»Ihr allein?«
»Sethi und ich. Wenn wir scheitern, werden andere uns nachfolgen.«
Panther stützte ihr Kinn schmollend auf ihre Faust. »An Eurer Stelle würde ich mich bestechen lassen.«
»Wenn ein Richter Verrat begeht, dann ist das ein Schritt zum Krieg.«
»Mein Volk liebt den Kampf, Eures nicht.«
»Ist das eine Schwäche?«
Die schwarzen Augen flammten auf.
»Das Leben ist ein Kampf, den ich gewinnen will, auf welche Weise und um welchen Preis auch immer.«
Begeistert leerte Sethi einen halben Krug Bier. Rittlings auf dem Mäuerchen seines Gartens sitzend, kostete er die Strahlen der untergehenden Sonne aus. Neben ihm, im Schneidersitz, streichelte Paser seinen Hund Brav.
»Auftrag ausgeführt! Der Verantwortliche der Kaserne war geschmeichelt, einen Helden des letzten Feldzuges zu empfangen. Außerdem ist er geschwätzig.«
»Und sein Gebiß?«
»In ausgezeichnetem Zustand. Er ist noch nie von Qadasch behandelt worden.« Sethi und Paser stießen darauf an. Sie hatten soeben eine prächtige Lüge aufgedeckt. »Das ist noch nicht alles.«
»Spann mich nicht auf die Folter.« Sethi plusterte sich auf. »Muß ich dich anflehen?«
»Ein Held muß mitunter bescheidene Siege auskosten. Das Lager enthielt Kupfer allererster Güte.«
»Das wußte ich.«
»Was du aber nicht wußtest, ist, daß Scheschi gleich nach deinem Verhör eine Kiste ohne Aufschrift hat fortschaffen lassen. Sie enthielt wohl einen sehr schweren Werkstoff, da vier Mann sie kaum tragen konnten.«
»Soldaten?«
»Die dem Forscher zugestellte Leibwache.«
»Wohin ging die Kiste?«
»Ist nicht bekannt. Ich werde es herausfinden.«
»Was würde Scheschi benötigen, um unzerbrechliche Waffen herzustellen?«
»Der seltenste und unerschwinglichste Werkstoff ist Eisen.«
»Das ist auch meine Auffassung. Falls wir recht haben, dann ist das der Schatz, den Qadasch begehrte! Bestecke zur Zahnbehandlung aus Eisen … Er glaubte, seine Geschicklichkeit dank ihrer wiedererlangen zu können. Jetzt müssen wir nur noch in Erfahrung bringen, wer ihm das Versteck genannt hat.«
»Wie hat sich Scheschi bei eurer Unterredung verhalten?«
»Er bestand vor allem auf Verschwiegenheit. Er hat keine Anzeige erstattet.«
»Eher eigenartig. Er hätte sich über die Verhaftung eines Diebes freuen müssen.«
»Was bedeutet …«
»… daß sie insgeheim Verbündete sind.«
»Dafür haben wir keinen Beweis!«
»Scheschr hat Qadasch das Vorhandensein dieses Eisens enthüllt, und dieser hat einen Teil davon für seinen eigenen Bedarf zu stehlen versucht. Da Qadasch scheiterte, hatte er keine Lust, seinen Mitwisser vor ein Gericht zu bringen, wo er hätte aussagen müssen.«
»Die Wirkstätte, das Eisen, die Waffen … alles lenkt unseren Blick auf das Heer. Aber weshalb hätte der so wortkarge Scheschi ausgerechnet Denes ins Vertrauen gezogen? Und was hat ein Zahnheilkundiger bei einer Verschwörung der Streitkräfte zu schaffen? Aberwitzig!«
»Unsere Darstellung ist vielleicht nicht vollkommen, aber sie birgt einiges an Wahrheit.«
»Wir geraten auf Abwege.«
»Sei nicht so verzagt! Die entscheidende Person, das ist Scheschi. Ich werde ihn Tag und Nacht beobachten, ich werde seine Umgebung befragen, ich werde die Mauer durchdringen, die dieser so geheimnistuerische und zurückgezogene Gelehrte um sich errichtet hat!«
»Wenn ich doch nur etwas tun könnte …«
»Gedulde dich etwas …« Paser hob hoffnungsvoll den Blick. »Welche Lösung bietet sich an?«
»Meinen Streitwagen zu verkaufen.«
»Du würdest aus dem Heer gejagt.« Sethi hieb mit der Faust auf das Mäuerchen. »Wir müssen dir aus dieser Verlegenheit helfen, und zwar rasch! Sababu?«
»Daran ist nicht zu denken. Die Schuld eines Richters von einer Dirne beglichen! Der Älteste würde mich auslöschen.«
Brav streckte die Pfoten aus und rollte vertrauensvoll mit den Augen.
33. Kapitel
Brav graute es vor Wasser. Daher blieb er der Böschung in klugem Abstand fern; er rannte, bis er japste, kehrte auf seinen Spuren um, schnupperte, stieß wieder zu seinem Herrn und lief erneut los. Die Umgebung des Bewässerungskanals war menschenleer und still. Paser dachte an Neferet und versuchte, das winzigste Zeichen zu seinen Gunsten zu deuten; hatte sie ihn nicht eine ganz neue Zuneigung spüren lassen oder zumindest eingewilligt, ihn anzuhören? Hinter einer Tamariske bewegte sich ein Schatten. Brav hatte nichts bemerkt. Beruhigt setzte Paser seinen Gang fort. Dank Sethis Hilfe war die Untersuchung vorangekommen; doch würde er imstande sein, noch weiter vorzudringen? Ein niederer Richter ohne Erfahrung war seiner Obrigkeit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Der Älteste der Vorhalle hatte ihm dies auf die unbarmherzigste Art und Weise ins Gedächtnis gerufen.
Branir hatte seinem Schüler neue Kraft gegeben. Falls nötig, würde er sein Haus verschachern, um dem Amtmann zu ermöglichen, sich seiner Schuld zu entledigen. Gewiß, das Einschreiten des Ältesten durfte nicht auf die leichte Schulter genommen werden; hartnäckig und erbittert ging er mit Vorliebe gegen junge Richter vor, um ihr Wesen zu festigen. Brav hielt jäh an, die Nase im Wind. Der Schatten trat aus seiner Deckung und ging auf Paser zu. Der Hund knurrte, sein Herr hielt ihn am Halsband zurück.
»Hab keine Angst, wir sind zu zweit.« Mit seiner schwarz glänzenden Nase berührte er des Richters Hand. Eine Frau.
Eine schlanke, hochgewachsene Frau, deren Gesicht ein dunkler Stoff verbarg. Sie kam mit sicherem Schritt näher und blieb einen Meter vor Paser stehen.
Brav versteinerte.
»Ihr habt nichts zu fürchten«, behauptete sie. Sie hob ihren Schleier.
»Die Nacht ist mild, Prinzessin Hattusa, und der Versenkung förderlich.«
»Ich legte Wert darauf, Euch allein zu sehen, fernab jedes Zeugen.«
»Für alle Welt haltet Ihr Euch in Theben auf.«
»Feiner Scharfsinn.«
»Eure Rache war wirkungsvoll.«
»Meine Rache?«
»Ich bin vorläufig enthoben, wie Ihr es wünschtet.«
»Ich verstehe nicht.«
»Verspottet mich nicht noch mehr.«
»Beim Namen PHARAOS, ich habe nichts gegen Euch unternommen.«
»Bin ich nicht zu weit gegangen, wie Ihr Euch selbst ausdrücktet?«
»Ihr habt mich schier rasend gemacht, das ist wahr, doch ich schätze Euren Mut.«
»Solltet Ihr etwa zugestehen, daß mein Schritt wohlbegründet war?«
»Ein Beweis wird Euch genügen: Ich habe mich mit dem Obersten Richter von Theben besprochen.«
»Mit welchem Ergebnis?«
»Er kennt die Wahrheit, der Vorfall ist beigelegt.«
»Nicht für mich.«
»Genügt Euch die Ansicht Eures Oberen nicht?«
»In dem vorliegenden Fall, nein.«
»Und deshalb bin ich hergekommen. Der Oberste Richter vermutete zu Recht, daß dieser Besuch unerläßlich sein würde. Ich werde Euch die Wahrheit anvertrauen, doch ich bestehe auf Stillschweigen.«
»Ich beuge mich keiner Erpressung.«
»Ihr seid halsstarrig.«
»Erhofftet Ihr irgendeine Übereinkunft?«
»Ihr mögt mich nicht sonderlich, wie die meisten Eurer Landsleute.«
»Ihr müßtet ›unserer Landsleute‹ sagen. Ihr seid doch jetzt Ägypterin.«
»Wer könnte seine Abstammung vergessen? Ich sorge mich um das Los der als Kriegsgefangene nach Ägypten gebrachten Hethiter. Manche fügen sich ein, andere überleben nur unter Mühen. Ich habe die Pflicht, ihnen zu helfen, daher habe ich ihnen Korn beschafft, das aus den Getreidespeichern meines Harems stammte. Mein Verwalter hat mich darauf hingewiesen, daß unsere Vorräte vor der nächsten Ernte erschöpft sein würden. Er hat mir eine Vereinbarung mit einem seiner Amtsgenossen in Memphis vorgeschlagen, und ich habe mein Einverständnis dazu gegeben. Demnach trage ich die alleinige Verantwortung an dieser Verschieberei.«