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»Was hat Rachel Lane mit dem ganzen Geld vor?« fragte Yancy.

»Das ist noch nicht entschieden«, sagte Josh, als unterhielte er sich jeden Tag mit Rachel über das Thema. »Wahrscheinlich wird sie das meiste an wohltätige Einrichtungen geben und lediglich einen Bruchteil für sich behalten. Ich denke, das ist auch der Grund, warum Troy sie zur Universalerbin eingesetzt hat. Er war fest überzeugt, dass das Geld keine drei Monate vorhalten würde, wenn Ihre Mandanten es bekämen. Indem er es Rachel hinterließ, konnte er sicher sein, dass es für Menschen verwendet wird, die es brauchen.«

Nach diesen Worten trat eine lange Pause ein. Träume zerplatzten wie Seifenblasen. Es gab also jene Rachel Lane doch, und sie dachte offenbar nicht daran, das Erbe auszuschlagen.

»Warum ist sie nicht selbst hier aufgetaucht?« fragte Hark schließlich.

»Nun, man muss die Frau kennen, um diese Frage zu beantworten. Geld bedeutet ihr nichts. Sie hatte nicht damit gerechnet, im Testament ihres Vaters bedacht zu werden, und merkt nun mit einem Mal, dass sie Milliarden geerbt hat. Sie steht nach wie vor unter Schock.«

Eine weitere lange Pause trat ein, in der die Phelan-Anwälte auf ihren Blocks herumkritzelten. »Falls nötig, sind wir bereit, bis zum Obersten Gericht zu gehen«, sagte Langhorne schließlich. »Ist der Frau klar, dass das Jahre dauern kann?«

»Absolut«, gab Josh zur Antwort. »Genau das ist einer der Gründe, warum sie mich gebeten hat, Vergleichsmö g-lichkeiten zu sondieren.«

Na also. Es ging also doch weiter.

»Wo fangen wir an?« fragte Wally Bright.

Das war eine schwierige Frage. Einerseits stand da sozusagen ein Topf voll Gold, der rund elf Milliarden wert war. Erbschaftssteuern dürften mehr als die Hälfte ausmachen, womit immer noch rund fünf Milliarden zum Herumspielen blieben. Auf der anderen Seite standen die Phelan-Kinder, die bis auf Ramble praktisch pleite waren. Wer würde als erster eine Zahl nennen? Wie hoch würde sie sein? Zehn Millionen pro Kopf? Oder hundert?

Josh hatte sich alles zurechtgelegt. »Wir sollten mit dem Testament anfangen«, sagte er. »Einmal vorausgesetzt, dass es als gültig anerkannt wird, legt es in unmissverständlichen Worten fest, dass kein Nachkomme, der es anficht, mit irgendeiner Zahlung rechnen darf. Dieser Passus bezieht sich auf Ihre Mandanten, und deshalb fangen Sie bei null an. Als nächstes sieht das Testament für jeden Ihrer Mandanten einen Betrag in Höhe ihrer Schulden zum Zeitpunkt von Troy Phelans Tod vor.« Josh hob ein weiteres Blatt und warf einen kurzen Blick darauf. »Soweit uns bekannt ist, hat Ramble Phelan bislang keine Schulden. Geena Phelan Strong hatte am Stichtag, dem neunten Dezember, vier-hundertzwanzigtausend Dollar Schulden, Libbigail und Spike rund achtzigtausend, Mary ROSS und der Orthopäde, mit dem sie verheiratet ist, neunhunderttausend. Troy Junior hatte sich zwar in diversen Konkursverfahren des größten Teils seiner Schulden entledigt, stand aber immer noch mit hundertdreißigtausend Dollar zu Buche. Den Vogel schießt Rex ab, denn wie wir alle wissen, standen er und seine reizende Gattin Amber am neunten Dezember mit insgesamt sieben Millionen sechshunderttausend Dollar in der Kreide. Haben Sie gegen diese Darstellung irgendwelche Einwände zu erheben?«

Das war nicht der Fall. Die Zahlen stimmten. Den Anwälten ging es ausschließlich um die nächste Zahl.

»Nate O'Riley hat sich mit seiner Mandantin in Verbindung gesetzt. Weil ihr daran liegt, die Sache aus der Welt zu schaffen, bietet sie jedem der Nachkommen zehn Millionen Dollar.«

Noch nie hatten die Anwälte so rasch geschrieben und gerechnet. Hark hatte drei Mandanten; siebzehneinhalb Prozent bedeuteten für ihn ein Honorar von fünfeinviertel Millionen. Geena und Cody hatten einem Erfolgshonorar in Höhe von einem Fünftel für Langhorne zugestimmt, womit ihre kleine Kanzlei zwei Millionen einnehmen würde. Das gleiche galt für Yancy, vorbehaltlich der Genehmigung durch das Gericht, da Ramble noch minderjährig war. Und Wally Bright, der Winkeladvokat, der seinen Lebensunterhalt damit zusammenkratzte, dass er an den Wartehäuschen von Bushaltestellen zügige Scheidungen anpries, würde entsprechend dem skrupellosen Vertrag, den er mit Libbigail und Spike geschlossen hatte, die Hälfte der zehn Millionen kassieren.

Wally Bright reagierte als erster. Obwohl sich sein Herz wie ein Eisklumpen anfühlte und seine Speiseröhre wie von einer stählernen Klammer umschlossen war, brachte er mit beträchtlicher Dreistigkeit heraus: »Meine Mandantin denkt gar nicht daran, sich mit weniger als fünfzig Millionen zufriedenzugeben.« Obwohl er nicht wusste, wie viele Nullen diese Zahl hatte, sagte er sie mit der Miene eines Menschen, der es gewohnt ist, in Las Vegas die Bank zu sprengen.

Auch die anderen schüttelten den Kopf. Stirnrunzelnd bemühten sie sich, den Eindruck zu erwecken, als widere sie der angebotene lächerliche Betrag geradezu an, während sie in Wahrheit bereits überlegten, wie sie das Geld ausgeben würden.

Sie hatten sich darauf geeinigt, sofern von Geld gesprochen wurde, auf keinen Fall weniger als fünfzig Millionen pro Erben zu akzeptieren. Vor der Besprechung hatte das gut geklungen. Jetzt sahen die zehn Millionen, die als Angebot auf dem Tisch lagen, ausgesprochen verlockend aus.

»Das entspricht etwa einem Prozent des Netto-Nachlasses«, sagte Hark.

» So kann man das sehen «, sagte Josh. » Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Sache zu betrachten. Ich fange aber lieber bei null an, denn da befinden Sie sich zur Zeit, und arbeite mich nach oben, als dass ich den ganzen Nachlass ins Auge fasse und mich nach unten arbeite.«

Doch da Josh an ihrem Vertrauen gelegen war, sagte er, nachdem sie eine Weile mit Zahlen jongliert hatten: »Wenn ich einen der Nachkommen zu vertreten hätte, würde ich auch zehn Millionen nicht akzeptieren.«

Sie erstarrten und hörten aufmerksam zu.

»Rachel Lane ist nicht knauserig. Ich denke, dass Nate sie überreden könnte, sich mit zwanzig Millionen für jeden Erben einverstanden zu erklären.«

Damit verdoppelten sich ihre Honorare. Über zehn Millionen für Hark. Vier Millionen für Langhorne und Yancy. Der arme Wally, der jetzt bei zehn stand, hatte plötzlich einen Anfall von Diarrhöe und bat, hinausgehen zu dürfen.

Nate war eifrig dabei, einen Türrahmen zu streichen, als sein Mobiltelefon summte. Josh hatte verlangt, dass er das verdammte Ding ständig in Reichweite hatte.

»Falls es für mich ist, notieren Sie einfach die Nummer«, sagte Phil. Er maß gerade eine komplizierte Ecke für das nächste Stück Spanplatte aus.

Es war Josh. »Es hätte gar nicht besser laufen können«, verkündete er. »Ich habe bei zwanzig Millionen pro Nase aufgehört obwohl sie fünfzig wollten.«

»Fünfzig?« fragte Nate ungläubig.

»Ja, aber sie sind schon dabei, das Geld auszugeben. Ich möchte wetten, dass zumindest zwei von ihnen inzwischen beim Mercedes-Händler sind.«

»Und wer gibt es schneller aus, die Anwälte oder die Mandanten?«

»Ich würde auf die Anwälte tippen. Ich habe gerade mit Wycliff gesprochen. Wir treffen uns am Mittwoch um drei im Hinterzimmer. Bis dahin müssten wir alles fertig haben.«

»Ich kann es nicht erwarten«, sagte Nate und klappte das Telefon zu. Zeit für eine Kaffeepause. Sie setzten sich, den Rücken an die Wand gelehnt, auf den Fußboden und tranken Milchkaffee.

»Fünfzig wollten sie?« Inzwischen kannte Phil die Einzel ten. Seit sie allein unten im Keller der Kirche arbeiteten, hatten die beiden kaum noch Geheimnisse voreinander. Das Gespräch zwischen ihnen war wichtiger als der Fortschritt, den sie machten. Phil war Geistlicher und Nate Anwalt. So unterlag alles, was gesagt wurde, irgendeiner Art von Amtsgeheimnis.