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»Das ist eine beachtliche Forderung«, sagte Nate. »Aber sie geben sich bestimmt mit viel weniger zufrieden.« »Rechnen Sie damit, dass es zu einem Vergleich kommt?«

»Klar. Wir treffen uns am Mittwoch beim Richter. Er wird ein bißchen Druck ausüben. Bis dahin werden die Anwälte und ihre Mandanten wohl das Geld schon zählen.«

»Und wann fliegen Sie?«

»Vermutlich am Freitag. Wollen Sie mitkommen?«

»Das kann ich mir nicht leisten.«

»Natürlich können Sie. Meine Mandantin zahlt alles. Sie können unterwegs mein geistlicher Berater sein. Geld spielt keine Rolle.«

»Es wäre nicht recht.«

»Hören Sie, Phil. Ich zeige Ihnen das Pantanal. Sie können meine guten Freunde Jevy und Welly kennenlernen. Wir unternehmen eine Bootsfahrt.«

»Sie schildern das sehr verlockend.«

»Es ist überhaupt nicht gefährlich. Viele Touristen reisen ins Pantanal. Es ist ein phantastisches ökologisches Reservat. Ernsthaft, Phil, falls Sie interessiert sind, kann ich das deichseln.«

»Ich habe keinen Pass«, sagte er und trank einen Schluck Kaffee. »Außerdem habe ich hier viel zu tun.«

Nate plante, eine Woche fortzubleiben, und irgendwie gefiel ihm die Vorstellung, dass es im Keller nach seiner Rückkehr genauso außehen würde wie jetzt.

»Mrs. Sinclair kann jetzt jederzeit sterben«, sagte Phil leise. »Ich kann nicht weg.«

Man rechnete schon seit mindestens einem Monat mit Mrs. Sinclairs Ableben, so dass Phil sogar Bedenken hatte, nach Baltimore zu fahren, obwohl es sozusagen um die Ecke lag. Es war Nate klar, dass er das Land nie verlassen würde.

»Sie werden die Frau also wiedersehen«, sagte Phil.

»Ja.«

»Sind Sie aufgeregt?«

»Ich weiß nicht. Ich freue mich darauf, aber ich bin nicht sicher, ob sie mich sehen will. Sie ist da unten sehr glücklich und möchte mit dieser Welt hier nichts zu tun haben. Es wird ihr überhaupt nicht recht sein, dass ich sie wieder mit all dem juristischen Krim belästige.«

»Und warum tun Sie es dann?«

»Weil es nichts zu verlieren gibt. Wenn sie das Geld wieder nicht will, sind wir in derselben Situation wie jetzt.

Die Gegenseite bekommt alles.«

»Das wäre eine Katastrophe.«

»Ja. Es dürfte schwierig sein, Menschen zu finden, die weniger geeignet sind, mit großen Beträgen umzugehen, als die Phelan-Nachkommen. Sie bringen sich damit nur um.«

»Können Sie das Rachel nicht erklären?«

»Das habe ich versucht. Sie will nichts davon hören.«

»Und sie wird es sich nicht anders überlegen?«

»Nein. Nie.«

»Das heißt, die Fahrt dorthin ist Zeitverschwendung?«

»Ich fürchte, ja. Aber wir wollen es zumindest versuchen.«

FÜNFZIG

Mit Ausnahme Rambles bestanden alle Phelan-Nachkommen darauf, sich während der Besprechung zwischen den Anwälten und Richter Wycliff entweder im Gericht selbst oder in Steinwurfweite davon entfernt aufzuhalten. Jeder von ihnen hatte ein Mobiltelefon zur Hand, jeder der Anwälte im Richterzimmer ebenfalls.

Mandanten und Anwälte hatten nicht viel geschlafen in den letzten beiden Nächten.

Wie oft im Leben wird man schon auf einen Schlag Millionär? Zumindest für die Phelan-Nachkommen würde es ein Ereignis sein, das zweimal stattfand, und jeder von ihnen nahm sich vor, diesmal weit überlegter mit dem Geld umzugehen. Noch einmal würden sie dazu keine Gelegenheit bekommen.

Sie gingen auf den Gängen des Gerichtsgebäudes auf und ab und warteten. Sie rauchten draußen vor dem Haupteingang. Sie saßen in ihren warmen Autos auf dem Parkplatz und rutschten unruhig hin und her. Sie sahen auf die Uhr, versuchten Zeitung zu lesen oder machten mühsam Konversation, wenn sie einander zufällig über den Weg liefen.

Nate und Josh saßen auf der einen Seite des Richterzimmers. Natürlich trug Josh einen teuren dunklen Anzug. Nate war in einem Jeanshemd mit weißen Farbflecken auf dem Kragen gekommen und trug keine Krawatte.

Jeans und Wanderstiefel rundeten seinen Aufzug ab.

Wycliff wandte sich zuerst an die Phelan-Anwälte auf der anderen Seite des Raumes. Er wies sie darauf hin, dass er, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nicht daran denke, Rachel Lane vom Verfahren auszuschließen. Zu viel stehe für sie auf dem Spiel. Mr. O'Riley vertrete ihre Interessen in angemessener Weise, und daher werde das Verfahren den vorgeschriebenen Gang gehen.

Der Zweck der Zusammenkunft war es, die Möglichkeiten eines Vergleichs auszuloten. In jedem Zivilprozess ist einem Richter daran gelegen, eine Einigung herbeizuführen. Zwar freute sich Wycliff insgeheim auf eine sich möglichst lang hinziehende, hässliche Auseinandersetzung der Parteien vor Gericht, die in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregen würde. Das aber durfte er sich keinesfalls anmerken lassen. Er war von Amts wegen verpflichtet, beide Seiten mit allen verfügbaren Mitteln zu einem Vergleich zu bewegen, sei es durch sanften Druck, sei es durch Überredung.

In diesem Fall aber war weder Druck noch Überredung erforderlich.

Er hatte alle vorgelegten Dokumente und Anträge gründlich durchgearbeitet und sich jede Minute der Zeugenbefragungen auf Band angesehen. Er fasste seine Einschätzung der Lage zusammen und teilte Hark, Bright, Langhorne und Yancy als seine wohlerwogene Schlussfolgerung mit, dass ihre Sache seiner Meinung nach nicht besonders günstig stehe.

Sie nahmen diese Mitteilung, die sie nicht überraschte, mit Fassung auf. Das Geld war zum Greifen nahe, und sie wollten es unbedingt haben. Beleidige uns, soviel du willst, sagten sie sich, aber komm zur Sache, nämlich zum Geld.

Andererseits, sagte Wycliff, kann man nie wissen, was Geschworene entscheiden werden. Er tat so, als stelle er jede Woche eine Geschworenenliste zusammen, was nicht der Fall war. Auch den Anwälten war das bekannt.

Er forderte Josh auf vorzutragen, was bei der ersten Vergleichsbesprechung am Montag, vor zwei Tagen, gesagt worden war. »Ich möchte genau wissen, wo wir stehen«, erklärte er.

Josh fasste sich kurz. Alles ließ sich in wenigen Sätzen sagen. Jeder der Nachkommen fordere fünfzig Millionen Dollar. Rachel, die Universalerbin, biete jedem zwanzig Millionen an, und zwar auf der Basis eines außergerichtlichen Vergleichs, ohne damit einen Rechtsanspruch der anderen anzuerkennen.

»Die genannten Beträge weichen beträchtlich voneinander ab«, merkte Wycliff an.

Nate war zwar gelangweilt, bemühte sich aber, wachsam zu erscheinen. Immerhin ging es bei dieser Verhandlung um eins der bedeutendsten Vermögen auf der ganzen Welt, das je von einem einzelnen Menschen zusammengetragen worden war. Josh hatte Nate wegen seiner Kleidung getadelt, doch das ließ ihn kalt. Er hielt sein Interesse wach, indem er aufmerksam die Gesichter der ihm gegenüber sitzenden Anwälte studierte. Sie wirkten unruhig, nicht etwa besorgt oder ängstlich, sondern eher so, als könnten sie es nicht abwarten zu erfahren, wie viel sie bekommen würden. Ihre Augen huschten umher, ihre Handbewegungen waren fahrig-Was für ein Spaß wäre es doch, einfach aufzustehen, zu erklären, Rachel biete niemandem auch nur einen Cent, und den Raum zu verlassen. Sie würden einige Augenblicke wie erstarrt dasitzen und ihn dann jagen wie halbverhungerte Hunde.

Als Josh fertig war, sprach Hark für die Gegenseite. Er hatte sich Notizen gemacht und gründlich überlegt, was er sagen wollte. Als er einräumte, der Fall habe sich nicht so entwickelt, wie sie sich das vorgestellt hatten, hörten sie ihm aufmerksam zu. Ihre Mandanten seien keine guten Zeugen und die neuen Psychiater nicht so zuverlässig wie die vorigen drei. Snead sei nicht glaubwürdig. All das gab er mit bewundernswerter Aufrichtigkeit zu. Statt sich mit juristischen Konstruktionen abzugeben, konzentrierte sich Hark auf die Menschen. Er sprach über ihre Mandanten, Phelans Kinder, und räumte ein, dass sie auf den ersten Blick nicht besonders sympathisch wirkten. Wer sie aber besser kenne, so gut wie ihre Anwälte, müsse sich eingestehen, dass sie einfach nie im Leben eine wirkliche Chance gehabt hatten. Als Kinder seien sie verzogen worden, die Kindermädchen hätten sich die Türklinke in die Hand gegeben, ihr Vater habe nichts von ihnen wissen wollen und entweder gerade in Asien Fabriken gekauft oder in seinem Büro mit der jeweils neuesten Sekretärin zusammengelebt. Geld sei immer in Hülle und Fülle da gewesen, ohne dass man dafür einen Finger habe krumm machen müssen. Es sei keinesfalls seine Absicht, das Andenken des Toten herabzusetzen, aber man müsse Troy Phelan so sehen, wie er gewesen sei. Auch den Müttern müsse man ein gerüttelt Maß an Schuld für die Fehlentwicklung der Kinder geben, doch hätten sie selbst an Troys Seite ebenfalls die Hölle durchlebt.