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Innere, sagte Jevy mit einem Blick auf Milton.

Den Angaben der Heerespiloten nach lag die Fazenda vierzig Hubschrauberminuten von Corumba entfernt. Rechnen Sie eine Stunde, sagte der Kommandant. Zum ersten Mal an diesem Tag trat ein Lächeln auf Miltons Züge.

Nach einer Stunde sank ihre zuversichtliche Stimmung. Die Sonne ging im Westen rasch unter; die Abenddämmerung brach herein. Eine Rettung mitten in der Nacht kam nicht in Frage.

Sie gingen zu dem beschädigten Flugzeug, an dem Milton und Jevy den ganzen Nachmittag hindurch gearbeitet hatten. Die abgeknickte Tragfläche war abmontiert, ebenso der Propeller. Er lag nahe dem Flugzeug im Gras und war noch immer mit Blut bedeckt. Die rechte Strebe des Fahrgestells war verbogen, brauchte aber nicht ersetzt zu werden.

Marco und seine Frau hatten mittlerweile die tote Kuh zerlegt. Das Gerippe war im Gebüsch in der Nähe der Landebahn kaum zu sehen.

Soweit Nate Jevy verstanden hatte, wollte Milton mit dem Boot zur Fazenda zurückkehren, sobald er Ersatz für die Tragfläche und den Propeller gefunden hatte. Nate erschien das undurchführbar. Wie konnte er eine riesige Flugzeug-Tragfläche auf einem Boot transportieren, das klein genug war, sich durch die schmalen Wasserläufe des Pantanal zu winden, und es dann durch die Sümpfe schleppen, die Nate vom Pferd aus gesehen hatte?

Doch darüber mochte sich Milton den Kopf zerbrechen. Nate hatte andere Sorgen.

Die Frau brachte heißen Kaffee und mürbes Gebäck. Sie setzten sich neben dem Stall ins Gras und unterhielten sich. Nates drei kleine Schatten wichen ihm nicht von der Seite; sie fürchteten wohl, er könne sie verlassen. Eine weitere Stunde verging.

Tomas, der jüngste, hörte das Brummen als erster. Er sagte etwas, stand auf, erhob die Hand, und die anderen erstarrten. Das Geräusch wurde lauter, dann hörte man das unverkennbare Knattern eines Hubschrauberrotors. Sie liefen auf die Landebahn und suchten den Himmel ab.

Als der Hubschrauber landete, sprangen vier Soldaten aus der offenen Tür und rannten der Gruppe entgegen. Nate kniete sich zwischen die Jungen, gab jedem zehn Reais und sagte: »Feliz Natal!« Fröhliche Weihnachten. Dann umarmte er sie flüchtig, nahm die Aktentasche und lief zum Hubschrauber.

Jevy und Nate winkten der kleinen Familie zu, während die Maschine abhob. Milton war damit beschäftigt, den Piloten und den Soldaten immer wieder zu danken. Aus hundertfünfzig Metern Höhe sah man das Pantanal, das sich bis zum Horizont erstreckte. Im Osten war es schon dunkel.

Auch in Corumba war es dunkel, als sie eine halbe Stunde später die Stadt überflogen. Ein herrlicher Anblick -die Gebäude, die Weihnachtsbeleuchtung, der Straßenverkehr inmitten der Häuser. Sie landeten auf dem Kasernenhof, der westlich der Stadt auf einem Felsvorsprung oberhalb des Paraguay lag. Der Kommandant begrüsste sie und nahm ihren überströmenden Dank entgegen, den er sich redlich verdient hatte. Es überraschte ihn zu sehen, dass es keine ernsthaften Verletzungen gab, doch war er trotzdem mit dem Erfolg der Mission zufrieden und stellte ihnen für die Heimfahrt einen offenen Jeep zur Verfügung, den ein junger Gefreiter fuhr.

Bei der Einfahrt in die Stadt machte der Jeep einen unerwarteten Schwenk und bremste vor einem kleinen Geschäft. Jevy ging hinein und kehrte mit drei Flaschen Brahma-Bier zurück. Eine gab er Milton, die andere Nate. Nach kurzem Zögern drehte Nate den Verschlussdeckel auf und setzte die Flasche an. Das Bier war erfrischend, kalt und einfach köstlich. Außerdem war Weihnachten. Was sollte es. Er hatte alles im Griff.

Während sich Nate hinten im Jeep, die kalte Bierflasche in der Hand, die drückende Luft um die Nase wehen ließ, wurde er sich darüber klar, was für ein Glück er hatte, noch am Leben zu sein.

Fast vier Monate war es her, dass er sich umzubringen versucht hatte. Vor sieben Stunden hatte er eine Bruchlandung überlebt.

Nur erreicht hatte er an diesem Tag nichts, war Rachel Lane um nichts näher als am Vortag.

Als erstes hielt der Jeep nach seiner Fahrt durch die staubigen Straßen vor dem Hotel. Nate wünschte allen fröhliche Weihnachten, ging auf sein Zimmer, zog sich aus und stellte sich zwanzig Minuten lang unter die Dusche. Im Kühlschrank waren vier Dosen Bier. Er leerte sie alle in einer Stunde und versicherte sich bei jeder Dose erneut, dass das kein Rückfall war. Er hatte alles im Griff, es würde für ihn keinen erneuten Absturz geben. Er war dem Tod von der Schippe gesprungen - warum sollte er nicht ein bißchen Weihnachten feiern? Niemand würde es je erfahren. Er konnte damit umgehen.

Außerdem hatte er nüchtern im Leben noch nie etwas erreicht. Er würde sich selbst beweisen, dass ihm ein bißchen Alkohol nichts ausmachte. Kein Problem. Ein paar Bierchen hier und da. Was konnte das schon schaden?

VIERZEHN

Das Telefon weckte ihn, aber es dauerte eine Weile, bis er den Hörer gefunden hatte. Außer einem schlechten Gewissen hatte das Bier offenbar keinerlei Nachwirkungen hinterlassen, wohl aber forderte das kleine Abenteuer mit der Cessna seinen Tribut. Die Stellen an Hals und Schultern, an denen ihn die Gurte beim Aufprall der Maschine auf dem Boden gehalten hatten, waren blau unterlaufen, und um die Taille zog sich ein wie mit dem Lineal gezogener Bluterguss, außerdem hatte er mindestens zwei Beulen am Kopf. Die erste stammte von dem Stoß ans Kabinendach, an den er sich erinnern konnte, die zweite musste auf einen Stoß zurückgehen, von dem er nichts wusste. Er war mit den Knien gegen die Rückenlehnen der Pilotensitze gekracht und hatte die daraus resultierenden Prellungen zunächst für unbedeutend gehalten; im Laufe der Nacht waren sie aber schlimmer geworden. Auf Armen und Nacken hatte er einen Sonnenbrand.

»Fröhliche Weihnachten«, begrüßte ihn eine Stimme. Es war Valdir, und ein Blick auf die Uhr zeigte Nate, dass es fast neun war.

»Danke, gleichfalls«, sagte er.

»Wie geht es Ihnen?«

»Gut, danke.«

»Nun ja, Jevy hat mich gestern Abend angerufen und mir die Sache mit dem Flugzeug berichtet. Milton muss ja verrückt sein, dass er in ein Gewitter fliegt. Ich werde ihn nie wieder beschäftigen.«

»Ich auch nicht.«

»Und geht es Ihnen gut?«

»Ja.«

»Brauchen Sie einen Arzt?«

»Nein.«

»Jevy meint, dass Ihnen nichts weiter fehlt.«

»Mir geht es gut - ich habe nur ein paar Blutergüsse.«

Nach einer kurzen Pause fuhr Valdir fort: »Heute Nachmittag feiern wir bei mir zu Hause Weihnachten - nur meine Familie und ein paar Freunde. Würden Sie gern kommen?«

Die Einladung klang förmlich. Nate wusste nicht recht, ob Valdir sie nur aus Höflichkeit aussprach oder ob seine Steifheit mit seiner Sprechweise zusammenhing; immerhin war Englisch für ihn eine Fremdsprache.

»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte er. »Aber ich muss viel lesen.« ,

»Sind Sie sicher?«

»Ja, vielen Dank.«

»Nun gut. Ich habe übrigens eine gute Nachricht für Sie. Es ist mir gestern gelungen, ein Boot für Sie zu mieten.« Er brauchte nicht lange, um von der Weihnachtsfeier auf das Boot zu kommen.

»Gut. Wann kann ich aufbrechen?«

»Vielleicht morgen. Es muss noch dies und jenes vorbereitet werden. Jevy kennt das Boot.«

»Ich kann es gar nicht abwarten, auf den Fluss zu kommen, vor allem nach dem gestrigen Tag.«

Dann berichtete ihm Valdir langatmig, wie hart er mit dem Besitzer des Bootes hatte verhandeln müssen. Von diesem Mann sei allgemein bekannt, dass er den Hals nicht voll bekommen könne. Anfangs habe er tausend Reais pro W oche verlangt, doch hätten sie sich schließlich auf sechshundert geeinigt. Nate hörte zu, aber es interessierte ihn nicht. Der Phelan-Nachlaß konnte sich das leisten.

Valdir verabschiedete sich mit einem weiteren »Fröhliche Weihnachten«.

Nates Sportschuhe waren immer noch nass, aber er zog sie trotzdem an, dazu eine Laufhose und ein T-Shirt. Er wollte versuchen, ein wenig zu joggen, und falls sein Körper nicht mitspielte, würde er einfach etwas gehen. Er brauchte frische Luft und Bewegung. Während er sich im Zimmer zu schaffen machte, sah er die leeren Bierdosen im Papierkorb.