So wollte er wissen, wie viel Geld Junior vom 9. bis zum 27. Dezember, dem Tag der Testamentseröffnung, ausgegeben hatte. Welche Weihnachtsgeschenke er seiner Frau gekauft und wie er dafür bezahlt hatte. Was hatte er für seine Kinder gekauft? Zurück zu den fünf Millionen: Hatte er einen Teil des Geldes in Vermögenswerten oder Aktien angelegt? Wie viel Geld hatte Biff im letzten Jahr verdient? Warum hatte ihr erster Mann die Kinder zugesprochen bekommen? Wie viele verschiedene Anwälte hatte Junior seit dem Tode seines Vaters mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt? So ging es weiter und weiter.
Um Punkt sechs Uhr erhob sich Hark und erklärte, dass die Befragung vertagt werde. Zehn Minuten später saß Troy Junior in einer drei Kilometer entfernten Hotelhalle an der Bar.
Nate verbrachte die Nacht im Gästezimmer der Staffords. Joshs Frau war zwar irgendwo im Hause, doch bekam er sie nicht zu sehen. Josh selbst hatte geschäftlich in New York zu tun.
Der zweite Tag der Befragung begann pünktlich. Die Besetzung war dieselbe, allerdings hatten sich die Anwälte deutlich legerer gekleidet. Junior trug einen roten Baumwollpullover.
Nate erkannte das Gesicht eines Betrunkenen - die Haut um die geröteten Augen war aufgedunsen, Wangen und Nase waren rot angelaufen, der Schweiß stand ihm auf der Stirn. So hatte sein eigenes Gesicht jahrelang ausgesehen. Der Kater gehörte ebenso zum Morgen danach wie die Dusche und die Zahnseide. Tabletten einnehmen, starken Kaffee trinken und viel Wasser. Wer dumm sein wollte, musste auch hart gegen sich selbst sein.
»Ihnen ist klar, dass Sie nach wie vor vereidigt sind, Mr. Phelan?« begann er.
»Ja.«
»Stehen Sie unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen?«
»Nein, Sir.«
»Gut. Beschäftigen wir uns noch einmal mit dem neunten Dezember, dem Tag, an dem Ihr Vater gestorben ist.
Wo befanden Sie sich, als ihn die drei Psychiater begutachtet haben?«
»Im Verwaltungsgebäude seiner Firma, in einem Besprechungsraum mit meinen Angehörigen.«
»Und Sie haben die gesamte Befragung verfolgt, nicht wahr?«
»Ja.«
»In dem Raum befanden sich zwei Farbfernseher mit einer Bildschirmdiagonale von Sechsundsechzig Zentimetern. Stimmt das?«
»Wenn Sie das sagen. Ich habe nicht nachgemessen.«
»Aber Sie konnten sie auf jeden Fall sehen, oder?«
»Ja.«
»Und Ihre Sicht war unbehindert.«
»Ich hatte einen deutlichen Blick darauf. Ja.«
»Und Sie hatten auch allen Grund, Ihren Vater aufmerksam zu beobachten.«
»Ja.«
»Hatten Sie Schwierigkeiten zu hören, was er sagte?«
»Nein.«
Den Anwälten war klar, worauf Nate hinauswollte. Es war eine unangenehme Seite ihres Falles, die sich aber nicht vermeiden ließ. Jeder der sechs Nachkommen würde diesen Weg gehen müssen.
»Sie haben also die gesamte Befragung mit angesehen und mit angehört?« , •
»Ja.«
»Und Ihnen ist nichts entgangen?«
»Mir ist nichts entgangen.«
»Einer der drei Psychiater, nämlich Dr. Zadel, war von Ihnen und Ihren Angehörigen beauftragt worden, stimmt das?«
»Das stimmt.«
»Wer hat ihn ausgewählt?«
»Die Anwälte.«
» Sie haben Ihre Anwälte damit beauftragt, den Psychiater auszuwählen?«
»Ja.«
Zehn Minuten lang befragte Nate ihn, aufgrund welcher Kriterien die Familie Dr. Zadel für eine so entscheidende Befragung ausgewählt hatte, und bekam schließlich, was er wollte. Man hatte sich für Zadel entschieden, weil er nachdrücklich empfohlen worden war und über eine große Erfahrung verfügte.
»Waren Sie mit der Art und Weise zufrieden, wie er die Befragung gehandhabt hat?« fragte Nate.
»Ich glaube schon.«
»Gab es etwas an Dr. Zadels Verhalten, was Ihnen nicht gefallen hat?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
Der Weg zum Rand des Steilhangs ging weiter. Troy Junior gab zu, dass er mit der Befragung und mit Zadel selbst wie auch mit der Schlussfolgerung zufrieden gewesen sei, zu der die drei Psychiater gelangt waren, und dass er das Gebäude mit der Überzeugung verlassen hatte, sein Vater wisse, was er tue.
»Und zu welchem Zeitpunkt nach der Befragung haben Sie erstmals am Geisteszustand Ihres Vaters gezwei-felt?« fragte Nate.
»Als er gesprungen ist.«
»Also am neunten Dezember?«
»Ja.«
»Das heißt, Sie hatten sofort Zweifel?«
»Ja.«
»Und was hat Dr. Zadel zu Ihnen gesagt, als Sie diese Zweifel geäußert haben?« .
»Ich habe nicht mit ihm gesprochen.«
»Ach nein?«
»Nein.«
»Wie oft haben Sie zwischen dem neunten und dem siebenundzwanzigsten Dezember, dem Tag, an dem das Testament im Gericht verlesen wurde, mit Dr. Zadel gesprochen?«
»Ich kann mich an kein einziges Mal erinnern.«
»Sind Sie irgendwann mit ihm zusammengetroffen?«
»Nein.«
»Haben Sie in seinem Büro angerufen?«
»Nein.«
»Haben Sie ihn seit dem neunten Dezember gesehen?«
»Nein.«
Nachdem ihn Nate an den Abgrund geführt hatte, war es Zeit, ihm einen Stoß zu geben. »Warum haben Sie Dr. Zadel gefeuert?«
Auf diese Frage war Junior in gewisser Weise vorbereitet worden. »Danach müssen Sie meinen Anwalt fragen«, sagte er und hoffte, Nate werde ihn eine Weile zufrieden lassen.
»Ich befrage nicht Ihren Anwalt, Mr. Phelan. Ich frage Sie, warum Sie Dr. Zadel gefeuert haben.«
»Danach müssen Sie die Anwälte fragen. Das ist Teil unserer Vorgehensweise.«
»Haben sich die Anwälte mit Ihnen in Verbindung gesetzt, bevor Dr. Zadel gefeuert wurde?«
»Das weiß ich nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Ist es Ihnen recht, dass Dr. Zadel nicht mehr für Sie tätig ist?«
»Natürlich.«
»Warum?«
»Weil er sich geirrt hat. Sehen Sie, mein Vater war ein Meister darin, andere Leute hinters Licht zu führen. So hat er es sein Leben lang gemacht, und auch bei der Befragung durch die Psychiater. Immerhin ist er anschließend von der Dachterrasse gesprungen. Er hat Zadel und die anderen reingelegt, und sie sind ihm auf den Leim gegangen. Es ist ganz klar, dass er verrückt gewesen sein muss.«
»Weil er gesprungen ist?«
»Ja, weil er gesprungen ist, weil er sein Geld irgendeinem unbekannten Menschen hinterlassen und nicht den geringsten Versuch gemacht hat, sein Vermögen vor der Erbschaftssteuer in Sicherheit zu bringen. Er muss schon eine ganze Weile den Verstand verloren haben. Was glauben Sie, warum wir diese Befragung angesetzt hatten? Wenn er nicht verrückt gewesen wäre, wären dann drei Psychiater nötig gewesen, die ihn auf seinen Geisteszustand überprüfen sollten, bevor er sein Testament unterzeichnete?«
»Aber die drei haben gesagt, dass alles in Ordnung war.«
»Ja, und damit haben sie völlig falsch gelegen. Er ist über das Terrassengeländer gesprungen. Leute, die bei klarem Verstand sind, tun so was nicht.«
»Und was wäre, wenn Ihr Vater das andere Testament und nicht das eigenhändige unterschrieben hätte und anschließend gesprungen wäre? Wäre er dann auch verrückt gewesen?«
»Dann wären wir nicht hier.«
Das war die einzige Gelegenheit während seines zweitägigen Martyriums, bei der Troy Junior ein Unentschieden herausholte. Nate war klar, dass er jetzt besser weitermachte und später noch einmal darauf zurückkäme.
»Lassen Sie uns über die Roosters Inns sprechen«, erklärte er, und Troy Juniors Schultern sanken eine Hand-breit. Dabei handelte es sich lediglich um eine seiner weiteren Unternehmungen, mit denen er finanziellen Schiffbruch erlitten hatte. Nate wollte alle noch so unbedeutenden Einzelheiten wissen. Ein Bankrott führte zum nächsten, und sobald man auf einen dieser Fälle zu sprechen kam, würde automatisch nach den anderen gefragt. Junior hatte ein trauriges Leben geführt. Zwar fiel es Nate schwer, mit ihm zu fühlen, doch war ihm klar, dass der arme Kerl nie einen Vater gehabt hatte. Er hatte sich nach dessen Anerkennung gesehnt, doch sie war ihm stets versagt geblieben. Soweit Nate von Josh wusste, hatte es Troy Phelan großes Vergnügen bereitet, wenn eine Unternehmung seiner Kinder fehlschlug.