Es war ein Spiel, bei dem es darum ging, wer zuerst die Nerven verlor, und Snead hielt stand. »Natürlich bin ich sicher«, sagte er mit gerade genug Empörung in der Stimme, um glaubwürdig zu wirken.
»Wer hat Ihnen das Geld gezahlt?«
»Die Anwälte der Familie Phelan.«
»Und wer hat den Scheck unterschrieben?«
»Es war ein bestätigter Bankscheck.«
»Haben Sie verlangt, dass man Sie für Ihre Außage bezahlt?«
»Ich denke, das kann man so sagen.«
»Sind Sie zu den Anwälten gegangen, oder sind die an Sie herangetreten?«
»Ich bin zu ihnen gegangen.«
»Und warum?«
Endlich schien das Gespräch in die gewünschte Richtung zu laufen. Die Phelan-Anwälte entspannten sich und begannen, sich Notizen zu machen.
Snead schlug unter dem Tisch die Beine übereinander und runzelte die Stirn. »Weil ich bei Mr. Phelan war, bevor er starb, und wusste, dass der Arme den Ve rstand verloren hatte.«
»Seit wann?«
»Den ganzen Tag.«
»Das heißt, als er morgens wach wurde, war er verrückt?«
»Als ich ihm das Frühstück gebracht habe, wusste er meinen Namen nicht.«
»Was hat er zu Ihnen gesagt?«
»Nichts. Er hat nur geknurrt.«
Nate stützte die Ellbogen auf und achtete nicht weiter auf die um ihn herum verstreuten Papiere. Dieser Zweikampf begann ihm Freude zu machen. Er wusste, worauf er hinauswollte, der arme Snead aber nicht.
»Haben Sie gesehen, wie er gesprungen ist?«
»Ja.«
»Und wie er gefallen ist?«
»Ja.«
»Und wie er unten aufgeschlagen ist?«
»Ja.«
»Haben Sie in seiner Nähe gestanden, als ihn die drei Psychiater befragten?«
»Ja.«
»Das war gegen halb drei am Nachmittag, nicht wahr?«
»Ja, soweit ich mich erinnern kann.«
»Und er war den ganzen Tag schon verrückt gewesen, nicht wahr?«
»Ich bedaure, das sagen zu müssen, ja.«
»Wie lange haben Sie für Mr. Phelan gearbeitet?«
»Dreißig Jahre.«
»Und Sie wussten alles über ihn, nicht wahr?«
» So viel, wie man über einen anderen Menschen wissen kann.«
»Dann kennen Sie auch seinen Anwalt, Mr. Stafford?«
»Ja. Ich habe ihn oft gesehen.«
»Hat Mr. Phelan ihm vertraut?«
»Ich denke schon.« ,
»Ich dachte, Sie wüssten alles?«
»Ich bin sicher, dass er Mr. Stafford vertraut hat.«
»Hat Mr. Stafford während der Befragung durch die Psychiater neben ihm gesessen?«
»Ja.«
»Wie würden Sie Mr. Phelans Geisteszustand während dieser Befragung einschätzen?«
»Er war nicht bei klarem Verstand, wusste weder, wo er war, noch, was er tat.«
»Sind Sie sich dessen sicher?«
»Ja.«
»Wem haben Sie das gesagt?«
»Es war nicht meine Aufgabe, es jemandem zu sagen.«
»Warum nicht?«
»Man hätte mir gekündigt. Es gehörte zu meiner Aufgabe, den Mund zu halten. Man nennt das Diskretion.«
»Sie wussten aber, dass Mr. Phelan im Begriff stand, ein Testament zu unterschreiben, in dem er sein gewaltiges Vermögen aufteilte. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht bei klarem Verstand war, haben Sie seinem Anwalt, einen Mann, dem er vertraute, nichts davon gesagt?«
»Das war nicht meine Aufgabe.« ,
»Mr. Phelan hätte Sie auf die Straße gesetzt?«
»Sofort.«
»Und nachdem er gesprungen war? Wem haben Sie es danach gesagt?«
»Niemandem.«
»Warum nicht?«
Snead holte Luft und schlug erneut die Beine übereinander. Seiner Ansicht nach lief die Sache nicht schlecht.
»Es war eine Privatangelegenheit«, sagte er ernst. »Ich habe meine Beziehung zu Mr. Phelan als vertraulich betrachtet.«
»Bis jetzt. Bis man Ihnen eine halbe Million Dollar angeboten hat, nicht wahr?«
Snead fiel keine rasche Antwort ein, und Nate gab ihm auch keine Gelegenheit, sich eine zu überlegen. »Sie verkaufen also nicht nur Ihre Außage, sondern auch Ihre vertrauliche Beziehung zu Mr. Phelan, nicht wahr, Mr. Snead?«
»Ich versuche, ein Unrecht wieder gut zumachen.«
»Wie edelmütig. Würden Sie das auch tun, wenn man Sie nicht dafür bezahlte?«
Snead brachte ein zittriges »Ja« heraus, und Nate stimmte ein lautes und langgezogenes Gelächter an. Dabei sah er zu den Phelan-Anwälten hinüber, die sich bemühten, ernsthafte Gesichter zu machen, soweit sie sie nicht versteckten. Er lachte Snead ins Gesicht, stand auf und trat ans Ende des Tisches. »Was für eine Scharade«, sagte er und setzte sich wieder.
Er warf einen Blick auf seine Notizen und fuhr dann fort: »Mr. Phelan ist am neunten Dezember gestorben. Sein Testament wurde am siebenundzwanzigsten desselben Monats eröffnet. Haben Sie in der Zwischenzeit jemandem anvertraut, dass er nicht bei klarem Verstand war, als er das Testament unterschrieb?«
»Nein.«
»Natürlich nicht. Sie haben gewartet, bis es eröffnet war, und als Sie merkten, dass Sie daraus gestrichen worden waren, haben Sie sich entschlossen, die Anwälte aufzusuchen und mit ihnen ein Abkommen zu treffen. So ist es doch, Mr. Snead?«
Der Zeuge antwortete zwar »Nein«, aber Nate achtete nicht darauf.
»War Mr. Phelan geisteskrank?«
»Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet.«
»Sie haben gesagt, dass er nicht bei klarem Verstand war. War das ein Dauerzustand bei ihm?«
»Es kam und ging.«
»Und wie lange kam und ging das schon so?«
»Seit Jahren.«
»Seit wie vielen Jahren?«
»Vielleicht zehn. Das ist aber nur eine Vermutung.«
»In den letzten vierzehn Jahren seines Lebens hat Mr. Phelan elf Testamente abgefasst und Ihnen in einem davon eine Million Dollar hinterlassen. Haben Sie damals erwogen, jemandem mitzuteilen, er sei bei dieser Gelegenheit nicht bei klarem Verstand gewesen?«
»Das war nicht meine Aufgabe.«
»Hat er je einen Psychiater aufgesucht?«
»Meines Wissens nicht.«
»Hat er je irgend jemanden aufgesucht, der ihn auf seinen Geisteszustand untersucht hat?«
»Meines Wissens nicht.«
»Haben Sie ihm je empfohlen, einen solchen Fachmann aufzusuchen?«
»Es war nicht meine Aufgabe, ihm derlei mitzuteilen.«
»Falls Sie ihn nach einem Schlaganfall auf dem Fußboden liegend gefunden hätten - wären Sie dann hingegangen und hätten jemandem gesagt, dass er Hilfe brauchen könnte?«
»Natürlich.«
»Und wenn Sie gesehen hätten, dass er Blut hustet, hätten Sie dann jemandem etwas gesagt?«
»Ja.«
Nate hatte einen fünf Zentimeter dicken Aktenstapel mit Einzelheiten über Mr. Phelans Industriebeteiligungen vor sich liegen.
Er schlug aufs Geratewohl eine Seite auf und fragte Snead, ob er etwas über die Firma Xion Drilling wisse.
Snead gab sich größte Mühe, seinem Gedächtnis den Namen zu entlocken, doch war in jüngster Zeit so viel Neues auf ihn eingestürmt, dass es ihm nicht gelang. Delstar Communications? Wieder verzog Snead das Gesicht; er konnte nichts darüber sagen.
Das fünfte Unternehmen, das Nate nannte, kam ihm bekannt vor. Stolz teilte Snead dem Anwalt mit, dass er die Firma kenne. Mr. Phelan habe sie ziemlich lange besessen. Nate stellte Fragen über Umsatz, Erzeugnisse, Besitzverhältnisse, Erträge, eine endlose Liste von Einzelheiten. Snead gab keine einzige richtige Antwort.
»Wie viel wussten Sie über Mr. Phelans Industriebeteiligungen?« fragte Nate mehrfach. Dann stellte er Fragen über den Aufbau des Phelan-Konzerns. Snead hatte sich zwar die großen Zusammenhänge eingeprägt, Einzelheiten aber waren ihm nicht geläufig. Er konnte den Namen keines einzigen Mitarbeiters der mittleren Führungsebene nennen und kannte auch die Steuerberater des Unternehmens nicht.