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Neb-Amun probierte einige Prunkperücken an, die ihm sein Leibdiener hergerichtet hatte. Keine gefiel ihm. Jede war zu schwer, zu überladen. Es wurde zusehends schwieriger, dem Geschmack der Zeit zu folgen. Von den Gesuchen reicher Damen überhäuft, die ihre Reize zu bewahren wünschten und ihre Körper neu formen lassen wollten, außerdem dazu genötigt, den Verwaltungsräten vorzusitzen und die Anwerber auf seine Nachfolge zu verdrängen, bedauerte er zunehmend die Abwesenheit einer Frau wie Neferet an seiner Seite. Diese Schlappe verdroß ihn ungemein.

Sein persönlicher Schreiber kam herein und verneigte sich.

»Ich habe die Auskünfte erhalten, die Ihr wünschtet.«

»Not und Verzweiflung?«

»Nicht ganz.«

»Hat sie der Heilkunst entsagt?«

»Im Gegenteil.«

»Machst du dich etwa über mich lustig?«

»Neferet hat eine Behandlungsstätte und eine Arzneiwirkstätte gegründet, Eingriffe vorgenommen und das Wohlwollen der Obrigkeiten der Gesundheitsfürsorge von Theben erworben. Ihr Ansehen wächst stetig.«

»Das ist völlig widersinnig! Sie besitzt keinerlei Vermögen. Wie beschafft sie sich die seltenen und kostspieligen Arzneistoffe?« Der persönliche Schreiber lächelte. »Ihr dürftet mit mir zufrieden sein.«

»Rede!«

»Ich habe eine eigenartige Spur zurückverfolgt. Ist der Ruf der Dame Sababu bis an Euer Ohr gelangt?«

»Führte sie nicht ein Haus des Bieres in Memphis?«

»Das berühmteste. Ganz plötzlich hat sie ihr gleichwohl sehr einträgliches Geschäft aufgegeben.«

»Wo ist der Zusammenhang mit Neferet?«

»Sababu ist nicht allein einer ihrer Pflegefälle, sondern auch noch ihre Gönnerin. Sie bietet der thebanischen Kundschaft junge und hübsche Frauen an, zieht Gewinn aus diesem Handel und läßt ihren Schützling daran teilhaben. Wird der Sittlichkeit nicht schmählich Hohn gesprochen?«

»Eine Heilkundige, die von einer Dirne gefördert wird … jetzt habe ich sie!«

31. Kapitel

»Ihr steht in schmeichelhaftem Ruf«, sagte Neb-Amun zu Paser. »Reichtum beeindruckt Euch nicht, Ihr kennt keine Furcht, Euch an Sonderrechte heranzuwagen; kurzum, die Gerechtigkeit ist Euer täglich Brot und die Rechtschaffenheit Euer zweites Ich.«

»Ist das nicht das mindeste für einen Richter?«

»Gewiß, gewiß … und gerade deshalb habe ich Euch gewählt.«

»Soll ich mich geehrt fühlen?«

»Ich baue auf Eure Redlichkeit.« Seit frühester Kindheit hatte Paser Mühe, Schmeichler mit gezwungenem Lächeln und wohlberechnetem Gebaren zu ertragen. Der Oberste Arzt reizte ihn über alle Maßen.

»Ein furchtbares Ärgernis steht kurz davor, an den Tag zu kommen«, murmelte Neb-Amun so leise, daß ihn der Gerichtsschreiber nicht verstand. »Ein unerhörtes Ärgernis, das meinen Berufsstand verderben und Schande über alle Heilkundigen bringen könnte.«

»Werdet deutlicher!« Neb-Amun wandte den Kopf zu Iarrot. Mit des Richters Einvernehmen zog dieser sich zurück.

»Die Anklagen, die Gerichte, die Schwerfälligkeit der Verwaltung … Könnten wir diese unerquicklichen Förmlichkeiten nicht vermeiden?«

Paser blieb still.

»Ihr wünscht, mehr darüber zu erfahren, das ist nur verständlich. Kann ich mit Eurer Verschwiegenheit rechnen?«

Der Richter beherrschte sich.

»Eine meiner Schülerinnen, Neferet, hat Fehler begangen, die ich gebührend bestraft habe. In Theben hätte sie sich in umsichtiger Zurückhaltung üben und sich fachkundigeren Standesbrüdern anheimstellen sollen. Sie hat mich sehr enttäuscht.«

»Neuerliche Verfehlungen?«

»Zusehends bedauerlichere falsche Schritte. Unbeaufsichtigte Tätigkeit, ungeziemliche Verordnungen, eine eigene Arzneiwirkstätte.«

»Ist das ungesetzlich?«

»Nein, doch Neferet verfügte nicht über die Mittel, sich niederzulassen.«

»Die Götter waren ihr gewogen.«

»Nicht die Götter, Richter Paser, sondern eine Frau liederlichen Lebenswandels namens Sababu, die aus Memphis stammende Wirtin eines Hauses des Bieres.«

Angespannt und ernst hoffte Neb-Amun auf ein Zeichen der Entrüstung. Paser wirkte gleichgültig.

»Die Lage ist sehr besorgniserregend«, bekräftigte der Oberste Arzt. »Eines nahen oder fernen Tages wird irgendjemand die Wahrheit entdecken und ehrbare Heilkundige beschmutzen.«

»Euch selbst, beispielsweise?«

»Ganz sicher, da ich doch Neferets Lehrer war! Ich kann eine solch drohende Gefahr nicht länger hinnehmen.«

»Dafür habe ich Verständnis, jedoch erfasse ich nur schwer meine Rolle hierbei.«

»Ein unauffälliges, doch entschiedenes Einschreiten würde diese Verdrießlichkeit beseitigen. Da Sababus Haus des Bieres unter Eure Zuständigkeit fällt, da sie in Theben unter falschem Namen arbeitet, wird es Euch nicht an Anklagepunkten mangeln. Droht Neferet mit äußerst schweren Ahndungen, falls sie an ihren unüberlegten Unternehmungen festhält. Die Warnung wird sie zu einer bäuerlichen Heilkunde nach ihrem Maß zurückbringen. Selbstverständlich erbitte ich keine unentgeltliche Hilfe. Eine Laufbahn ist im Werden; ich verschaffe Euch eine gute Gelegenheit, in der Hierarchie emporzukommen.«

»Dafür bin ich empfänglich.«

»Ich wußte, daß wir uns verstehen würden. Ihr seid jung, klug und ehrgeizig, im Unterschied zu so vielen Eurer Berufsgenossen, die derart kleinlich auf dem Buchstaben des Gesetzes bestehen, daß sie darüber den gesunden Menschenverstand vergessen.«

»Und wenn ich scheitere?«

»Dann werde ich Anzeige gegen Neferet einreichen, Ihr werdet dem Gericht vorsitzen, und wir werden die Geschworenen auswählen. So weit möchte ich allerdings nicht gehen müssen; zeigt Euch überzeugend.«

»Ich werde es nicht an Mühe fehlen lassen.« Entspannt beglückwünschte sich Neb-Amun zu seinem Schritt. Er hatte den Richter doch richtig eingeschätzt.

»Ich bin hocherfreut, an die rechte Tür geklopft zu haben. Unter Leuten von Rang ist es leicht, Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen.«

Theben, die Göttliche, in der ihm das Glück und das Unglück begegnet waren. Theben, die Betörende, in der sich die Pracht der Morgenröten mit dem Zauber der Abende verbündete. Theben, die Unerbittliche, zu der ihn das Schicksal auf der Suche nach einer Wahrheit zurückführte, die wie eine verschreckte Eidechse entfloh. Und dann, auf dem Fährkahn, erblickte er sie.

Sie kehrte vom Ostufer heim, er setzte über, um sich in das Dorf zu begeben, in dem sie ihre Heilkunst ausübte. Entgegen seinen Befürchtungen stieß sie ihn nicht zurück.

»Meine Worte waren nicht leichtfertig. Niemals hätte dieses Wiedersehen stattfinden sollen.«

»Habt Ihr mich ein wenig vergessen?«

»Nicht einen Augenblick.«

»Ihr peinigt Euch.«

»Welche Wichtigkeit hat das für Euch?«

»Euer Leid betrübt mich. Haltet Ihr es für nötig, es noch zu steigern, indem Ihr mir erneut begegnet?«

»Es ist der Richter, der sich an Euch wendet, einzig und allein der Richter.«

»Wessen werde ich beschuldigt?«

»Die Großzügigkeiten einer Dirne anzunehmen. Neb-Amun verlangt, daß sich Eure Tätigkeiten auf das Dorf beschränken und Ihr die ernsten Fälle Euren Berufsgenossen überweist.«