» Biff hätte gern einen Porsche «, sagte Troy Junior, der nach wie vor in den Prospekten blätterte, »'nen roten Neunelfer Carrera Turbo, mit Klappverdeck und Hardtop.«
»Wann?«
Troy Junior blitzte ihn entrüstet an. »Sofort.«
»Kein Problem, TJ. Und was ist mit der Bezahlung?«
»Ich zahle den zusammen mit meinem schwarzen, auch nen Neunelfer. Was kosten die?«
»Um die neunzigtausend pro.«
»Ist in Ordnung. Wann können wir sie abholen?«
»Ich muss sie erst besorgen. Das kann ein oder zwei Tage dauern. Bar?«
»Natürlich.«
»Wann kriegen Sie denn das Geld?«
»In etwa einem Monat. Aber die Autos will ich gleich.«
Dickie hielt die Luft an und zuckte zusammen. »Ich kann aber keine zwei neuen Autos ohne irgendeine Art von Bezahlung rausrücken.«
»Schön. Dann seh ich mich bei der Konkurrenz um. Biff wollte sowieso schon immer nen Jaguar haben.«
»Nicht so hastig, TJ.«
»Ich könnte diesen ganzen Laden hier kaufen. Ich könnte in jede beliebige Bank gehen und zehn oder zwanzig Millionen verlangen oder wie viel auch immer nötig ist, den Schuppen hier aufzukaufen, und die würden mir das Geld liebend gern auf zwei Monate geben. Verstehen Sie das?«
Dickie nickte, seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Doch, er verstand durchaus. »Wie viel hat er Ihnen hinterlassen?«
»So viel, dass ich auch die Bank kaufen könnte. Krieg ich jetzt die Autos, oder muss ich ein Haus weiter gehen?«
»Ich muss sie erst auftreiben.«
»Kluger Junge«, sagte TJ. »Machen Sie Dampf dahinter. Ich melde mich heute Nachmittag. Nun rufen Sie schon an.« Er warf die Prospekte auf Dickies Schreibtisch und verließ das Büro.
Rambles Trauer äußerte sich darin, dass er sich den ganzen Tag über in seiner Bude im Keller einschloss, Marihuana rauchte, Rapmusik hörte und sich nicht im geringsten darum kümmerte, wer an die Tür klopfte oder anrief. Seine Mutter hatte ihm wegen der Familientragödie erlaubt, der Schule für den Rest der Woche fernzubleiben. Wenn sie nicht völlig ahnungslos gewesen wäre, hätte sie gewusst, dass man ihn dort schon einen Monat nicht mehr gesehen hatte.
Am Vortag hatte ihm sein Anwalt auf der Rückfahrt vom Phelan-Hochhaus erklärt, das Ge ld werde treuhänderisch verwaltet, bis er entweder achtzehn oder einundzwanzig Jahre alt sei, je nach den Bedingungen des Testaments. Zwar könne er zur Zeit nicht an das Kapital heran, werde aber sicherlich bis dahin ein großzügiges Taschengeld bekommen.
Sein Traum war es, eine Musikgruppe zu gründen, alternativer Rock mit starken Rap-Einflüssen, etwas völlig Neues. Er war schon dabei, es zu erfinden. Er beschloss, sie Ramble zu nennen. Mit seinem Geld konnten sie Platten aufnehmen. Er kannte junge Männer, die mit ihrer Gruppe keinen Erfolg hatten, weil sie es sich nicht leisten konnten, ein Studio zu mieten. Das würde bei ihm anders sein. Er würde nicht nur Bassgitarre spielen, sondern auch Leadsänger sein, und die Mädchen würden sich um ihn reißen.
Zwei Stockwerke weiter oben in ihrem geräumigen Haus verbrachte Tira den Tag am Telefon und plauderte mit Freundinnen, die angerufen hatten, um halbherzig ihr Beileid auszusprechen.
Die meisten fragten sie nach längerem Austausch von Klatsch und Tratsch, wie viel sie wohl aus dem Nachlass
bekommen würde, aber sie scheute sich, eine Vermutung auszusprechen. Sie hatte Troy 1982 mit dreiundzwanzig Jahren geheiratet und zuvor einen umfangreichen Ehevertrag unterschrieben, der ihr für den Fall einer Scheidung lediglich zehn Millionen und ein Haus zubilligte.
Vor sechs Jahren waren sie auseinandergegangen. Jetzt besaß sie nur noch zwei Millionen.
Ihre Bedürfnisse waren aber auch bescheiden. Während alle ihre Bekannten Strandhäuser in stillen Buchten auf den Bahamas hatten, musste sie sich damit begnügen, in Luxushotels abzusteigen. Ihre Freundinnen fuhren für ihre Designer-Kleidung nach New York; sie musste alles hier kaufen. Die Kinder der anderen waren im Internat und störten zu Hause nicht; Ramble saß im Keller und dachte nicht daran, herauszukommen.
Bestimmt hatte ihr Troy um die fünfzig Millionen hinterlassen. Allein schon ein Prozent seines Nachlasses dürfte sich auf etwa hundert Millionen belaufen. Sie rechnete sich das auf einer Papierserviette aus, während sie mit ihrem Anwalt telefonierte.
Geena Phelan Strong war dreißig und bemühte sich, die Ehe mit ihrem zweiten Mann Cody durchzustehen, die sich ausgesprochen stürmisch entwickelt hatte. Er stammte aus einer steinreichen alten Familie aus dem Osten der Vereinigten Staaten, deren Geld sich bisher aber nur als Gerücht gezeigt hatte. Geena jedenfalls hatte noch nichts davon gesehen. Codys Bildungsweg war eindrucksvoll - er hatte nach dem Besuch eines Prestige-Internats und des Dartmouth College ein BWL-Diplom an der New Yorker Columbia-Universität erworben. Seiner eigenen Einschätzung nach war er ein Visionär der Finanzwelt, doch hielt es ihn in keinem seiner Jobs. Die Wände eines Büros vermochten seine Begabung nicht zu fassen. Die Vorschriften launischer Vorgesetzter sollten die Entfaltung seiner Träume nicht behindern. Cody würde eines Tages Milliardär sein, natürlich aus eigener Kraft und vermutlich der jüngste in der Geschichte.
Doch auch nach sechs gemeinsam verbrachten Jahren hatte Cody seine Nische noch nicht gefunden. Die Verluste, die er erlitt, waren wirklich atemberaubend. Ein misslungenes Termingeschäft mit Kupfer hatte 1992 mehr als eine Million von Geenas Geld verschlungen. Zwei Jahre später hatte er bei einer Spekulation mit ungesicherten Optionspapieren Schiffbruch erlitten, als der Aktienmarkt eingebrochen war. Geena hatte sich vier Monate lang von ihm getrennt, war aber zurückgekehrt, nachdem sie eine Eheberatung aufgesucht hatten. Codys Geschäftsidee, »Hühnchen im Eismantel« unters Volk zu bringen, hatte ihn lediglich eine halbe Million gekostet.
Sie verbrauchten viel Geld. Ihr Eheberater hatte ihnen als Therapie empfohlen zu reisen, und so hatten sie die Welt gesehen. Zwar wurden viele ihrer Schwierigkeiten dadurch gemildert, dass sie jung und wohlhabend waren, aber das Geld schwand nur so dahin. Von den fünf Millionen, die Geena zum einundzwanzigsten Geburtstag von ihrem Vater bekommen hatte, war nicht einmal mehr eine da, und ihre Schulden nahmen immer mehr zu. Als Troy von der Dachterrasse sprang, war der auf ihrer Ehe lastende Druck unerträglich geworden.
Daher waren sie an diesem Vormittag damit beschäftigt, nach einem Haus in Swinks Mill zu suchen, dem Ziel ihrer hochfliegenden Träume. Von Stunde zu Stunde wurden ihre Ansprüche größer, und um die Mittagszeit erkundigten sie sich schon nach Häusern, die mehr als zwei Millionen kosteten. Um zwei Uhr trafen sie sich mit einer abschlussgeilen hochtoupierten Immobilienmaklerin namens Lee, die mit zwei Mobiltelefonen und einem blitzenden Cadillac ausgestattet war. Geena stellte sich ihr als »Geena Phelan« vor, wobei sie den Nachnamen unüberhörbar betonte. Doch die Frau schien keine Finanzzeitschriften zu lesen, denn der Name sagte ihr offensichtlich nichts. Daher sah sich Cody bei der Besichtigung des dritten Objekts genötigt - Geena inspizierte gerade eine kleine Sauna, die in der Eingangshalle in einen Wandschrank eingebaut war -, sie beiseite zu nehmen und ihr zuzuflüstern, um wen es sich bei seinem Schwiegervater gehandelt hatte.
»Der reiche Kerl, der gesprungen ist?« fragte die Mäklerin und schlug sich die goldberingte Hand vor den Mund. Betrübt nickte Cody.
Am Abend besichtigten sie ein leerstehendes Haus, das viereinhalb Millionen kosten sollte, und überlegten sich ernsthaft, ein Kaufangebot abzugeben. Lee hatte nur selten mit so betuchten Kunden zu tun und war daher inzwischen in helle Aufregung geraten.
Der vierundvierzigjährige Rex, TJs jüngerer Bruder, war zum Zeitpunkt von Troys Tod das einzige seiner Kinder, gegen das ein strafrechtliches Untersuchungsverfahren lief. Seine Schwierigkeiten gingen auf den Bankrott einer Bank zurück, der zahllose Prozesse und Untersuchungen nach sich zog. Schon seit drei Jahren waren Bankrevisoren und das FBI mit eingehenden Nachforschungen beschäftigt.