Выбрать главу

Die Phelan-Kinder seien nun einmal nicht in einer normalen Familie aufgewachsen, und niemand habe ihnen je beigebracht, was die meisten anderen Kinder von ihren Eltern lernen. Der Vater sei ein bedeutender Geschäftsmann gewesen, dessen Anerkennung sie gesucht, aber nie bekommen hätten. Die Mütter hätten ihre Zeit mit Kaffeekränzchen, mildtätigen Einrichtungen und der Kunst des Einkaufens totgeschlagen. Ihr Vater sei der Ansicht gewesen, sie damit, dass er ihnen zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag fünf Millionen Dollar gab, hinreichend auf das Leben vorbereitet zu haben. Das sei gleichzeitig viel zu spät und viel zu früh gewesen. Das Geld habe auf keinen Fall die elterliche Anleitung und Liebe ersetzen können, die sie als Kinder gebraucht hätten, und sie hätten deutlich bewiesen, dass ihnen das Verantwortungsgefühl abging, das sie für den Umgang mit dem schlagartig über sie hereingebrochenen Reichtum gebraucht hätten.

Zwar hätte sich diese Zuwendung für sie als katastrophal erwiesen, aber zugleich auch einen Reifeprozeß ausgelöst. Jetzt, nach vielen Jahren, könnten die Phelan-Kinder ihre Fehler im Rückblick richtig einschätzen. Sie empfänden es als beschämend, wie unüberlegt sie mit dem Geld umgegangen seien. Man müsse sich einmal vorstellen, wie das sei, wenn man eines Tages aufwache wie der verlorene Sohn. Genau so aber sei es Rex einst mit zweiunddreißig Jahren gegangen: Geschieden und zahlungsunfähig habe er vor einem Richter gestanden, der im Begriff stand, ihn zu einer Gefängnisstrafe zu verurteilen, weil er seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachgekommen war. Man müsse sich einmal vorstellen, wie es sei, wenn man elf Tage im Gefängnis sitze, während der Bruder, gleichfalls mittellos und geschieden, die Mutter zu überzeugen versucht, die Kaution zu stellen. Rex habe ihm gesagt, er hätte die ganze Zeit in der Haft überlegt, wo all das Geld geblieben sei.

Das Leben sei mit den Phelan-Kindern hart umgesprungen. Zwar hätten sie sich viele ihrer Wunden selbst zuzuschreiben, viele aber seien ihres Vaters wegen unvermeidlich gewesen.

Dessen eigenhändiges Testament nun bilde den krönenden Abschluss der Vernachlässigung durch ihn. Niemals würden sie verstehen, aus welchem Grund der Mann, der sie als Kinder verachtet, als Erwachsene bestraft und als Erben aus seinem Testament gestrichen hatte, ihnen gegenüber so boshaft gewesen war.

Hark schloss mit den Worten: »Wie auch immer man die Dinge betrachtet, sie sind und bleiben Abkömmlinge Troy Phelans, sein Fleisch und Blut, und sie verdienen sicherlich einen angemessenen Anteil am Nachlass ihres Vaters.«

Als er sich setzte, herrschte Stille im Raum. Mit dieser zu Herzen gehenden Schilderung hatte er Nate, Josh und sogar Wycliff gerührt. Vor einem Geschworenengericht wäre er damit nie durchgekommen, weil er in einer öffentlichen Verhandlung nie hätte zugeben dürfen, dass keiner seiner Mandanten einen einklagbaren Anspruch hatte, aber für die Situation im Richterzimmer war sein Plädoyer einfach perfekt gewesen.

Bei der Rollenverteilung war festgelegt worden, dass Nate die Verfügung über das Geld haben sollte. Er hätte ohne weiteres eine geschlagene Stunde lang feilschen, tricksen, bluffen und einige Millionen herunterhandeln können. Aber dazu hatte er einfach keine Lust. Wenn ein Hark Gettys imstande war, mit offenen Karten zu spielen, konnte er das auch. Ohnehin diente die ganze Veranstaltung ja nur der Verschleierung.

»Was ist Ihr letztes Wort?« fragte er Hark, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

»Das mit dem letzten Wort ist so eine Sache, aber ich denke, fünfzig Millionen sind angemessen. Ich weiß, dass sich das nach viel anhört, und es ist auch eine ganze Menge, aber andererseits muss man auch die Höhe des Nachlasses bedenken. Nach Abzug der Steuern reden wir über nicht mehr als fünf Prozent des Gesamtbetrags.« »Fünf Prozent ist nicht sehr viel«, sagte Nate und ließ die Worte zwischen ihnen stehen. Hark sah ihn aufmerksam an, doch die anderen beugten sich eifrig mit gezückten Stiften über ihre Blc)Cks um alles neu durchzurechnen.

»Das ist es wirklich nicht«, sagte Hark.

»Meine Mandantin ist mit fünfzig Millionen einverstanden« sagte Nate. Vermutlich brachte seine Mandantin gerade kleinen Kindern im Schatten eines Baums am Fluss fromme Lieder bei.

Wally Bright, der gerade ein Honorar von fünfundzwanzig Millionen verdient hatte, wäre am liebsten durch den Raum gestürmt, um Nate die Füße zu küssen. Statt dessen runzelte er angestrengt die Stirn und notierte etwas auf seinem Block, was er selbst nicht lesen konnte.

Natürlich hatte Josh das Ergebnis vorhergesehen. Schließlich hatten seine Erbsenzähler die nötige Vorarbeit geleistet. Wycliff aber war sprachlos. Es war zu einer Einigung gekommen, ein Prozeß würde nicht stattfinden.

Er musste den Eindruck erwecken, als sei er damit zufrieden. »Darf ich das so verstehen« sagte er »dass sich die Parteien geeinigt haben?«

Aus reiner Gewohnheit drängten sich die Phelan-Anwälte ein letztes Mal um Hark zusammen und versuchten, miteinander zu flüstern, doch ihnen fehlten die Worte.

»Wir sind uns einig«, verkündete Hark, um sechsundzwanzig Millionen reicher.

Ganz zufällig hatte Josh einen fertigen Vergleichsentwurf zur Hand. Sie machten sich daran, die Leerstellen auszufüllen, als den Phelan-Anwälten mit einem Mal ihre Mandanten einfielen. Sie baten um Entschuldigung, eilten in den Gang hinaus und holten ihre Mobiltelefone hervor. Troy Junior wartete neben eifern Getränkeautomaten im Erdgeschoss. Geena und Cody lasen in einem leeren Gerichtssaal Zeitung. Spike und Libbigail saßen in ihrem alten Kleinlaster, der ein Stück weiter auf der Straße stand, und Mary ROSS saß in ihrem Cadillac auf dem Parkplatz. Ramble war zu Hause im Keller, hatte die Tür abgeschlossen, die K(3pf-hörer aufgestülpt und befand sich in einer anderen Welt.

Um Rechtskraft zu erlangen, musste der Vertrag von Rachel Lane mit ihrer Unterschrift gebilligt werden. Die Phelan-Anwälte baten darum, die Sache streng vertraulich zu behandeln, und Wycliff erklärte sich bereit, die Gerichtsakte einstweilen zu versiegeln. Nach einer Stunde war alles erledigt. Der Vertrag wurde von jedem der Phelan-Erben und ihren Anwälten unterzeichnet. Auch Nate unterschrieb.

Nur eine Unterschrift fehlte. Nate teilte ihnen mit, es werde einige Tage dauern, sie zu beschaffen.

Wenn die wüssten, dachte er, als er das Gericht verließ.

Am Freitag Nachmittag fuhren Nate und der Pfarrer im geleasten Auto des Anwalts zum Flughafen BaltimoreWashington. Phil saß am Steuer, um sich mit dem Wagen vertraut zu machen. Nate döste auf dem Beifahrersitz vor sich hin. Auf der Chesapeake Bay Bridge wurde er wach und las Phil, der alle Einzelheiten wissen wollte, die mit den Erben getroffene Vereinbarung vor.

Die elegante, glänzende Gulfstream IV des Phelan-Konzerns, die zwanzig Menschen an jeden Ort der Erde bringen konnte, stand abflugbereit. Da sich Phil einen Eindruck von dem Flugzeug verschaffen wollte, bat Nate die Piloten, ihnen die Maschine zu zeigen. Das bereitete nicht die geringsten Schwierigkeiten, Mr. O'Rileys Wunsch war ihnen Befehl. Überall in der Kabine sah man Leder und Holz, es gab Sofas, Lehnsessel, einen Besprechungstisch und mehrere Fernsehbildschirme. Ein normaler Passagierflug hätte Nate genügt, aber Josh hatte darauf bestanden, dass er diese Maschine nahm.