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»Sind sie lebend vom letzten Feldzug zurückgekehrt?«

Zum ersten Male geriet der Krieger ins Wanken. »Nein … einer von ihnen ist verschollen.«

»Derjenige, den Ihr mit Euren eigenen Händen getötet habt, da er Euer Spiel durchschaut hatte.«

»Das ist falsch. Ich bin nicht schuldig.« Die Geschworenen vermerkten, daß seine Stimme zitterte.

»Ihr, der mit Ehren überhäuft ist, der Offiziere ausbildet, Ihr habt Euer Land auf schändlichste Art und Weise verraten. Es ist Zeit zu gestehen, Heerführer.«

Aschers Blick verlor sich im Ungewissen. Diesmal schien er kurz davor aufzugeben. »Sethi hat sich geirrt.«

»Man möge mich im Beisein von Offizieren und Schreibern zum besagten Ort schicken«, schlug der Streitwagenführer vor. »Ich werde die Stelle wiedererkennen, wo ich den Unglücklichen notdürftig bestattet habe. Wir werden seine sterbliche Hülle heimführen, seinen Namen herausfinden und ihm eine würdige Grabstätte geben.«

»Ich ordne eine augenblickliche Erkundung an«, tat Paser kund. »Heerführer Ascher wird unter Bewachung der Ordnungskräfte in der Hauptkaserne von Memphis festgesetzt. Jede Verbindung nach draußen wird ihm bis zu Sethis Rückkehr untersagt. Wir werden sodann die Verhandlung wieder aufnehmen, und die Geschworenen werden ihren Spruch fällen.«

38. Kapitel

Memphis erscholl noch vom Widerhall der Gerichtsverhandlung.

Manche erachteten den Heerführer Ascher bereits als den abscheulichsten aller Verräter, rühmten Sethis Mut und die Sachkunde des Richters Paser. Letzterer hätte liebend gerne Branirs Rat eingeholt, doch das Gesetz verbot es ihm, sich vor dem Ende des Rechtsgangs mit den Geschworenen zu bereden. Er schlug mehrere Einladungen angesehener Persönlichkeiten aus und verschloß sich in seinem Haus. In weniger als einer Woche würde der Erkundungszug mit dem Leichnam des von Ascher ermordeten Spähers zurückkehren, der hochrangige Krieger überführt und zum Tode verurteilt werden. Sethi würde im Rang aufsteigen. Doch vor allem würde die Verschwörung zerschlagen und Ägypten vor einer Gefahr gerettet werden, die sowohl von außen als auch von innen her bestand. Wenngleich Scheschi durch die Maschen des Netzes schlüpfen mochte, würde das Ziel erreicht werden. Paser hatte Neferet nicht belogen. Nicht einen Augenblick hatte er aufgehört, an sie zu denken. Selbst während der Verhandlung hatte ihr Gesicht sich ihm aufgedrängt. Er hatte geflissentlich auf jedes Wort achtgeben müssen, um nicht in einem Traum zu versinken, in dem sie die alleinige Heldin war. Der Richter hatte das Eisen des Himmels und den Dächsel dem Ältesten der Vorhalle anvertraut, welcher sie sogleich dem Hohenpriester des Ptah ausgehändigt hatte. In Abstimmung mit den geistlichen Obrigkeiten mußte der Gerichtsbeamte deren Herkunft feststellen. Ein einziger Punkt machte Paser stutzig: Weshalb hatten jene nicht Anzeige wegen Diebstahls eingereicht? Die außerordentliche Beschaffenheit des rituellen Gegenstands sowie des Werkstoffs richteten die Nachforschungen von vornherein auf ein reiches und mächtiges Heiligtum, das allein diese zu bergen imstande gewesen wäre.

Paser hatte Iarrot und Kem drei Tage Arbeitsruhe gewährt. Der Gerichtsschreiber hatte eilends seine Wohnstatt aufgesucht, wo erneut häusliches Ungemach ausgebrochen war, da seine Tochter sich standhaft weigerte, Gemüse zu essen, und nur noch feines Backwerk zu sich nahm. Iarrot duldete die Grille, seine Gattin stellte sich dagegen. Der Nubier wollte sich nicht von der Amtsstube entfernen; er hatte kein Bedürfnis nach Erholung und betrachtete sich als verantwortlich für des Richters Sicherheit. Obgleich dieser als unantastbar galt, war Vorsicht geboten.

Als ein Priester mit kahlem Schädel dann bei dem Amtmann eintreten wollte, stellte Kem sich in den Weg.

»Ich muß dem Richter Paser eine Botschaft überbringen.«

»Vertraut sie mir an.«

»Ihm, und nur ihm allein.«

»Wartet.«

Auch wenn der Mann unbewaffnet und schmächtig war, verspürte der Nubier ein Gefühl des Unbehagens.

»Ein Priester will sich mit Euch besprechen. Seid vorsichtig.«

»Ihr seht überall Gefahr!«

»Behaltet zumindestens den Pavian bei Euch.«

»Wie Ihr wollt.«

Der Priester trat ein, Kem blieb hinter der Tür. Der Pavian schälte teilnahmslos die Nuß einer Dumpalme aus ihrem Gehäuse.

»Richter Paser, Ihr werdet morgen früh in der Dämmerung an der Großen Pforte des Volkes des Ptah erwartet.«

»Wer wünscht mich zu sehen?«

»Ich habe keine andere Botschaft.«

»Und der Anlaß?«

»Ich wiederhole Euch: Ich habe keine andere Botschaft. Ihr möchtet Euch bitte alle Körperhaare scheren, Euch jedweden geschlechtlichen Verkehrs enthalten und Euch durch Verehrung der Ahnen sammeln.«

»Ich bin Richter, und ich habe nicht die Absicht, Priester zu werden.«

»Seid pünktlich. Mögen die Götter Euch behüten.«

Unter Kems Aufsicht beendete der Bader Pasers Schur.

»Nun seid Ihr vollkommen glatt und würdig, der Tempelgemeinschaft beizutreten! Sollten wir einen Richter verlieren und einen Priester gewinnen?«

»Eine schlichte Maßnahme der Reinlichkeit. Unterziehen sich ihr die angesehenen Persönlichkeiten nicht regelmäßig?«

»Ihr seid eine geworden, das ist wahr! Das ist mir lieber so. In den Gassen von Memphis spricht man nur von Euch. Wer hätte es gewagt, sich an den allmächtigen Ascher heranzuwagen? Jetzt, in diesen Tagen, lösen sich die Zungen. Niemand mochte ihn. Man munkelt, er habe Anwärter gefoltert.« Gestern kriecherisch umschmeichelt, nunmehr mit Füßen getreten, hatte sich Aschers Schicksal in wenigen Stunden völlig gewendet. Die schäbigsten Gerüchte über ihn machten die Runde. Paser ließ es sich eine Lehre sein: Niemand war gegen menschliche Niedrigkeit gefeit.

»Wenn Ihr kein Priester werdet«, brachte der Bader vor, »dann werdet Ihr wahrscheinlich eine Dame besuchen. Viele schätzen glatt geschorene Männer, die einem Priester gleichen … oder einer sind! Die Liebe ist ihnen zwar nicht verboten, doch mit Männern zu verkehren, die die Götter von Angesicht schauen, ist doch wohl erregend, nicht wahr? Ich habe hier eine Salbe auf der Grundlage von Jasmin und Lotos, die ich beim besten Hersteller von Memphis erworben habe. Sie wird Eure Haut für mehrere Tage duften lassen.«

Paser willigte ein. Somit würde der Bader eine ungemein wichtige Kunde verbreiten: Der unbeugsamste Richter von Memphis war auch ein eitler Liebhaber. Blieb nur noch, den Namen der Erwählten aufzudecken.

Nachdem der Geschwätzige gegangen war, las Paser einen der Maat gewidmeten Text. Sie war die ehrwürdige Ahnin, die Quelle der Freude und des Friedens. Tochter des Lichts, und selbst Licht, wirkte sie zu Gunsten desjenigen, der für sie wirkte. Paser bat sie, sein Leben dem rechten Weg folgen zu lassen.

Kurz vor der Morgenröte, als Memphis gerade erwachte, fand Paser sich an der großen Bronzepforte des Ptah-Tempels ein. Ein Priester führte ihn auf jene Seite des Bauwerks, die noch in Dunkelheit getaucht war. Kem hatte dem Richter nachdrücklichst abgeraten, der befremdlichen Einbestellung Folge zu leisten. Wegen seines Ranges war er zwar nicht befugt, in einem Tempel zu ermitteln. Doch konnte es nicht sein, daß ein Priester ihm Enthüllungen über den Diebstahl des himmlischen Eisens und des Dächseis zu offenbaren wünschte?

Paser war bewegt. Er drang zum ersten Male in das Innere des Tempels. Hohe Mauern trennten die Gemeinen von der Welt der Auserwählten, denen es oblag, die göttliche Kraft zu unterhalten und sie ausströmen zu lassen, auf daß das Band zwischen dem Menschengeschlecht und den Schöpfermächten nicht unterbrochen werde. Gewiß, der Tempel war auch ein Mittelpunkt des Handels angesichts seiner Werkstätten, Bäckereien, Schlachtereien und Lager, in denen die besten Handwerker des Reiches arbeiteten; gewiß, der erste Große Hof unter freiem Himmel war den angesehenen Persönlichkeiten zum Anlaß der großen Feste zugänglich. Jenseits indes begann der Bereich des Geheimnisvollen, des steinernen Gartens, in dem der Mensch die Stimme nicht mehr erheben durfte, um die der Götter zu vernehmen.