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»Und was war?«

»Er ging in Baltimore zu einem Chiropraktiker.«

Phil stimmte ein lautes gackerndes Lachen an, das ansteckend und in der Regel lustiger war als die Pointe. Als er sich beruhigt hatte, tranken sie schweigend ihren Kaffee weiter. Nach einer Weile fragte Phiclass="underline" »Hatten Sie in Ihrem anderen Leben je Schwierigkeiten mit Ehebruch?«

»Absolut keine Schwierigkeit. Ehebruch war ein integraler Bestandteil meines Lebens. Ich habe allem nachgejagt, was auf zwei Beinen ging. Jede Frau, die auch nur halbwegs gut außah, war für mich nur eine potentielle schnelle Nummer. Ich war verheiratet, aber ich habe das nie als Ehebruch angesehen. Das war keine Sünde, sondern ein Spiel. Ich war krankhaft unerwachsen, Phil.«

»Ich hätte Sie nicht danach fragen sollen.«

»Doch, eine Beichte tut der Seele gut. Ich schäme mich des Menschen, der ich früher war. Meine Frauengeschichten, der Alkohol, die Drogen, die Kneipenbesuche, Schlägereien, Scheidungen, dass ich meine Kinder vernachlässigt habe - mein Leben war ein einziger Schlamassel. Am liebsten hätte ich die vergeudete Zeit noch einmal, um was daraus zu machen. Aber jedenfalls ist es für mich wichtig, dass ich daran denke, welchen Weg ich gegangen bin.«

»Sie haben noch viele gute Jahre vor sich, Nate.«

»Das hoffe ich. Ich weiß nur nicht so recht, was ich tun soll.«

»Nur Geduld, Gott wird Sie leiten.«

»Wenn ich andererseits sehe, in welchem Tempo wir hier vorankommen, könnte ich das hier zu meinem Beruf machen.«

Phil lächelte, gackerte aber nicht. »Lesen Sie Ihre Bibel gründlich, Nate, und beten Sie. Gott braucht Menschen wie Sie.«

»Vermutlich.«

»Vertrauen Sie mir. Ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich wusste, was Gott von mir wollte. Ich bin eine ganze Weile gerannt, dann aber bin ich stehen geblieben und habe ihm zugehört. Schritt für Schritt hat er mich zum Priesteramt geführt.«

»Wie alt waren Sie da?«

»Ich bin mit sechsunddreißig Jahren ins Seminar eingetreten.«

»Und waren Sie der älteste?«

»Nein. Vierzigjährige sind da kein besonders seltener Anblick. Das kommt immer wieder vor.«

»Wie lange dauert die Ausbildung?«

»Vier Jahre.«

»Das ist ja schlimmer als das Jurastudium.«

»Es war überhaupt nicht schlimm. Ehrlich gesagt hat es sogar Spaß gemacht.«

»Das kann ich vom Jurastudium nicht sagen.«

Sie arbeiteten noch eine Stunde, dann war es Zeit zum Mittagessen. Ein Stück weiter, in Tilghman, gab es ein Fischrestaurant, in dem Phil gern aß. Nate lud ihn ein, denn da der Schnee endlich vollständig geschmolzen war, konnte man ohne Schwierigkeiten dort hinfahren.

»Hübscher Wagen«, sagte Phil, als er den Gurt anlegte. Dabei fiel Sägemehl von seiner Schulter auf den makellosen Ledersitz des Jaguar. Es war Nate gleichgültig.

»Ein typisches Anwaltsauto. Natürlich habe ich es geleast, weil ich nicht genug Geld hatte, bar dafür zu zahlen. Es kostet achthundert im Monat.«

»Entschuldigung.«

»Ich würde es gern abstoßen und mir statt dessen einen hübschen Chevrolet Blazer oder etwas in der Art zulegen.«

Nachdem sie den Ort verlassen hatten, wurde die Straße, welche die ganze Bucht entlang führte, schmal und kurvenreich.

Er lag im Bett, als das Telefon klingelte. Er schlief noch nicht, das würde noch eine Stunde dauern. Es war erst zehn, doch ungeachtet seiner Reise nach Süden war sein Körper nach wie vor an den Tagesablauf von Walnut Hill gewöhnt. Außerdem machte sich die Erschöpfung durch das Denguefieber bisweilen noch bemerkbar.

Es fiel ihm selbst schwer zu glauben, dass er den größten Teil seines Berufslebens hindurch oft bis abends neun oder zehn gearbeitet, dann in einem Restaurant zu Abend gegessen und bis ein Uhr nachts getrunken hatte. Schon der bloße Gedanke daran erschöpfte ihn.

Da das Telefon nur selten klingelte, nahm er rasch ab, in der festen Überzeugung, dass es Schwierigkeiten gab.

Eine Frauenstimme sagte: »Bitte Nate O'Riley.«

»Am Apparat.«

»Guten Abend, Sir. Ich heiße Neva Collier. Sie haben mir einen Brief für unsere Freundin in Brasilien geschickt.«

Die Decken flogen beiseite, während Nate aus dem Bett sprang. »Ja! Sie haben ihn also bekommen?«

»Ja. Ich habe ihn heute morgen gelesen und werde den für Rachel bestimmten Brief an sie weiterleiten.« »Großartig. Wie bekommt sie die Post?«

»Ich schicke sie zu bestimmten Terminen nach Corumba.«

»Vielen Dank. Ich würde ihr gern wieder schreiben.«

»Dagegen ist nichts einzuwenden, aber setzen Sie ihren Namen bitte nicht auf den Umschlag.«

Nate fiel ein, dass es in Houston neun Uhr sein musste. Also rief sie ihn von zu Hause an, und das kam ihm mehr als sonderbar vor. Die Stimme klang zwar angenehm, aber zugleich zögernd.

»Stimmt etwas nicht?« fragte er.

»Nein, nur weiß hier außer mir niemand, wer sie ist. Jetzt, da Sie mit der Sache zu tun haben, gibt es zwei Menschen auf der Welt, die ihren Aufenthaltsort und ihre Identität kennen.«

»Ich habe ihr fest versprochen, dass ich das geheim halte.«

»War sie schwer zu finden?«

»Könnte man sagen. Ich würde mir keine Sorgen darüber machen, ob jemand anders sie aufspürt.«

»Aber wie ist Ihnen das gelungen?«

»Nicht mir, ihrem Vater. Wissen Sie über Troy Phelan Bescheid?«

»Ja, ich habe Zeitungsausschnitte gesammelt.«

»Bevor er sich von dieser Welt verabschiedet hat, hat er ihre Spur bis ins Pantanal verfolgt. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie er das geschafft hat.«

»Er hatte die nötigen Mittel.«

»Das stimmt. Wir wussten also in etwa, wo sie sich aufhielt, ich bin hingeflogen, habe mir vor Ort einen Führer genommen, wir haben uns verirrt und sind dabei auf sie gestoßen. Kennen Sie sie gut?«

»Ich bin nicht sicher, ob irgend jemand Rachel gut kennt. Ich spreche einmal im Jahr mit ihr, wenn sie im August aus Corumba anruft. Vor fünf Jahren hat sie einen Heimaturlaub genommen, und da habe ich einmal mit ihr zu Mittag gegessen. Besonders gut kenne ich sie also nicht.«

»Haben Sie in letzter Zeit von ihr gehört?«

»Nein.«

Rachel war erst vor zwei Wochen in Corumba gewesen. Das wusste er mit Sicherheit, weil sie zu ihm ins Krankenhaus gekommen war. Sie hatte ihn angesprochen, ihn berührt und war dann verschwunden, wobei sie sein Fieber mitgenommen hatte. Bei dieser Gelegenheit sollte sie nicht in der Zentrale angerufen haben? Wie sonderbar.

»Es geht ihr gut«, sagte er. »Sie fühlt sich bei ihren Indianern zu Hause.«

»Warum haben Sie sie aufgespürt?«

»Irgend jemand musste das tun. Begreifen Sie, was ihr Vater getan hat?«

»Ich versuche es.«

»Jemand musste Rachel von der Sache in Kenntnis setzen, und es musste ein Anwalt sein. Zufällig war ich in unserer Kanzlei der einzige, der gerade nichts Besseres zu tun hatte.«

»Und jetzt vertreten Sie sie?«

»Sie verfolgen die Sache ziemlich aufmerksam, was?«

»Wir haben ein mehr als nur flüchtiges Interesse daran. Sie gehört zu uns und ist zur Zeit etwas weit vom Schuss, könnte man sagen.«

»Das ist sehr zurückhaltend formuliert.«

»Was gedenkt sie mit dem Nachlass ihres Vaters zu tun?«

Nate rieb sich die Augen und schwieg eine Weile, um das Gespräch zu verlangsamen. Die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung ging zu weit. Er war nicht sicher, ob ihr das klar war. »Ich möchte nicht unhöflich sein, Ms. Collier, aber ich kann mit Ihnen nicht über Dinge reden, die Rachel und ich in der Nachlasssache ihres Vaters erörtert haben.«

»Natürlich nicht. Ich hatte nicht die Absicht, in Geheimnisse einzudringen. Ich bin nur einfach nicht sicher, was World Tribes zu diesem Zeitpunkt unternehmen müsste.«