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» Sie kommen mit ihr kaum in Berührung. Ihre Kultur ist in tausend Jahren unverändert geblieben. Sie treiben einen gewissen Handel mit den Besatzungen der Flussboote, haben aber nicht das Bedürfnis, ihr Leben zu ändern.«

»Und weiß man, wo sich die Missionare aufhalten?«

»Schwer zu sagen. Ich habe mit dem für den Südteil des Mato Grosso zuständigen Gesundheitsminister gesprochen, den ich persönlich kenne. In seinem Ministerium hat man eine ungefähre Vorstellung davon, wo die Missionare tätig sind. Außerdem habe ich Kontakt mit einem Vertreter der FUNAI aufgenommen, unserer für Indianerfragen zuständigen Behörde.« Valdir wies auf zwei der Kreuze. »Hier leben Guato. Wahrscheinlich leben dort Missionare.«

»Und sind ihre Namen bekannt?« fragte Nate, doch hätte er sich die Frage ebenso gut sparen können. Einer weiteren Aktennotiz Joshs zufolge war Valdir der Name Rachel Lane nicht mitgeteilt worden. Man hatte ihm lediglich gesagt, dass die gesuchte Frau für World Tribes Missions arbeitete.

Valdir schüttelte lächelnd den Kopf. »Das wäre zu einfach. Sie müssen verstehen, dass mindestens zwanzig

verschiedene amerikanische und kanadische Organisationen Missionare nach Brasilien entsandt haben. Es ist nicht schwer, in unser Land zu gelangen, und jeder kann sich hier ungehindert bewegen. Das gilt vor allem in den unentwickelten Gebieten. Niemand kümmert sich so recht darum, wer sich da draußen aufhält und was die Leute da treiben. Wir sind der Ansicht, wenn es Missionare sind, kann es nichts Schlechtes sein.«

Nate zeigte auf Corumba und dann auf das dem Ort am nächsten liegende rote Kreuz. »Wie lange dauert es von hier bis da?«

»Kommt drauf an. Mit dem Flugzeug etwa eine Stunde. Mit dem Boot zwischen drei und fünf Tagen.«

»Und wo ist dann mein Flugzeug?«

»So einfach ist das nicht«, sagte Valdir und holte eine weitere Karte hervor. Er entrollte sie und legte sie auf die erste. »Das ist eine topographische Karte des Pantanal, und das hier sind fazen-das.«

»Was ist das?«

»Fazendas? Große landwirtschaftliche Betriebe.«

»Ich dachte, das ist alles Sumpf.«

»Nein. Viele Gebiete liegen gerade hoch genug, dass man auf ihnen Viehzucht treiben kann. Die Fazendas hat man vor zweihundert Jahren angelegt. Sie werden nach wie vor von den pan-taneiros betrieben. Nur wenige von ihnen sind mit Booten zu erreichen, weshalb die Leute Kleinflugzeuge benutzen. Die Start-und Landepisten sind blau gekennzeichnet.«

Nate sah, dass es in der Nähe der Indianergebiete nur sehr wenige solche Pisten gab.

Valdir fuhr fort: »Selbst wenn Sie dahin fliegen würden, müssten Sie anschließend mit einem Boot weiterfahren, um zu den Indianern zu gelangen.«

»Wie sehen diese Pisten aus?«

»Es sind Grasbahnen. Manchmal werden sie abgemäht, manchmal nicht. Die Kühe bereiten die größten Schwierigkeiten.«

»Wieso das?«

»Nun ja, sie fressen gern Gras. Manchmal ist eine Landung schwierig, weil sie gerade die Landebahn abfressen.« Er sagte das ohne die geringste Absicht, witzig zu sein.

»Kann man die denn nicht verscheuchen?«

»Ja, wenn man weiß, dass jemand kommt. Aber es gibt keine Telefone.«

»Auf den Fazendas gibt es keine Telefone?«

»Nein. Sie liegen sehr abgeschieden.«

»Ich könnte also nicht einfach ins Pantanal fliegen und mir dann ein Boot mieten, um die Indianer zu suchen?« »Nein. Alle Flussboote sind hier in Corumba, und auch die Führer. «

Nate betrachtete aufmerksam die Karte, vor allem den Paraguay, der sich nordwärts in Richtung auf die Indianersiedlungen zuschlängelte. Irgendwo an diesem Fluss, hoffentlich in seiner Nähe, lebte inmitten dieses ungeheuer großen Schwemmlandes eine einfache Dienerin Gottes tagein, tagaus in Frieden und Ruhe vor sich hin, beschäftigte sich nur wenig mit der Zukunft und hütete still ihre Herde.

Sie musste er finden.

»Ich würde das Gebiet zumindest gern mal überfliegen.«

Valdir rollte die Karte wieder zusammen, die sie zuletzt betrachtet hatten. »Ich kann ein Flugzeug und einen Piloten besorgen.«

»Und was ist mit einem Boot?«

»Ich versuche es. Wir befinden uns mitten in der Zeit des Hochwassers, da werden die meisten Boote gebraucht. Um diese Jahreszeit herrscht mehr Verkehr auf dem Fluss.«

Wie aufmerksam von Troy, sich während der Regenzeit umzubringen. Soweit er aus den ihm von der Kanzlei zur Verfügung gestellten Unterlagen wusste, begannen die Regenfälle im November und dauerten bis Februar. Während dieser Zeit waren alle tiefliegenden Gebiete und viele der Fazendas überschwemmt.

»Ich muss Sie aber darauf hinweisen«, sagte Valdir, während er sich eine weitere Zigarette ansteckte und auch die erste Karte zusammenfaltete, »dass das Fliegen nicht ungefährlich ist. Die Flugzeuge sind klein, und wenn es Ärger mit den Motoren gibt, nun ja... « Er verstummte, während er die Augen rollte und die Achseln zuckte, als sei alle Hoffnung dahin.

»Was heißt das?«

»Nun ja - es gibt nirgends eine Möglichkeit zur Notlandung. Vorigen Monat musste eine Maschine runter. Man hat sie in der Nähe eines Flussufers gefunden, inmitten von Kaimanen.«

»Was war mit den Fluggästen?« fragte Nate und fürchtete die Antwort.

»Fragen Sie die Kaimane.«

»Lassen Sie uns von etwas anderem reden.«

»Noch etwas Kaffee?«

»Ja, gern.«

Valdir gab seiner Sekretärin Anweisung, weiteren Kaffee zu bringen. Dann traten er und Nate ans Fenster und sahen auf den Verkehr hinaus. »Ich glaube, ich habe einen Führer für Sie gefunden«, sagte er.

»Gut. Kann er Englisch?«

»Ja, sogar sehr gut. Er ist noch jung, hat kürzlich den Militärdienst hinter sich gebracht. Ein prächtiger Junge.

Sein Vater war Flusslotse.«

»Wie schön.«

Valdir trat an seinen Schreibtisch und nahm den Hörer ab. Die Sekretärin brachte Nate ein weiteres Tässchen cafezinho, das er am Fenster stehend schlürfte. Auf der anderen Straßenseite lag ein kleines Lokal, vor dem unter einer Markise drei Tische auf dem Gehweg standen. Eine rote Reklame pries Antartica-Bier an. Zwei Männer, die zwar ihre Jacketts abgelegt hatten, nicht aber ihre Krawatten, saßen vor einer großen Flasche Antartica an einem Tisch. Es war eine vollkommene Situation - ein heißer Tag, festliche Stimmung, ein kaltes Getränk, das zwei gute Freunde im Schatten sitzend gemeinsam einnahmen.

Mit einem Mal überkam Nate ein Schwindelgefühl. Die Bierreklame verschwamm ihm vor den Augen. Das Bild, das er gesehen hatte, verschwand, kam dann wieder. Sein Herz hämmerte, und sein Atem stockte. Er hielt sich an der Fensterbank fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Da seine Hände zitterten, stellte er die Kaffeetasse auf einen Tisch. Valdir stand hinter ihm und sagte etwas in schnellem Portugiesisch, ohne etwas zu merken.

Der Schweiß lief ihm in Strömen von der Stirn in die Augen. Er konnte das Bier schmecken. Er kam ins Rutschen. Ein Riss in der Rüstung. Die Mauer der Entschlossenheit, die er in den letzten vier Monaten gemeinsam mit Sergio aufgebaut hatte, begann zu wanken. Nate holte tief Luft und konzentrierte sich. Der Moment würde vorübergehen, das wusste er. Er hatte das schon oft erlebt.

Er nahm die Tasse und trank entschlossen den Kaffee, während Valdir auflegte und ihm mitteilte, dass der Pilot keine rechte Lust habe, am Heiligabend irgendwohin zu fliegen. Nate setzte sich wieder auf seinen Stuhl unter dem quietschenden Ventilator. » Bieten Sie ihm mehr Geld an«, sagte er.

Der nordamerikanische Anwalt Mr. Josh Stafford hatte Valdir bereits gesagt, dass bei diesem Unternehmen Geld keine Rolle spiele. »Er ruft mich in einer Stunde zurück«, sagte er.

Nate war zum Aufbruch bereit. Er nahm sein nagelneues Mobiltelefon heraus, und Valdir half ihm, einen Angestellten der Telefongesellschaft AT & T aufzutreiben, der Englisch sprach. Um das Telefon auszuprobieren, wählte Nate Sergios Nummer und landete auf dessen Anrufbeantworter. Dann rief er seine Sekretärin Alice an und wünschte ihr fröhliche Weihnachten.