Keinen dieser beiden Namen hatte Stafford je gehört. Er musste Luft holen, bevor er mit dem Vorlesen fortfuhr. >»Zum Verwalter meines Nachlasses setze ich den Anwalt meines Vertrauens, Josh Stafford, ein und lasse ihm weitgehende Entscheidungsfreiheit in der Frage, wie er dabei vorgeht.
Es handelt sich um ein eigenhändiges Testament, das ich Wort für Wort selbst verfasst habe und nachstehend unterschreibe.
Unterschrieben am 9. Dezember 1996 um drei Uhr nachmittags von Troy L. Phelan<.«
Stafford legte das Blatt auf den Tisch und blinzelte in die Kamera. Obwohl er das Bedürfnis hatte, um das Gebäude herumzugehen, sich vielleicht ein wenig von der frischen Luft durchblasen zu lassen, fuhr er fort. Er nahm das dritte Blatt zur Hand und sagte: »Hierbei handelt es sich um eine aus einem Absatz bestehende Mitteilung, die wieder an mich gerichtet ist. Ich lese sie vor: Josh: Rachel Lane ist an der Grenze zwischen Brasilien und Bolivien als Missionarin einer Organisation namens World Tribes Missions tätig. Sie arbeitet in einer als Panta-nal bezeichneten abgelegenen Gegend unter Indianern. Die nächstgelegene Stadt ist Corumba. Ich habe seit zwanzig Jahren keine Verbindung zu ihr gehabt und sie auch jetzt nicht auftreiben können. Gezeichnet Troy Phelan<.«
Durban schaltete die Kamera ab und ging zweimal um den Tisch herum, während Stafford das Dokument immer wieder las.
»Wussten Sie, dass er eine uneheliche Tochter hatte?«
Stafford sah abwesend auf eine Wand. »Nein. Ich habe für Troy elf Testamente aufgesetzt, und er hat sie in keinem von ihnen auch nur einmal erwähnt.«
»Vermutlich dürfte uns das nicht überraschen.«
Stafford hatte häufig gesagt, Troy Phelan könne ihn nicht mehr überraschen. Im Geschäftsleben wie auch in seinen privaten Angelegenheiten war er launisch und sprunghaft gewesen. Obwohl Stafford Millionen damit verdient hatte, sich um diesen Mandanten zu kümmern und brisante Angelegenheiten für ihn zu entschärfen, war er wie vor den Kopf geschlagen. Er war soeben Zeuge eines recht dramatischen Selbstmords geworden, bei dem ein an den Rollstuhl gefesselter Mann mit einem Mal aufgesprungen und losgerannt war. Jetzt hatte er ein gültiges Testament vor sich, das in einigen knappen Absätzen eins der bedeutendsten Vermögen auf der Welt einer unbekannten Erbin hinterließ, ohne den geringsten Hinweis darauf, was mit dem Geld geschehen sollte. Die Erbschaftssteuer würde exorbitant sein.
»Ich brauche was zu trinken, Tip«, sagte er.
»Es ist ein bißchen früh dafür.«
Sie gingen nach nebenan in Phelans Büro, wo sie alles unverschlossen vorfanden. Seine gegenwärtige Sekretärin und alle anderen im dreizehnten Stock Beschäftigten waren noch unten.
Die beiden Männer schlossen die Tür hinter sich ab und gingen eilig daran, alles zu durchsuchen. Offensichtlich hatte Troy damit gerechnet, sonst hätte er nie und nimmer Schubladen und Aktenschränke unverschlossen gelassen, die private Papiere enthielten. Offenbar war ihm klar gewesen, dass Josh sofort handeln würde. In der mittleren Schublade seines Schreibtischs fanden sie einen fünf Wochen zuvor unterschriebenen Vertrag mit einem Krematorium in Alexandria. Darunter lag eine Akte über die World Tribes Missions.
Sie suchten zusammen, was sie tragen konnten, holten dann Snead und veranlassten ihn, das Büro abzuschließen. »Was steht in dem Testament, dem letzten?« fragte Snead, blass und mit geschwollenen Augen. Unmöglich konnte Mr. Phelan einfach so sterben, ohne ihm etwas zu hinterlassen, wovon er leben konnte. Immerhin hatte er ihm dreißig Jahre lang treu gedient.
»Das kann ich nicht sagen«, antwortete Stafford. »Ich komme morgen wieder, um alles zu inventarisieren. Lassen Sie keinen Menschen hier rein.«
»Natürlich nicht«, flüsterte Snead und brach erneut in Tränen aus.
Stafford und Durban brachten eine halbe Stunde mit einem Polizeibeamten zu, der routinemäßig gekommen war.
Sie zeigten ihm die Stelle, an der Troy über das Geländer geklettert war, nannten ihm die Namen von Zeugen,
beschrieben den letzten Brief und das letzte Testament, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Sie versprachen ihm eine Kopie des Autopsieberichts. Der Beamte betrachtete den Fall schon als abgeschlossen, bevor er das Gebäude verließ.
Sie fuhren zum Büro des Gerichtsmediziners, wo der Leichnam bereits eingetroffen war, und veranlassten die Autopsie.
»Wozu soll die dienen?« fragte Durban flüsternd, während sie auf Formulare warteten, die ausgefüllt werden mussten.
»Sie soll den Beweis liefern, dass weder Drogen noch Alkohol im Spiel waren, nichts, was seine geistigen Fähigkeiten hätte beeinträchtigen können. Er hat an alles gedacht.«
Erst kurz vor sechs konnten sie eine Bar im Willard Hotel aufsuchen, das in der Nähe des Weißen Hauses zwei Querstraßen von ihrem Büro entfernt lag. Nach einem kräftigen Schluck brachte Stafford zum ersten Mal ein Lächeln zustande. »Er hat wirklich an alles gedacht, nicht wahr?«
»Er ist sehr grausam«, sagte Durban, tief in Gedanken versunken. Zwar ließen die Auswirkungen des Schocks langsam nach, dafür aber meldete sich die Wirklichkeit zu Wort.
»Sie meinen wohl, er war grausam.«
»Nein, Troy ist noch immer da. Er bestimmt nach wie vor die Regeln, nach denen gespielt wird.«
»Können Sie sich vorstellen, wie viel Geld diese Dummköpfe im nächsten Monat ausgeben werden?«
»Es kommt mir wie ein Verbrechen vor, es ihnen nicht zu sagen.«
»Wir dürfen nicht. Wir haben unsere Anweisungen.«
Angesichts der Tatsache, dass es sich um Anwälte handelte, deren Mandanten nur selten miteinander sprachen, war die Sitzung ein seltener Fall von Kooperationsbereitschaft. Das ausgeprägteste Ego im Raum gehörte Hark Gettys, einem auf Prozesse geradezu erpichten Anwalt, der seit mehreren Jahren Rex Phelan vertrat. Hark hatte diese Sitzung einberufen, kurz nachdem er in seine Kanzlei an der Massachusetts Avenue zurückgekehrt war. Er hatte sogar TJs und Libbigails Anwälten seinen Vorschlag zugeflüstert, während sie zusahen, wie man den Alten in den Rettungswagen lud.
Der Einfall war so gut, dass seine Kollegen nichts dagegen vorbringen konnten. Gemeinsam mit Flowe, Zadel und Theishen trafen sie nach fünf Uhr in Gettys Kanzlei ein. Ein Gerichtsstenograph und zwei Videokameras warteten bereits.
Verständlicherweise machte sie der Selbstmord nervös. Die drei Psychiater wurden einzeln beiseite genommen und ausführlich über alles befragt, was sie an Mr. Phelan unmittelbar vor seinem Ende wahrgenommen hatten. Keiner der drei hatte den geringsten Zweifel daran, dass er genau gewusst hatte, was er tat, dass er bei klarem Verstand und mehr als nur testierfähig gewesen war. Sie wiesen mit Nachdruck darauf hin, dass man nicht verrückt zu sein braucht, um sich das Leben zu nehmen.
Als alle dreizehn Anwälte jede nur denkbare Meinung aus den Anwesenden herausgefragt hatten, beendete Gettys die Sitzung. Es war fast acht Uhr abends.
VIER
Torbes Magazine hatte Troy Phelan als zehntreichsten Amerikaner bezeichnet. Sein Tod war auf jeden Fall ein berichtenswertes Ereignis; die Art und Weise, wie er gestorben war, machte es zur Sensation.
Auf der Straße vor Lillians Villa in Falls Church wartete eine Schar Reporter darauf, dass sich ein Sprecher der Familie zu der Angelegenheit äußerte. Sie filmten Bekannte und Nachbarn, die kamen und gingen, und stellten ihnen allgemeine Fragen über die Familie.
Im Innern des Hauses hatten sich Phelans vier älteste Nachkommen mit ihren Ehepartnern und Kindern versammelt, um Beileidsbekundungen entgegenzunehmen. Die Stimmung war gedämpft, solange sich Außenstehende in der Nähe befanden. Als sie fort waren, änderte sich die Stimmung schlagartig. Da auch Troys Enkel anwesend waren - insgesamt elf-, sahen sich TJ, Rex, Libbigail und Mary ROSS gezwungen, ihre Hochstimmung zumindest ansatzweise zu unterdrücken. Es fiel ihnen schwer. Erlesene Weine und Champagner flössen in Strömen.