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»Die ganze Cambüse steht zu Ihrer Verfügung, versicherte der Capitän Curtis, und verlassen Sie sich darauf, daß wir rechtzeitig in Texas landen, und sollte ich deshalb die Sicherheitsventile zuschrauben und die Kessel in die Luft gehen lassen…

– Nein, nein, nichts in die Luft sprengen, antwortete John Milner mit dem gesunden Menschenverstande, der ihm eigen war. Das wäre immer ein Fehler… vorzüglich aber am Vorabend, wo es gilt, sechzig Millionen Dollars einzustecken!«

Es wollte nicht gelingen, den Champion der Neuen Welt emporzuheben. (S. 116.)

Das Wetter war schön und übrigens ist in dem Fahrwasser von New Orleans niemals etwas zu fürchten, wenn dieses auch überraschende Veränderungen der Tiefe u. s. w. zeigt, worauf die Marinebehörden stets ein wachsames Auge haben. Der »Sherman« folgte dem südlichen Stromarme zwischen den Rosendickichten und Binsen seiner flachen Ufer. Der Geruchsnerv der Reisenden mochte dabei wohl etwas unangenehm berührt werden, denn infolge der Zersetzung vieler organischer Abfälle auf dem Grunde steigen von ihm immer zahllose Kohlenwasserstoffblasen auf. Dafür kann man aber in diesem Canale, der zur Haupteinfahrt des großen Stromes geworden ist, niemals auf dem Grunde auffahren.

Das Schiff dampfte an verschiedenen Werkstätten und Niederlagen, die gruppenweise auf beiden Ufern lagen, vorüber, weiterhin kam es an dem Flecken Algiers, an der Pointe de la Hache und an Jump vorbei. Zur jetzigen Jahreszeit war übrigens der Wasserstand ein ziemlich hoher. Im April, Mai und Juni schwillt der Mississippi durch starke Regenfälle allemal an, und sein Wasser erreicht erst im November wieder den niedrigsten Stand. Der »Sherman« brauchte seine Schnelligkeit also nirgends zu mäßigen und erreichte ohne Zwischenfall den Port Eads, der nach dem Ingenieur benannt ist, dessen Bemühungen man die Verbesserung der südlichen Fahrstraße zu verdanken hat.

Hier ergießt sich nach einem Laufe von viertausendfünfhundert Meilen (7421 Kilometer) der mächtige Mississippi in den Meerbusen von Mexiko.

Als der »Sherman« über die letzten Landspitzen hinausgekommen war, steuerte er nach Westen zu.

Bis hierher hatte Tom Crabbe die Wasserpartie vorzüglich gut vertragen. Nachdem er immer zur gewohnten Stunde tüchtig gegessen hatte, legte er sich schlafen, und am nächsten Tage nahm er frisch und gesund seinen Platz auf dem Spardeck wieder ein.

Der »Sherman« war schon gegen fünfzig Meilen weit in der offenen See dahin gedampft, und im Norden zeigte sich die niedrige Küste nur noch als schmaler Streifen.

Tom Crabbe hatte es hier zum erstenmale gewagt, eine Seefahrt zu unternehmen. Zu Anfang schien ihn das Stampfen und Schlingern des Schiffes nur erstaunen zu machen.

Dieses Erstaunen erzeugte aber auf seinem sonst so hochrothen Gesicht doch eine verdächtige Blässe, die John Milner, der selbst gut seefest war, sofort bemerkte.

»Sollte er krank werden?« fragte er sich beim Herantreten an die Bank, auf die sein Gefährte sich hatte setzen müssen.

Er rüttelte diesen an der Schulter und sagte:

»Na, wie geht’s denn?«

Tom Crabbe machte den Mund auf, diesmal war es aber nicht der Hunger, der seine Kaumuskeln in Bewegung setzte, obwohl die Stunde der ersten Mahlzeit herangekommen war. Da er ihn nicht rechtzeitig wieder schließen konnte, bekam er einen tüchtigen Spritzer Salzwasser grade in dem Augenblicke in die Kehle, wo der »Sherman« durch eine höhere Welle stark auf die Seite gelegt wurde.

Tom Crabbe rutschte von der Bank und fiel auf das Deck nieder.

»Komm, Tom…«, sagte John Milner.

Tom Crabbe wollte sich erheben, versuchte es jedoch vergeblich und fiel, so schwer er war. wieder auf das Deck hin.

Der Capitän Curtis, der den Fall gehört hatte, kam nach dem Hinterdeck.

»Aha… sehe schon, was hier los ist, rief er. Hat übrigens nichts zu bedeuten, Herr Tom Crabbe wird sich daran gewöhnen. Es ist ja gar nicht zu glauben, daß ein solcher Riese der Seekrankheit verfallen sollte. Das kommt wohl bei Schwächlingen vor; bekäme sie aber ein so kräftig gebauter Mann, so würde dieser desto schlimmer davon zu leiden haben.«

Leider sollte das hier zutreffen, und wohl kaum je hatten Passagiere einem so jammervollen Schauspiele beigewohnt. Der Seekrankheit zu verfallen ist das gewöhnliche Los der Schwachen und Kränklichen; bei diesen verläuft sie dann normal und ohne bleibende Nachtheile. Doch ein Mann von solcher Körperfülle, von solcher Kraft!… Er ist dabei mehr in der Lage wie mächtige Bauwerke bei einem Erdbeben gegenüber der Indianerhütte: diese hält es aus, das große Bauwerk geht dabei aus den Fugen.

Und Tom Crabbe ging aus den Fugen; man mußte fürchten, daß er bald nur noch einen Haufen Ruinen bilden werde.

John Milner war recht ärgerlich über den Vorfall.

»Wir müssen ihn von hier wegschaffen«, sagte er.

Der Capitän Curtis rief den Hochbootsmann und ein Dutzend Matrosen zu der außergewöhnlichen Arbeit herbei. Doch obgleich alle ihre Kräfte vereinigten, wollte es nicht gelingen, den Champion der Neuen Welt emporzuheben. Es blieb schließlich nichts anders übrig, als ihn wie eine Tonne auf dem Spardeck hinzurollen, ihn dann mittelst Flaschenzugs auf das Hauptdeck hinabzulassen und bis in die Mitte in die Nähe der Maschine zu schleppen, deren Balancier die hilflose Masse zu verspotten schien, und hier blieb er denn in sich zusammengesunken liegen.

»Nun ja, äußerte John Milner gegen den Capitän Curtis, daran ist das verwünschte Salzwasser schuld, das Tom grade ins Gesicht spritzte. Wenn’s wenigstens Alkohol gewesen wäre…

– O, wenn das Meer aus Alkohol bestände, erwiderte der Capitän Curtis, dann wär’ es schon längst bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken und von einer Schifffahrt wäre keine Rede mehr!«

Heute war die Seefahrt nicht besonders angenehm. Der in der Hauptsache aus Westen wehende frische Wind veränderte zuweilen seine Richtung, wodurch das Rollen und Stampfen nur noch verstärkt wurde. Da der Dampfer gegen die Wellen ankämpfen mußte, verminderte sich auch seine Schnelligkeit beträchtlich. Die Dauer der Fahrt drohte vielleicht um das Doppelte – auf siebzig bis achtzig, statt der gewöhnlichen vierzig Stunden – verlängert zu werden. Kurz, John Milner machte alle Stadien von Beunruhigung durch, während sein Gefährte alle Stadien der widerlichen Krankheit durchkostete, von dem Umhergeworfenwerden der Eingeweide, den Störungen im Blutgefäßsystem bis zu einem so argen Schwindel, wie er höchstens bei völliger Trunkenheit vorkommt. Der Capitän Curtis gebrauchte darüber den Ausdruck, Tom Crabbe wäre zu nichts mehr gut, als mit der Schaufel zusammengelesen zu werden.

Endlich, am 9. Mai, und nach einem furchtbaren Windstoße, der zum Glück nicht lange anhielt, zeigten sich gegen drei Uhr nachmittags die Küsten von Texas mit ihren Dünen von blendend weißem Sande und einem schützenden Kranze kleiner Inseln, über denen ganze Völker großer Pelikane dahin flatterten.

Die Schiffsküche hatte bei der Fahrt aber recht viel erspart, denn Tom Crabbe hatte, obwohl er häufig und fast zu häufig den Mund öffnete, seit der letzten Mahlzeit auf der Höhe von Port Eads nicht das geringste verzehrt.

John Milner wiegte sich in der Hoffnung, daß er sich erholen, daß er das abscheuliche Uebel nun überwinden werde, daß er wieder eine menschliche Gestalt bekäme, in der er sich sehen lassen könnte, wenn der »Sherman«, den die Bai von Galveston dann gegen den Wogendrang des offenen Meeres schützte, nicht mehr umhergeworfen würde. Vergebliche Hoffnung! Auch im ruhigen Wasser wollte der Unglückselige noch nicht wieder genesen.

Die Stadt Galveston liegt am Ende einer Sandbank. Ein Viaduct verbindet sie mit dem festen Lande, und über diesen bewegt sich der ganze Handel, vorzüglich die sehr bedeutende Ausfuhr von Baumwolle.