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Er sah Phil nach, während dieser davonfuhr, dann bestieg er das Flugzeug erneut. In neun Stunden würde er in Corumba sein.

Der Stiftungsvertrag war bewusst so knapp und klar formuliert, wie das bei einem so komplizierten juristischen Text überhaupt möglich war. Josh hatte seine Leute, die er mit dem Entwurf beauftragt hatte, dazu veranlasst, ihn mehrfach zu überarbeiten. Sofern Rachel überhaupt gesonnen war, den Vertrag zu unterschreiben, war es von größter Bedeutung, dass sie seinen Sinn vollständig erfasste. Zwar würde Nate da sein, um ihr alles Erforderliche zu erklären, doch er wusste, dass sie mit solchen Dingen nicht viel Geduld hatte.

Der Vertrag sah vor, dass die gesamte Erbmasse, die Rachel gemäß dem Testament ihres Vaters zufiel, in eine Stiftung eingebracht wurde, die den Namen Rachel-Stiftung tragen sollte, denn etwas Originelleres war ihnen nicht eingefallen. Zehn Jahre lang durfte das Kapital nicht angerührt werden; lediglich die auflaufenden Zinsen und sonstigen Erträge konnten für wohltätige Zwecke verwendet werden. Nach Ablauf dieser zehn Jahre war es nach Gutdünken der Treuhänder möglich, jährlich fünf Prozent des Kapitals zusätzlich zu den Zinsen und sonstigen Erträgen auszugeben, und zwar ausschließlich für wohltätige Zwecke, wobei die Missionstätigkeit von

World Tribes Missions im Vordergrund stand. Doch waren die Bedingungen bewusst so formuliert, dass die Treuhänder das Geld auch für nahezu jeden Zweck verwenden konnten, der den Absichten der Stifterin entsprach. Als erste Treuhänderin war Neva Collier von der Missionsgesellschaft eingetragen worden; sie hatte das Recht, bis zu einem Dutzend weiterer Treuhänder zu benennen, die gemeinsam mit ihr die Aufgaben bewältigen sollten. Die Treuhänder mussten Rachel auf Verlangen Rechenschaft ablegen, aber sonst niemandem.

Falls Rachel es wünschte, würde sie selbst das Geld nie zu sehen bekommen. Errichtet würde die Stiftung mit Hilfe von der Missionsgesellschaft benannter Anwälte.

Es war eine ganz einfache Lösung.

Lediglich zwei rasche Unterschriften von Rachel Lane, oder wie ihr Nachname auch lautete, waren nötig. Eine unter den Stiftungsvertrag, die andere unter die Vereinbarung mit den Erben. Sobald das erledigt war, würden der Abwicklung des Phelan-Nachlasses keine weiteren Hemmnisse im Weg stehen. Danach konnte Nate tun, was er sich vorgenommen hatte, sich seinen Schwierigkeiten stellen, die unvermeidliche bittere Pille schlucken und danach sein Leben neu aufbauen. Er konnte es gar nicht abwarten, damit anzufangen.

Falls sie sich weigerte, den Stiftungsvertrag und die Einigungserklärung zu unterschreiben, brauchte Nate ihre Unterschrift unter einer Verzichtserklärung. Sie hatte das Recht, die Erbschaft auszuschlagen, musste das aber dem Gericht in rechtsverbindlicher Weise mitteilen.

Eine solche Verzichtserklärung würde aus Troys Testament ein wertloses Blatt Papier machen. Es wäre zwar gültig, ließe sich aber nicht vollstrecken, und man musste so tun, als hätte er kein Testament hinterlassen. In diesem Fall würde der Nachlass entsprechend der Zahl seiner ehelichen Nachkommen in sechs gleiche Teile geteilt.

Wie würde Rachel reagieren? Er wünschte sich, dass sie sich freute, ihn zu sehen, aber was das betraf, war er seiner Sache alles andere als sicher. Er erinnerte sich, wie sie dem Boot nachgewinkt hatte, als er mit Jevy abgefahren war, unmittelbar bevor ihn das Fieber erfasst hatte. Sie hatte inmitten der Indianer gestanden und ihm auf immer Lebewohl gewinkt. Sie wollte nicht mit weltlichen Dingen behelligt werden.

EINUNDFÜNFZIG

Valdir wartete schon, als die Gulfstream auf das kleine Empfangsgebäude des Flugplatzes von Corumba zurollte, Es war ein Uhr nachts, alles lag verlassen da. Nate sah zu der Handvoll Kleinflugzeuge am anderen Ende der Rollbahn hin und überlegte, ob es Milton je gelungen war, seine Maschine aus dem Pantanal zu bergen.

Er und Valdir begrüßten sich wie alte Freunde. Nates gesundes Außehen überraschte den Brasilianer angenehm. Bei ihrer letzten Begegnung war er vom Denguefieber geschüttelt gewesen und hatte wie ein Gerippe ausgesehen.

Sie fuhren in Valdirs Fiat in die Stadt. Die Fenster waren heruntergekurbelt, so dass die warme, feuchte Luft Nate ins Gesicht blies. Die Piloten würden ihnen in einer Taxe folgen. Die staubigen Straßen lagen verlassen da. Niemand war unterwegs. Sie blieben vor dem Hotel Palace stehen. Valdir gab Nate einen Schlüssel. »Zimmer zweihundertzwölf«, sagte er. »Um sechs Uhr bin ich wieder da.«

Nate schlief vier Stunden und wartete schon auf dem Bürgersteig, als sich die Morgensonne zwischen den Gebäuden erhob. Der klare Himmel gehörte zu den ersten Dingen, die ihm auffielen. Die Regenzeit war seit einem Monat vorüber. Inzwischen wurde es allmählich kühler, doch sank das Thermometer tagsüber selten unter fünfundzwanzig Grad.

In seiner schweren Aktentasche hatte er die Papiere, eine Fotokamera, ein neues Satellitentelefon, ein neues Mobiltelefon, einen Funkrufempfänger, eine Literflasche mit dem stärksten Insektenschutzmittel, das zu haben war, ein kleines Geschenk für Rachel und zweimal Wäsche zum Wechseln. Zu einer langen Khakihose trug er ein Hemd mit langen Ärmeln. Zwar mochte es ihm unbehaglich werden, wenn er ein wenig schwitzte, aber kein Insekt würde seine Rüstung durchdringen.

Um Punkt sechs Uhr kam Valdir, und sie fuhren zum Flughafen. Langsam erwachte die Stadt zum Leben.

Valdir hatte den Hubschrauber mit zwei Piloten zum Preis von tausend Dollar die Stunde von einer Firma in Campo Grande gemietet. Er bot vier Personen Platz, und seine Reichweite betrug fünfhundert Kilometer.

Valdir und die Piloten hatten Jevys Karten des Xeco und seiner Nebenflüsse genau studiert. Nachdem die Überschwemmungen zurückgegangen waren, war die Orientierung im Pantanal weit einfacher, sowohl auf dem Wasser als auch in der Luft. Flüsse hatten sich wieder in ihre Betten zurückgezogen, Seen lagen da, wo sie hingehörten, Fazendas standen nicht mehr unter Wasser und ließen sich mit Hilfe von Karten aus der Luft finden. Während Nate seine schwere Tasche in den Hubschrauber wuchtete, versuchte er, nicht an seinen vorigen Flug über das Pantanal zu denken. Die Vorzeichen standen günstig. Auf keinen Fall würde er zweimal nacheinander eine Bruchlandung erleben.

Valdir blieb lieber, wo er war, in der Nähe seines Telefons. Er flog nicht gern, schon gar nicht in einem Hubschrauber und erst recht nicht über dem Pantanal. Beim Start war der Himmel wolkenlos. Nate legte Bauchgurt und Schultergurte an und setzte einen Helm auf. Von Corumba aus folgten sie dem Paraguay. Fischer winkten ihnen zu. Kleine Jungen, die bis zu den Knien im Wasser standen, hoben den Blick zu ihnen empor. Sie flogen

über eine mit Bananen beladene chalana, die wie sie selbst nach Norden unterwegs war. Dann über eine klapprige chalana, die nach Süden fuhr.

Allmählich gewöhnte sich Nate an das Dröhnen des Rotors und die Schwingungen. Über seine Kopfhörer bekam er mit, wie sich die Piloten auf portugiesisch miteinander unterhielten. Er musste an die Santa Loura denken und an den Kater, den er gehabt hatte, als er beim vorigen Mal Corumba in nördlicher Richtung verlassen hatte.

Der Hubschrauber stieg auf sechshundert Meter Höhe. Nach einer halben Stunde erkannte Nate Fernandos Handelsniederlassung am Ufer des Flusses.

Es verblüffte ihn zu sehen, wie sehr das Pantanal sein Außehen von einer Jahreszeit zur anderen verändert hatte. Zwar war es nach wie vor eine endlose Folge von Sümpfen, Lagunen und Flüssen, die wild in alle Richtungen durcheinander strömten, aber jetzt, nachdem die Fluten zurückgegangen waren, wirkte alles viel grüner.

Sie hielten sich über dem Paraguay. Der Himmel blieb vor Nates aufmerksamen Augen klar und blau. Er musste daran denken, wie sie damals am Heiligabend mit Miltons Maschine zu Boden gegangen waren. Das Unwetter hatte sich von einem Augenblick zum anderen über dem Gebirge zusammengebraut.