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»Ich denke, darüber werden wir uns später den Kopf zerbrechen«, sagte Wycliff. »Im Augenblick geht es mir mehr um die Zeugenaussagen. Ich muss nicht betonen, wie sehr die Phelan-Nachkommen darauf drängen, dass die Sache vorangeht. «

»Die Nachlassverwaltung wird morgen ihre Stellungnahme vorlegen«, sagte Josh. »Wir sind für die Auseinandersetzung bereit.«

»Und was ist mit der Erbin?«

»Ich arbeite noch an ihrer Stellungnahme«, sagte Nate düster, als sitze er seit Tagen daran. »Aber bis morgen habe ich sie fertig.«

»Sind Sie für die Zeugenvernehmung bereit?«

»Ja, Sir.«

»Wann dürfen wir damit rechnen, dass Sie die von Ihrer Mandantin unterzeichnete Annahmeerklärung und Gerichtsstandvereinbarung vorlegen können?«

»Das weiß ich noch nicht.«

»Genaugenommen bin ich erst für Ihre Mandantin zuständig, wenn ich diese Dokumente in Händen habe.«

»Ja, ich verstehe. Bestimmt werden sie bald vorliegen. Die Post arbeitet da unten sehr langsam.«

Josh lächelte seinem Schützling zu.

»Sie haben sie also tatsächlich gefunden, ihr ein Exemplar des Testaments vorgelegt, ihr erläutert, was es mit der Gerichtsstandvereinbarung und der Annahmeerklärung auf sich hat, und sich bereit erklärt, sie zu vertreten?«

»Ja, Sir«, sagte Nate, aber nur, weil er musste.

»Sind Sie bereit, diesen Tatbestand in Form einer eidesstattlichen Erklärung in der Akte zu vermerken?«

»Ist das nicht ein bißchen ungewöhnlich?« fragte Josh.

»Möglich, aber wenn wir ohne ihre Vollmacht und Annahmeerklärung das Vorverfahren eröffnen, möchte ich irgendwas Schriftliches in der Akte haben, woraus hervorgeht, dass die Nachlassverwaltung Kontakt mit ihr aufgenommen hat und ihr bekannt ist, was wir hier tun.«

»Guter Gedanke«, sagte Josh, als stamme der Einfall von ihm selbst. »Nate unterschreibt das.«

Nate nickte und biss ein großes Stück von seinem Brot ab, wobei er hoffte, man werde ihn in Frieden essen lassen, ohne ihn zu weiteren Lügen zu zwingen.

»Hat sie Troy nahegestanden?« fragte Wycliff.

Nate kaute, solange er konnte, bevor er antwortete. »Das bleibt aber unter uns, nicht wahr?«

»Natürlich. Reines Geplauder.«

Ja, und solches Geplauder kann dazu führen, dass Prozesse gewonnen oder verloren werden. »Ich glaube nicht. Sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen.«

»Wie hat sie reagiert, als sie das Testament gesehen hat?«

Wycliff sagte das tatsächlich im Plauderton, und Nate war klar, dass er alle Einzelheiten wissen wollte. »Sie war überrascht, um es zurückhaltend zu formulieren«, sagte er trocken.

»Das kann ich mir vorstellen. Hat sie gefragt, um wie viel Geld es geht?«

»Zunächst nicht, später schon. Ich glaube, sie war überwältigt, wie wohl jeder an ihrer Stelle.«

»Ist sie verheiratet?«

»Nein.«

Josh begriff, dass der Richter noch eine ganze Weile weiter Fragen über Rachel stellen konnte. Das aber konnte gefährlich werden. Wycliff durfte zumindest jetzt noch nicht wissen, dass Rachel keinerlei Interesse an dem Geld hatte. Wenn er weiter bohrte, konnte Nate womöglich die Wahrheit herausrutschen. »Wissen Sie, Euer Ehren«, sagte er im Versuch, das Gespräch vorsichtig in eine andere Richtung zu lenken, »der Fall ist nicht kompliziert. Das Vorverfahren dauert bestimmt nicht lange. Die anderen wollen, dass die Sache schnell über die Bühne geht, und wir wollen das auch. Da liegt ein ganzer Haufen Geld auf dem Tisch, und jeder will da ran.

Warum können wir nicht das Vorverfahren kurzfristig terminieren und einen Zeitpunkt für das Verfahren festsetzen?«

Die Auseinandersetzung im Fall einer Testamentsanfechtung zu beschleunigen war alles andere als üblich. In

Nachlasssachen tätige Anwälte wurden nach Stunden bezahlt. Warum also dann die Eile?

»Interessant«, sagte Wycliff. »Woran denken Sie?«

»Vielleicht könnten wir so bald wie möglich eine Besprechung ansetzen, bei der alle Anwälte an einem Tisch sitzen. Jeder soll eine Liste möglicher Zeugen und Dokumente vorlegen, die er im Verfahren aufzubieten gedenkt. Man könnte dreißig Tage für alle Aussagen vorsehen und den eigentlichen Prozeßbeginn von heute an gerechnet in neunzig Tagen.« .

»Das ist aber schrecklich schnell.«

»Beim Bundesgericht machen wir das immer so. Es funktioniert. Die Jungs auf der Gegenseite werden drauf anspringen, weil ihre Mandanten alle pleite sind.«

»Was ist mit Ihnen, Mr. O'Riley? Hat Ihre Mandantin es eilig, an das Geld zu kommen?«

»Hätten Sie es nicht eilig?« fragte Nate den Richter.

Darauf lachten alle drei.

Als Grit schließlich durch den telefonischen Stacheldrahtverhau zu Hark durchdrang, waren seine ersten Worte: »Ich überlege, ob ich nicht zum Richter gehen soll.«

Hark drückte den Knopf an seinem Telefon, der die Bandaufnahme in Gang setzte, und sagte: »Guten Tag, Grit.« »Ich könnte ihm die Wahrheit sagen, dass sich nämlich Snead seine Außage für fünf Millionen hat abkaufen lassen und dass nichts von dem, was er sagt, der Wahrheit entspricht.«

Hark lachte gerade so laut, dass Grit es hören konnte. »Das können Sie nicht, Grit.«

»Natürlich kann ich das.«

»Besonders klug sind Sie wohl nicht, was? Hören Sie mir gut zu, Grit. Erstens haben Sie wie wir alle die Vereinbarung mit unterschrieben, sind also in ein rechtswidriges Vorgehen verwickelt, das Sie offen legen wollen. Zweitens, und das ist noch viel wichtiger, wissen Sie von Snead, weil Sie als Rechtsvertreter von Mary ROSS an dem Fall beteiligt waren. Das ist eine vertrauliche Beziehung. Wenn Sie Informationen weitergeben, die Ihnen als ihr Anwalt zu Ohren gekommen sind, dann verletzen Sie das Anwaltsgeheimnis. Sofern Sie etwas Törichtes tun, kommen Sie vor das Ehrengericht, und ich werde persönlich dafür sorgen, dass man Ihnen die Zulassung als Anwalt entzieht. Haben Sie das verstanden, Grit?«

»Sie sind ein Drecksack, Gettys. Sie haben mir meine Mandantin abspenstig gemacht.«

401

»Hätte sie sich nach einem anderen Anwalt umgesehen, wenn sie mit Ihnen zufrieden gewesen wäre?«

»Ich bin mit Ihnen noch nicht fertig.«

»Überlegen Sie sich gut, was Sie tun!«

Grit knallte den Hörer auf. Hark genoss den Moment, und machte sich wieder an die Arbeit.

Nate fuhr allein über den Potomac in die Stadt, am Lincoln Memorial vorbei, rollte ohne jede Eile im fließenden Verkehr. Ab und zu fielen Schneeflocken auf die Windschutzscheibe, aber der schwere Schneefall war ausgeblieben. An einer roten Ampel auf der Pennsylvania Avenue sah er im Rückspiegel, von einem Dutzend ähnlicher Gebäude umgeben, das Hochhaus, in dem er den größten Teil seiner letzten dreiundzwanzig Jahre verbracht hatte. Das Fenster seines Büros lag im fünften Stock. Er konnte es kaum sehen.

An der M-Straße, die nach Georgetown führte, kam er an den Stellen vorüber, die er früher so häufig aufgesucht hatte: an alten Kneipen und Bars, in denen er viele dunkle Stunden mit Menschen zugebracht hatte, an die er sich nicht mehr erinnern konnte. Wohl aber wusste er noch die Namen der Barkeeper. Jedes dieser Lokale hatte seine eigene Geschichte. Als er noch trank, musste ein harter Tag in der Kanzlei oder bei Gericht durch einige Stunden Alkohol abgemildert werden, sonst hätte er nicht nach Hause gehen können. An der Wisconsin bog er nach Norden ab und sah ein Lokal, wo er sich mal mit einem College-Studenten geprügelt hatte, der betrunkener gewesen war als er selbst, und das alles wegen einer Schlampe von Studentin. Der Barkeeper hatte sie aufgefordert, ihre Prügelei draußen auszutragen. Als Nate am nächsten Morgen zum Gericht ging, hatte er ein Pflaster im Gesicht gehabt.

Als nächstes kam er an einem kleinen Cafe vorüber, wo er so viel Kokain gekauft hatte, dass er sich damit fast umgebracht hätte. Die Drogenpolizei hatte dort eine Razzia durchgeführt, während er sich im Entzug befand, und zwei Aktienhändler, die er gut kannte, mussten ins Gefängnis.