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»Glaubst du, mir gefällt das?«

»Wann wirst du entfliehen?«

»Sobald ich eine freie Frau sein werde.«

»Die Entscheidung liegt bei mir. Ich muß dich beim Amt der Einwanderung für frei erklären.«

»Worauf wartest du?«

»Ich eile sofort hin.«

Sethi kleidete sich hastig mit seinem schönsten Schurz und legte die mit der Goldenen Fliege gezierte Kette um den Hals.

Er betrat das Amtszimmer in dem Augenblick, da der Beamte sich anschickte, es längst vor dem Zeitpunkt der Schließung zu verlassen. »Kommt morgen wieder.«

»Daran ist überhaupt nicht zu denken!« Sethis Ton war drohend. Die Goldene Fliege zeigte an, daß der junge Mann mit den mächtigen Schultern ein Held war, und Helden griffen leicht zur Gewalt.

»Euer Anliegen?«

»Beendigung der bedingten Freiheit der Libyerin Panther, die mir während des letzten Asienfeldzugs zugesprochen worden war.«

»Verbürgt Ihr Euch für ihre Sittlichkeit?«

»Sie ist tadelsfrei.«

»Welche Art von Anstellung hat sie erwogen?«

»Sie hat bereits auf einem Hof gearbeitet.« Sethi füllte den Antrag aus, wobei er es bedauerte, Panther nicht ein letztes Mal geliebt zu haben; seine zukünftigen Geliebten würden vielleicht nicht an sie heranreichen. Früher oder später jedoch wäre es sowieso dazu gekommen; besser war es, die Bande zu zerschneiden, bevor sie allzu fest waren. Als er in sein Heim zurückkam, rief er sich einige der Liebeszweikämpfe ins Gedächtnis zurück, die wahrlich den Heldentaten der größten Eroberer gleichkamen. Panther hatte ihn gelehrt, daß der Körper einer Frau glückselige, aus ständig sich wandelnden Landschaften bestehende Gefilde waren und daß die Lust der Entdeckung sich aus sich selbst heraus erneuerte. Das Haus war leer.

Sethi bereute seinen übereilten Schritt. Er hätte gerne diese Nacht vor der Verhandlung mit ihr verbracht, die Kämpfe des nächsten Tages vergessen, sich an ihrem Duft gelabt. Er konnte sich nur mit altem Wein trösten.

»Schenk einen zweiten Kelch ein«, sagte da Panther und umschlang ihn von hinten.

Qadasch zerbrach die kupfernen Bestecke und schleuderte sie an die Wand seines Behandlungszimmers, das er bereits mit Fußtritten verwüstet hatte. Als er die Gerichtsvorladung erhalten hatte, hatte ein zerstörerischer Wahn sich seiner bemächtigt.

Ohne das himmlische Eisen würde er keine Eingriffe mehr vornehmen können. Seine Hand zitterte zu sehr. Mit dem wundersamen Metall hätte er wie ein Gott gewirkt, seine Jugend und seine Geschicklichkeit in Vollendung wiedererlangt. Wer würde ihn noch achten, wer würde seine Verdienste rühmen? Man würde über ihn in der Vergangenheit sprechen. Konnte er den Sturz noch hinauszögern? Er mußte kämpfen, sich dem Verfall verweigern. Vor allem aber die Verdächtigungen des Richters Paser zunichte machen. Weshalb besaß er nicht dessen Stärke, dessen Unternehmungsgeist, dessen Entschlossenheit! Aber sich ihn zu einem Verbündeten zu machen, war ein sinnloses Unterfangen. Der junge Amtmann würde untergehen, und mit ihm seine Gerechtigkeit. In einigen Stunden sollte die Verhandlung beginnen. Paser schlenderte mit Brav und Wind des Nordens an der Böschung entlang. Nach einem reichlichen Abendessen und einem langen Rundgang durch die Dämmerung tollten Hund und Esel ausgelassen umher, ohne ihren Herrn aus den Augen zu verlieren. Wind des Nordens trottete voran und bestimmte den Weg.

Müde und angespannt erforschte der Richter sein Gewissen. Hatte er sich nicht geirrt, war er nicht Hals über Kopf vorgeprescht, beschritt er nicht einen Pfad, der in den Abgrund führte? Armselige Fragen, in Wahrheit. Die Gerechtigkeit würde ihren Lauf nehmen, der so erhaben war wie der des Gottesflusses. Paser war nicht Herr darüber, sondern Diener. Welches auch immer das Ergebnis des Verfahrens sein würde, die Segel waren gehißt. Was würde aus Neferet werden, wenn man ihn absetzte? Der Oberste Arzt würde sie weiterhin verbissen verfolgen, um sie an der Ausübung ihres Berufs zu hindern. Zum Glück wachte Branir weiter über sie. Der zukünftige Hohepriester des Amun würde die junge Frau in den Stab der Heilkundigen des Tempels, außerhalb von Neb-Amuns Einfluß, aufnehmen. Sie vor einem widrigen Geschick beschützt zu wissen, verlieh Paser den nötigen Mut, um ganz Ägypten die Stirn zu bieten.

37. Kapitel

Die Gerichtsverhandlung wurde eröffnet gemäß der rituellen Formel, »vor der Pforte der Gerechtigkeit, an dem Ort, an dem die Klagen aller Kläger gehört werden, um Wahrheit von Lüge zu scheiden, an der großen Stätte, an der die Schwachen geschützt werden, um sie vor den Mächtigen zu erretten«[66]. Der Gerichtssaal, der sich an den Pylon des Tempels des Ptah anlehnte, war erweitert worden, um der großen Anzahl an Würdenträgern und Leuten aus dem Volke, die voller Neugier auf das Ereignis warteten, die Teilnahme an der Verhandlung zu gestatten. Von seinem Gerichtsschreiber unterstützt, befand sich Richter Paser am hinteren Ende des Saales. Zu seiner Rechten die Geschworenen. Sie setzten sich aus Monthmose, dem Vorsteher der Ordnungskräfte, Dame Nenophar, Branir, Bel-ter-an, einem Tempelpriester des Ptah, einer Tempelpriesterin der Hathor, einem Großgrundbesitzer und einem Tischler zusammen. Die Anwesenheit Branirs, den manch einer als Weisen erachtete, bewies den Ernst der Lage zur Genüge. Der Älteste der Vorhalle saß zu Pasers Linken. Als Vertreter der hierarchischen Führung gewährleistete er die Vorschriftsmäßigkeit der Sitzung. Die beiden Gerichtsbeamten, die mit langen Gewändern aus weißem Leinen bekleidet waren und schlichte Perücken nach alter Sitte trugen, hatten vor sich einen Papyrus entrollt, der die Herrlichkeit der Goldenen Zeit lobpries, da die Maat, das Gleichmaß der Welt, uneingeschränkt herrschte. »Ich, Richter Paser, erkläre diese Verhandlung für eröffnet, die den Kläger, den Offizier der Streitwagentruppe, Sethi, dem Beklagten, dem Heerführer Ascher, Bannerträger zur Rechten des Königs und Ausbilder der Offiziere des Asien-Heeres, gegenüberstellt.« Geraune erhob sich. Wenn die Stätte nicht von solcher Erhabenheit gewesen wäre, hätten viele an einen Scherz geglaubt. »Ich rufe den Offizier Sethi auf.« Der Held beeindruckte die Menge. Schön und selbstsicher, hatte er nichts gemein mit einem Schwarmgeist oder einem geistig zerrütteten Krieger, der mit seinem Anführer gebrochen hatte. »Verpflichtet Ihr Euch, unter Eid vor diesem Gericht die Wahrheit zu sagen?«

Sethi las die Formel, die ihm der Gerichtsschreiber hinhielt.

»Wie Amun von Dauer ist und wie PHARAO von Dauer ist – er möge leben, gedeihen und gerecht sein, er, dessen Macht furchterregender ist als der Tod –, schwöre ich, die Wahrheit zu sagen.«

»Tragt Eure Klage vor.«

»Ich beschuldige Heerführer Ascher der Verletzung der Amtspflicht, des Hochverrats und des Mordes.« Die Zuhörerschaft konnte ihre Verwunderung nicht bezähmen, Widerspruch wurde laut. Der Älteste der Vorhalle schritt ein. »Aus Ehrfurcht vor der Göttin Maat fordere ich Ruhe während der Ausführungen. Wer immer sie auch bricht, wird augenblicklich ausgeschlossen und zu einer schweren Buße verurteilt.« Die Mahnung zeitigte Erfolg. »Offizier Sethi«, fügte Paser an, »besitzt Ihr Beweise?«

»Es gibt sie.«

»Gemäß dem Gesetz«, wies der Richter hin, »habe ich eine Ermittlung durchgeführt. Sie hat mir erlaubt, eine gewisse Anzahl an sonderbaren Tatsachen aufzudecken, die meines Erachtens mit der wichtigsten Beschuldigung in Verbindung stehen. Ich äußere somit den Verdacht einer Verschwörung wider das Reich und einer Bedrohung der Sicherheit unseres Landes.« Die Spannung nahm zu. Die angesehenen Persönlichkeiten, die Paser zum ersten Male zu Gesicht bekamen, wunderten sich über den Ernst eines derart jungen Mannes, die Entschiedenheit seines Verhaltens und das Gewicht seiner Rede. »Ich rufe den Heerführer Ascher auf.«

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66

So lautete der Text, der auf der Tür des Gerichts selbst stand.