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Wie hätte man bei diesem riesenhaften öffentlichen Aufzuge die Schüler der Collegien und Universitäten übersehen können, die der Northwestern University, des Union College of Law, der Chicago Manuel-training-school und vieler anderer Institute, wie hätte man die Künstler der dreiundzwanzig Theater und Casinos vergessen können, die vom Großen Opernhause, wie die von Jacobs’ Clark Street Theater, die vom Auditorium und vom Lyceum – wie ferner vergessen können die Leute der neunundzwanzig erstelässigen Hôtels, die Kellner und Hilfswärter der unzähligen und zuweilen so großen Restaurants, daß sie binnen einer Stunde fünfundzwanzigtausend Gäste befriedigen können – wie die Packer und Fleischer des Great Union Stock Yard, die für Rechnung der Firmen Armour, Swift, Nelson, Morris und noch vieler anderer jährlich zwei Millionen Rinder und Schweine für je zwei Dollars abschlachten. Darf man sich da wundern, daß die »Königin des Westens« unter den gewerb-und handeltreibenden Städten der Vereinigten Staaten den zweiten Platz, gleich hinter New-York, einnimmt, wenn ihr jährlicher Geschäftsumsatz den Werth von dreißig Milliarden erreicht?

Wie alle großen amerikanischen Städte erfreut sich Chicago einer ebenso unbeschränkten wie rein demokratischen Freiheit. Die Decentralisation ist hier vollständig durchgeführt; was veranlaßte sie aber – um bei dem eben gebrauchten Worte zu bleiben – sich heute so auffallend um die La Salle Street zu centralisieren?

Strömte die Bevölkerung in lärmender Menge vielleicht nach der City Hall zusammen? Handelte es sich um eine alles mit sich fortreißende Speculation, die man hier als Boom zu bezeichnen pflegt, um eine Versteigerung von Grund und Boden, die die Geister übermäßig erregte? Handelte es sich um eine jener Wahlschlachten, die die Volksmenge erhitzen, um ein Meeting, bei dem conservative Republikaner und liberale Demokraten sich in der Nachbarschaft des Federal Building bekämpfen sollten? Oder stand es in Frage, eine neue Worlds Columbian Exposition feierlich zu eröffnen und im Schatten des Lincoln-Parks längs der Midway Plaisance den Pomp von 1893 wiederholt zu entfalten?

Nein, hier sollte eine ganz andere Feierlichkeit vor sich gehen, deren Charakter ein recht trauriger gewesen wäre, wenn die daran Betheiligten sich nicht hätten den Bestimmungen der Person, der jene galt, fügen müssen, Bestimmungen, die dahin gingen, daß dabei allgemeine Freude herrschen sollte.

Zur Stunde war die La Salle Street völlig leer, dank den Polizisten, die an deren beiden Enden in großer Zahl aufgestellt waren. Der Zug, der sie durchmessen sollte, war folglich durch nichts gehindert, sich vorschriftsmäßig zu bilden und zu bewegen.

Wird die La Salle Street von den reichen Amerikanern auch nicht ebenso bevorzugt, wie die Avenuen der Prairie, von Calumet oder von Michigan, wo sich nur prächtige Wohnpaläste erheben, so ist sie doch eine der verkehrsreichsten Straßen der Stadt. Sie trägt den Namen eines Franzosen, Robert Cavelier de La Salle, eines der ersten Reisenden, die von 1679 an das Gebiet der Seen erforschten – einen Namen, der in den Vereinigten Staaten mit Recht berühmt ist.

Nahe der Mitte der La Salle Street hätte ein Beobachter, dem es geglückt wäre, die Doppelreihe von Polizisten zu durchbrechen, an der Ecke der Goethe Street einen mit sechs Pferden bespannten Wagen vor einem Prachtbau von Wohnhause stehen sehen. Vor und hinter diesem Wagen wartete ein gut geordnetes zahlreiches Gefolge nur auf das Zeichen zum Aufbruch.

Die erste Hälfte des Gefolges umfaßte mehrere Compagnien Miliz in Paradeuniform unter dem Befehle ihrer Officiere, ein Musikchor von nicht weniger als hundert Mann und eine Sängerabtheilung von gleicher Stärke, die ihre Töne wiederholt mit den Accorden jenes Orchesters mischen sollten.

Den Wagen bedeckten Draperien von leuchtendem, mit Gold-und Silberstickereien noch gehobenem Roth, von dem in Diamanten die Buchstaben W I H hervorglänzten. Dazu kamen eine Unmenge Sträuße oder eigentlich ganze Haufen von Blumen, die überall, mit Ausnahme einer Stadt, welche man ganz allgemein Garden City nennt, recht selten gewesen wären. Vom Obertheile des Gefährtes, das würdig gewesen wäre, inmitten eines nationalen Festes zu prangen, hingen bis zur Erde Guirlanden herab, die von sechs Personen, von dreien auf jeder Seite, gehalten wurden.

Wenige Schritte weit dahinter zeigte sich eine Gruppe von etwa zwanzig Personen, darunter James I. Davidson, Gordon S. Allen, Harry B. Andrews, John I. Dickinson, Thomas R. Carlisle u. a. vom Excentric Club in der Mohawk Street, dessen Vorsitzender Georges B. Higginbotham war; ferner Mitglieder der Clubs Calumet aus der Michigan Avenue, des Hyde Park aus der Washington Avenue, Columbus aus der Montroe Street, der Union League vom Custom House Place, der Irischen Amerikaner aus der Dearborn Street – und der vierzehn übrigen, in der Stadt bestehenden Clubs.

Chicago ist, wie Vielen bekannt sein dürfte, das Hauptquartier der Division des Missouri und der gewöhnliche Standort ihres Commandanten. Es versteht sich nun von selbst, daß dieser Commandant, der General James Morris, nebst seinem Stabe und den Officieren der im Pullmann Building gelegenen Bureaux sich der vorher genannten Gruppe angeschlossen hatte. Weiter folgten: der Gouverneur des Staates, John Hamilton, der Bürgermeister und seine nächsten Beamten, die Mitglieder des Stadtrathes, die Grafschaftsverwalter, die eigens von Springfield hergekommen waren, aus der officiellen Hauptstadt von Illionis, wo alle Verwaltungs-und Regierungsämter ihren Sitz haben, und auch die Oberbeamten des Federal Court, die im Gegensatze zu vielen anderen Staatsdienern nicht durch allgemeine Abstimmung erwählt, sondern unmittelbar vom Präsidenten der Union ernannt werden.

Am Schlusse dieses Gefolges drängten sich eine Menge Kaufleute, Industrielle, Ingenieure, Lehrer, Advocaten, Gerichtsanwälte, Aerzte, Zahnärzte, Coroner (Staatsbeamte für die Leichenschau), Sachwalter und Grafschaftsbeamte, denen sich noch eine unübersehbare Volksmenge anschließen sollte, sobald der Aufzug die La Salle Street ganz verlassen hatte.

Um aber das Ende des Zuges gegen den Ansturm der Masse zu sichern, hatte der General Morris starke Abtheilungen Cavallerie mit gezogenem Säbel aufgestellt, und lustig flatterten deren Standarten im frischen Morgenwinde.

Diese lange Beschreibung der civilen und militärischen Theilnehmer, aller der Gesellschaften und Vereine, die zu dieser außergewöhnlichen Feierlichkeit herangezogen waren, muß hier noch durch eine besonders kennzeichnende Einzelheit vervollständigt werden: alle Theilnehmer, kein einziger ausgenommen, trugen eine Blume im Knopfloch, eine Gardenia, die ihnen der schwarzgekleidete, auf der Vortreppe des Hauses stehende Haushofmeister überreicht hatte.

Ueberdies machte auch das Haus selbst einen festlichen Eindruck. Seine Armleuchter und hellglänzenden elektrischen Lampen wetteiferten mit den lebhaften Strahlen der Aprilsonne; die weit offenen Fenster zeigten die vielfarbigen Tapeten der Innenräume. Die Dienerschaft in Festtagstracht stand auf den Marmorstufen der Ehrentreppe. Die Prunkgemächer waren wie zu einem großen Empfange vorbereitet, die Speisezimmer mit Tafeln besetzt, worauf die massiv silbernen Aufsätze und das herrliche Porzellan der Chicagoer Millionäre prangten und krystallene Karaffen voll edlen Weines und Champagners der besten Marken funkelten.

Endlich schlug es auf der City Hall neun Uhr. Fanfaren ertönten am Anfange der La Salle Street. Drei einstimmig ausgebrachte Hurrahs erschütterten die Luft. Auf ein Zeichen des dienstthuenden Polizeiofficiers setzte sich der Zug mit entfalteten Bannern in Bewegung.