»Findet Ihr etwa Gefallen an den Herrlichkeiten meines Harems?«
»Der Name Bel-ter-an ist Euch nicht vertraut?«
»Nein.«
»Und der eines gewissen Denes?«
»Nicht mehr. Sollte es sich um ein Verhör handeln?«
»Eure Aussage ist unbedingt erforderlich.«
»Diese Leute gehören nicht zu meiner Dienerschaft, soweit ich weiß.«
»Ein von Euch erteilter Auftrag ist an Denes gegangen, den wichtigsten Warenbeförderer von Memphis.«
»Was kümmert es mich! Glaubt Ihr, ich nähme Anteil an diesen Kleinigkeiten?«
»Auf dem Schiff, das hier löschen sollte, war gestohlenes Korn gelagert.«
»Ich fürchte, nicht recht zu verstehen.«
»Das Schiff, das Korn und der Lieferauftrag, der Euer Petschaft trug, sind beschlagnahmt.«
»Bezichtigt Ihr mich etwa des Diebstahls?«
»Ich hätte gerne eine Erklärung.«
»Wer schickt Euch?«
»Niemand.«
»Ihr solltet aus eigenem Antrieb handeln … ich glaube Euch nicht!«
»Da tut Ihr unrecht.«
»Man trachtet erneut danach, mir zu schaden, und diesmal bedient man sich dafür eines kleinen, ahnungslosen und leicht zu lenkenden Richters.«
»Die Beleidigung eines Gerichtsbeamten, gepaart mit Verleumdung, wird mit Stockschlägen bestraft.«
»Ihr seid verrückt! Wißt Ihr eigentlich, mit wem Ihr sprecht?«
»Mit einer Dame hohen Ranges, die dem Gesetz wie die demütigste Bäuerin untersteht. Nun seid Ihr aber in eine betrügerische Unterschlagung von Getreide, das dem Land gehört, verwickelt.«
»Das ist mir völlig einerlei.«
»Verwickelt will nicht schuldig heißen. Und eben deshalb erwarte ich Eure Rechtfertigungen.«
»Dazu werde ich mich nicht herablassen.«
»Wovor habt Ihr Angst, wenn Ihr unschuldig seid?«
»Ihr wagt es, meine Ehrlichkeit in Zweifel zu ziehen!«
»Die Tatsachen zwingen mich dazu.«
»Ihr seid zu weit gegangen, Richter Paser, viel zu weit.«
Zutiefst erzürnt erhob sie sich und ging von dannen.
Einen Zorn fürchtend, dessen Folgen sie erdulden müßten, wichen die Höflinge zur Seite.
Der Oberste Richter von Theben, ein gemessener Mann im besten Alter, der dem Hohenpriester von Karnak nahestand, empfing Paser drei Tage später.
Er nahm sich die Zeit, die Schriftstücke des Vorgangs genau zu prüfen.
»Eure Arbeit ist ganz und gar bemerkenswert, sowohl vom Kern als auch von der Form her.«
»Da dieser Fall außerhalb meiner Gerichtsbarkeit steht, überlasse ich es Eurer Sorge, die Sache weiterzuverfolgen. Sofern Ihr mein Einschreiten für nötig befindet, bin ich bereit, eine Verhandlung einzuberufen.«
»Wie lautet Eure innerste Überzeugung?«
»Der Tatbestand eines Kornschwarzhandels ist bewiesen. Denes scheint keinen Anteil daran zu haben.«
»Und der Vorsteher der Ordnungskräfte?«
»Zweifellos ist er davon unterrichtet, doch in welchem Ausmaß?«
»Die Prinzessin Hattusa?«
»Sie hat sich geweigert, mir die geringste Erklärung zu liefern.«
»Das ist äußerst mißlich.«
»Man kann ihr Siegel nicht außer acht lassen.«
»Gewiß, aber hat sie es auch aufgedrückt?«
»Sie selbst. Es handelt sich dabei um ihr persönliches Petschaft, das sie als Ring trägt. Wie alle Großen des Reiches trennt sie sich niemals davon.«
»Wir wagen uns auf gefährliches Gebiet vor. Hattusa ist in Theben nicht sehr beliebt; sie ist zu hochmütig, zu spöttisch, zu herrisch. Selbst wenn er die allgemeine Ansicht teilt, ist PHARAO indes genötigt, sie zu verteidigen.«
»Für das Volk bestimmte Nahrung zu stehlen ist ein ernstes Vergehen.«
»Das gestehe ich zu, doch ich möchte ein öffentliches Gerichtsverfahren vermeiden, das Ramses schaden könnte. Euren eigenen Bemerkungen zufolge ist die Voruntersuchung noch nicht abgeschlossen.« Pasers Gesicht verschloß sich. »Seid nicht besorgt, werter Standesbruder; in meiner Eigenschaft als Oberster Richter von Theben habe ich nicht die Absicht, Euren Vorgang inmitten eines Stapels verwahrter Schriften zu vergessen. Ich lege einzig und allein Wert darauf, die Anklage zu untermauern, da der Kläger das Land selbst sein wird.«
»Habt Dank für diese Klarstellung. Was die öffentliche Verhandlung angeht …«
»Wäre sie vorzuziehen, ich weiß; doch wollt Ihr zuvorderst die Wahrheit oder den Kopf der Prinzessin Hattusa?«
»Ich hege keine besondere Feindseligkeit gegen sie.«
»Ich werde versuchen, sie zu einer Aussprache zu überreden, und ihr, falls nötig, eine amtliche Vorladung zustellen. Lassen wir sie doch Herrin ihres Geschicks sein, nicht wahr? Falls sie schuldig ist, wird sie sühnen.«
Der hohe Gerichtsbeamte wirkte aufrichtig. »Ist Euch meine Beihilfe unerläßlich?«
»Im Augenblick nicht, zumal Ihr dringend nach Memphis zurückgerufen wurdet.«
»Mein Gerichtsschreiber?«
»Der Älteste der Vorhalle.«
32. Kapitel
Nenophars Zorn wollte nicht verrauchen. Wie hatte ihr Gatte sich nur auf solch törichte Weise betragen können? Wie gewöhnlich schätzte er die Leute falsch ein und hatte geglaubt, Bel-ter-an würde sich ohne Gegenwehr beugen. Das Ergebnis war fürchterlich: eine Gerichtsverhandlung in Aussicht, ein Frachtschiff beschlagnahmt, der Verdacht auf Diebstahl und der hämische Sieg dieses jungen Krokodils. »Deine Leistung ist beachtlich.« Denes bewahrte die Fassung. »Nimm noch etwas gebratene Gans, sie ist köstlich.«
»Du bringst uns in Schande und Not.«
»Beruhige dich, das Schicksal wird sich wenden.«
»Das Schicksal sicher, aber deine Beschränktheit nicht!«
»Ein Schiff ein paar Tage lang festzuhalten, was soll das schon! Die Fracht ist umgeladen worden und wird bald in Theben eintreffen.«
»Und Bel-ter-an?«
»Er wird keine Klage erheben. Wir haben eine Verständigungsgrundlage gefunden. Kein Krieg mehr gegeneinander, sondern eine Zusammenarbeit zum Besten unserer jeweiligen Belange. Er ist nicht Manns genug, unseren Platz einzunehmen; die Lehre war ihm nützlich. Wir werden sogar einen Teil seines Vorrats befördern, zu angemessenem Preis.«
»Und die Anzeige wegen Diebstahls?«
»Nicht zulässig. Schriftstücke und Zeugen werden meine Unschuld beweisen. Obendrein habe ich meine Hand tatsächlich nicht im Spiel. Hattusa hat mich überlistet.«
»Wie steht es um Pasers Klagegründe?«
»Unangenehm, das gestehe ich dir zu.«
»Folglich eine verlorene Verhandlung, unser Ruf beschmutzt und Bußzahlungen!«
»So weit sind wir noch nicht.«
»Glaubst du etwa an Wunder?«
»Wenn man sie einfädelt, warum nicht?«
Silkis hüpfte vor Freude ein paar Schritte. Sie hatte soeben eine Aloe von stattlichen zehn Metern erhalten, die gelbe, gelbrote und rote Blüten krönten. Ihr Saft enthielt ein Öl, mit dem sie ihre Scham einreiben würde, um jeder Entzündung vorzubeugen. Auch würde sie dazu dienen, die Hauterkrankung zu behandeln, welche die Beine ihres Gemahls mit rotem Nesselausschlag übersäte. Darüber hinaus würde Silkis ihm ein Pflaster aus Eiweiß und Akazienblüten auflegen.
Als Bel-ter-an über seine Einbestellung in den Palast in Kenntnis gesetzt worden war, hatte sich sogleich ein Anfall heftigen Juckreizes eingestellt. Dem Leiden trotzend, hatte der Papyrushersteller sich dennoch mit Bangigkeit in die Amtsräume der Verwaltung begeben.
Während sie auf ihn wartete, bereitete Silkis den lindernden Balsam zu.