Wir kommen an meinem Büro vorüber, und ich nicke Nicolette zu, meiner letzten Sekretärin, einem niedlichen jungen Ding, das ich recht gut leiden kann. Wenn mir Zeit bliebe, könnte sie die Nummer vier werden.
Aber mir bleibt keine Zeit. Es sind nur noch Minuten.
Die Meute wartet - ganze Rudel von Anwälten und drei Psychiater, die darüber befinden werden, ob ich bei klarem Verstand bin. Sie drängen sich um einen langen Tisch in meinem Besprechungszimmer. Als ich hereinkomme, hört ihr Gespräch schlagartig auf. Alle starren mich an. Snead schiebt mich an eine der Längsseiten des
Tisches neben meinen Anwalt Stafford.
Kameras zeigen in alle Richtungen, und die Techniker sind eifrig mit ihnen und den Mikrophonen beschäftigt. Jeder geflüsterte Laut, jede noch so geringe Bewegung, jeder Atemzug wird aufgezeichnet, denn es geht um ein Vermögen.
Im letzten von mir unterschriebenen Testament waren meine Kinder kaum bedacht worden. Wie immer hatte es Josh Stafford aufgesetzt. Ich habe es heute morgen in den Reißwolf gesteckt.
Ich sitze hier, um aller Welt zu beweisen, dass meine Geisteskräfte ausreichen, ein neues Testament abzufassen. Sobald dieser Beweis erbracht ist, kann niemand die Verfügungen anfechten, die ich über mein Vermögen treffe. Mir unmittelbar gegenüber sitzen drei Psychofritzen - jede der Familien hat einen benannt. Auf geknickten Karteikarten, die sie vor sich gestellt haben, hat jeder in Großbuchstaben seinen Namen geschrieben - Dr. Zadel, Dr. Flowe und Dr. Theishen. Ich sehe mir ihre Augen und Gesichter aufmerksam an. Da ich als normal gelten will, muss ich Blickkontakt herstellen.
Sie sind überzeugt, dass ich ein bißchen wirr im Kopf bin, dabei stehe ich im Begriff, sie im großen Stil reinzulegen.
Stafford wird die ganze Sache deichseln. Als alle Platz genommen haben und die Kameras bereit sind, sagt er:
»Ich heiße Josh Stafford und bin der von Mr. Troy Phelan, der rechts neben mir sitzt, bevollmächtigte Anwalt.« Ich nehme mir einen der Psychofritzen nach dem anderen vor, Auge in Auge, bis sie blinzeln oder den Blick abwenden. Alle drei tragen sie dunkle Anzüge. Zadel und Flowe haben Zottelbärte, Theishen, der eine Fliege um den Hals hat, sieht aus, als wäre er höchstens dreißig. Jede der Familien hatte das Recht, einen Psychiater ihres Vertrauens zu benennen.
Jetzt redet wieder Stafford. »Zweck dieser Zusammenkunft ist es, Mr. Phelan von einer psychiatrischen Kommission untersuchen zu lassen, die seine Testierfähigkeit feststellen soll. Vorausgesetzt, sie erkennt ihm den Vollbesitz seiner geistigen Kräfte zu, beabsichtigt er, eine letztwillige Verfügung zu unterzeichnen, mit der er für den Fall seines Todes die Verteilung seines Vermögen regelt.«
Stafford klopft mit dem Bleistift auf den gut zweieinhalb Zentimeter dicken Papierstapel, der vor uns liegt: das Testament. Bestimmt fahren jetzt die Kameras mit ihren Gummilinsen zu einer Nahaufnahme darauf zu, und bestimmt läuft meinen Kindern und ihren Müttern, die im ganzen Gebäude verteilt sind, bei seinem bloßen Anblick ein Schauer über den Rücken.
Sie haben es bisher nicht gesehen und haben auch keinen Anspruch darauf. Eine letztwillige Verfügung ist ein privatrechtlicher einseitiger Vertrag, dessen Inhalt erst nach dem Tode des Erlassers bekannt gegeben wird. Diejenigen, die als Erben in Frage kommen, können darüber lediglich spekulieren. Meine Erben haben Hinweise bekommen, von mir sorgfältig in Umlauf gesetzte Falschinformationen.
Daher sind sie überzeugt, dass der größte Teil meines Nachlasses mehr oder weniger gerecht zwischen den Kindern aufgeteilt wird und die Ex-Frauen ebenfalls großzügig bedacht werden. Das wissen sie; sie können es spüren. Seit Wochen, ja Monaten, beten sie inbrünstig darum, dass das Testament, das jetzt vor mir liegt, sie reich macht und dem Gezänk ein Ende bereitet. Stafford hat es aufgesetzt und mit meiner Erlaubnis dessen angeblichen Inhalt im Verlauf von Gesprächen mit ihren Anwälten in groben Zügen dargelegt. Jedes der Kinder darf mit einem Betrag in der Größenordnung von drei- bis fünfhundert Millionen rechnen, und die drei Ex-Frauen mit jeweils fünfzig Millionen. Ich habe bei jeder Scheidung gut für die jeweilige Frau gesorgt, aber das ist selbstverständlich in Vergessenheit geraten.
Der für die Angehörigen ausgesetzte Betrag beläuft sich insgesamt auf rund drei Milliarden Dollar. Was übrigbleibt, nachdem sich die Regierung mehrere Milliarden unter den Nagel gerissen hat, geht an wohltätige Einrichtungen. Man kann also verstehen, warum sich alle herausgeputzt haben und nüchtern (jedenfalls die meisten) hergekommen sind und, den Blick begierig auf die Bildschirme gerichtet, warten und hoffen, dass mir, dem alten Mann, mein Vorhaben gelingt. Bestimmt haben sie ihren Psychoheinis gesagt: »Haben Sie etwas Nachsicht mit dem Alten. Wir möchten, dass er bei klarem Verstand ist.«
Wenn alle so rundum zufrieden sind, warum dann überhaupt diese psychiatrische Untersuchung? Weil ich sie alle ein letztes Mal reinlegen möchte, und zwar nach Strich und Faden.
Die Sache mit den Psychiatern war meine Idee, und meine Kinder und ihre Anwälte haben nicht gemerkt, was dahintersteckt.
Zadel spricht als erster. »Mr. Phelan, können Sie uns sagen, welchen Tag wir heute haben, wie viel Uhr es ist und wo wir uns befinden?«
Ich komme mir vor wie ein Erstklässler, lasse mein Kinn wie ein Trottel auf die Brust sinken und denke so lange über die Frage nach, bis sie sich an den Rand ihres Sessels vorschieben und flüstern: »Los, du verrückter alter Mistkerl! Du weißt doch bestimmt, welchen Tag wir heute schreiben.«
»Montag«, sage ich leise. »Es ist Montag, der 9. Dezember 1996. Wir befinden uns in meinem Büro.«
»Und wie spät ist es?«
»Gegen halb drei«, sage ich. Ich trage keine Uhr am Arm.
»Und wo befindet sich Ihr Büro?«
»In McLean, im Staat Virginia.«
Flowe beugt sich über sein Mikrophon. »Können Sie uns Namen und Geburtstage Ihrer Kinder sagen?«
»Nein. Die Namen vielleicht, aber die Geburtsdaten nicht.«
»Na schön, dann die Namen.«
Ich lasse mir Zeit. Noch ist nicht der richtige Augenblick gekommen zu zeigen, wie sehr ich auf Draht bin. Sie sollen ruhig schwitzen. »Troy Phelan jun., Rex, Libbigail, Mary ROSS, Geena und Ramble.« Ich sage die Namen, als falle mir schon der bloße Gedanke an sie schwer.
Flowe hat Anspruch auf einen Nachschlag. »Es gab ein siebtes Kind, nicht wahr?«
»Ja.«
»Wissen Sie seinen Namen?«
»Rocky.«
»Und was ist mit ihm geschehen?«
»Er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.« Ich sitze aufrecht in meinem Rollstuhl, den Kopf hoch erhoben, lasse den Blick von einem der Psychoheinis zum nächsten wandern und demonstriere für die Kameras geistige Klarheit. Bestimmt sind meine Kinder und meine Ex-Frauen stolz auf mich, während sie in kleinen Gruppen vor den Bildschirmen sitzen, ihrem gegenwärtigen Ehegenossen die Hand drücken und ihren gierigen Anwälten zulächeln, weil der alte Troy die Einleitung hingekriegt hat.
Schon möglich, dass meine Stimme leise und hohl klingt, schon möglich, dass ich mit meinem weißen Seidengewand, meinem runzligen Gesicht und dem grünen Turban außehe wie verstört, aber ich habe ihre Fragen beantwortet.
Vorwärts, alter Junge, fordern sie mich auf.
Theishen fragt: »Wie ist derzeit Ihr körperlicher Zustand?«
»Ich hab mich schon besser gefühlt.«
»Es heißt, dass Sie einen bösartigen Tumor haben.«
Na, du redest aber nicht lange um den heißen Brei herum, was?
»Ich war der Ansicht, dass es sich hier um eine psychiatrische Untersuchung handelt«, sage ich mit einem Blick auf Stafford, der sich ein Lächeln nicht verkneifen kann. Aber die Vorschriften lassen jede beliebige Frage zu. Wir sind hier nicht vor Gericht.
»So verhält es sich auch«, sagt Theishen höflich. »Aber dieser Punkt ist sachdienlich.«