragenden Erdhügeln schützten Weiden- und Akazienbaumgruppen eingeschossige Häuschen. Handelte es sich nicht um den Ursumpf, von dem die alten Verfasser sprechen, um die irdische Verkörperung des Meeres, das die Welt umspülte und aus dem, an jedem Morgen, die neue Sonne auftauchte? Nilpferdjäger, die einem Bullen nachstellten, machten dem Schiffer Zeichen, die Fahrtrichtung zu ändern; das verletzte Tier, das soeben wieder untergetaucht war, konnte unversehens an die Oberfläche kommen und ein Wasserfahrzeug, selbst von leidlicher Größe, zum Kentern bringen. Das Ungetüm würde sich grimmig wehren. Der Schiffsführer nahm sich die Warnung zu Herzen; er fuhr auf das »Wasser des Re« [41], das den östlichsten Arm des Nils, nach Nordosten hin, bildete. Nahe Bubastis, der Stadt der durch eine Katze verkörperten Göttin Bastet, bog er in den »Kanal des süßen Wassers«, der durch das Wadi Tumilat zu den Bitterseen führte. Es wehte ein starker Wind; zur Rechten, jenseits eines kleinen Sees, in dem Büffel badeten, tauchte ein Weiler im Schutze von Tamarisken auf. Das Boot legte an; ein Laufsteg wurde ausgeworfen.

Paser, der nicht seefest war, überwand ihn schwankend. Beim Anblick des Pavians entfloh eine Schar Kinder. Ihre Schreie schreckten die Bauern auf, die den Neuankömmlingen mit drohend erhobenen Feldgabeln entgegeneilten.

»Ihr habt nichts zu befürchten; ich bin der Richter Paser, begleitet von Ordnungshütern.« Die Gabeln sanken nieder, und man führte den Amtmann zum Ortsvorsteher, einem mürrischen Greis. »Ich möchte mich gerne mit einem Altgedienten unterhalten, der vor nunmehr einigen Wochen in sein Dorf heimgekehrt ist.«

»In dieser Welt ist Euch das unmöglich.«

»Verstorben?«

»Krieger haben seinen Leichnam hergeschafft. Wir haben ihn auf unserem Friedhof bestattet.«

»Todesursache?«

»Das Alter.«

»Habt Ihr die Leiche untersucht?«

»Sie war einbalsamiert.«

»Was haben Euch diese Krieger gesagt?«

»Sie waren nicht gesprächig.« Eine Mumie auszubetten, wäre ein Frevel gewesen. Paser und seine Gefährten stiegen wieder in das Boot und fuhren zu der Ortschaft, in dem der zweite Altgediente wohnte. »Ihr werdet durch den Sumpf gehen müssen«, erklärte der Schiffsführer. »In diesem Winkel gibt es gefährliche Inselchen. Ich muß dem Ufer fernbleiben.« Der Pavian mochte kein Wasser; Kem sprach lange auf ihn ein und überredete ihn, sich auf einen Weg zu wagen, der sich im Schilf auftat. Unablässig drehte der Affe sich mißtrauisch um und blickte nach rechts und nach links. Den beiden voran schritt der Richter ungeduldig den auf der Kuppe einer Anhöhe zusammengescharten Häuschen entgegen. Kem belauerte die Regungen des Tieres; da es sich seiner Stärke stets sicher war, verhielt es sich für gewöhnlich nicht so. Plötzlich ließ der Pavian einen schrillen Schrei vernehmen, stieß den Richter zur Seite und packte den Schwanz eines kleinen Krokodils, das sich durch das schlammige Wasser schlängelte. In dem Augenblick, da die Echse das Maul aufriß, zog er sie zurück. »Der große Fisch«, wie ihn die Flußanrainer nannten, vermochte durch Überrumpelung an den Pfuhlen trinkende Schafe oder Ziegen zu töten. Das Krokodil wehrte sich heftig; doch es war noch zu jung und nicht groß und kräftig genug, um dem grimmigen Zorn des hundsköpfigen Affen Widerstand zu leisten, der es aus dem Morast riß und mehrere Meter weit fortschleuderte. »Ihr werdet ihm danken«, sagte Paser zu dem Nubier. »Ich will eine Beförderung erwägen.« Der Ortsvorsteher saß auf einem niedrigen Hocker, der aus einer schrägen Sitzfläche und einer rundlichen Rückenlehne bestand; behaglich im Schatten einer Sykomore niedergelassen, genoß er ein reichhaltiges Mahl, bestehend aus Geflügel, Zwiebeln und einem Krug Bier; das alles befand sich in einem Korb mit flachem Boden.

Er lud seine Besucher ein, die Speisen mit ihm zu teilen; der Pavian, dessen Großtat bereits von Mund zu Mund durch die Sümpfe eilte, biß sogleich beherzt in einen Hühnchenschenkel. »Wir suchen einen Altgedienten, der unlängst herzog, um seinen Ruhestand hier zu verbringen.«

»Leider, Richter Paser, haben wir ihn lediglich in Gestalt einer Mumie wiedergesehen! Das Heer hat sich um die Überführung gekümmert und die Bestattungskosten beglichen. Unser Friedhof ist bescheiden, doch die Ewigkeit ist dort nicht minder glückselig als anderswo.«

»Hat man Euch die Gründe seines Hinscheidens genannt?«

»Die Krieger waren nicht sonderlich beredt, aber ich habe weiter gedrängt. Ein Unfall, so munkelte man.«

»Welcher Art?«

»Darüber weiß ich nichts.«

Wieder auf dem Schiff, das ihn nach Memphis zurückbrachte, verhehlte Paser seine Enttäuschung nicht. »Ein vollkommener Mißerfolg: der Oberaufseher verschwunden, zwei seiner Untergebenen verstorben, die beiden anderen wahrscheinlich ebenfalls bereits einbalsamiert.«

»Verzichtet Ihr auf eine weitere Reise?«

»Nein, Kem; ich möchte wissen, woran ich bin.«

»Es würde mich glücklich machen, Theben wiederzusehen.«

»Wie ist Euer Eindruck?«

»Daß der Tod all dieser Männer Euch daran hindert, die Lösung des Rätsels herauszufinden, und daß das ein Glück ist.«

»Wünscht Ihr nicht, die Wahrheit zu erfahren?«

»Wenn sie zu gefährlich ist, ziehe ich es vor, sie nicht zu kennen. Sie hat mich bereits die Nase gekostet; in diesem Fall hier könnte sie Euch das Leben kosten.«

Als Sethi im Morgengrauen heimkehrte, saß Paser längst über der Arbeit, den Hund zu seinen Füßen. »Du hast nicht geschlafen? Ich auch nicht. Aber jetzt brauche ich Ruhe … meine Geflügelhofdame erschöpft mich. Sie ist unersättlich und gierig nach allen Überspanntheiten. Ich habe warme Fladen mitgebracht; der Bäcker hat sie soeben aus der Glut geholt.« Brav wurde als erster versorgt; die beiden Freunde nahmen gemeinsam ihr Morgenmahl ein. Wenngleich er vor Müdigkeit fast umfiel, bemerkte Sethi, daß Paser etwas quälte.

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41

Sog. »bubasto-pelusischer Nilarm«. (Anm. d. Ü.)